Von Monika Heil

Traxlbach trauert um Ludwig Horatio Rinnstein, der nur dreiunddreißig Jahre alt werden durfte. »Warum?« fragen viele Mitbürger erschüttert. Ausgerechnet in einem Rinnstein wurde er gefunden. »Ist Nomen ein Omen?«, fragt der lateinisch sprechende Teil der Traxlbacher Bevölkerung. Ausgerechnet der Gymnasiallehrer für altgriechische Sprachen des nahegelegenen Internates fand ihn mit zerschmetterten Gliedern. Ein ganzes Dorf trauert.

 

Fast jeder Bürger erinnert sich an »Rinni«, wie er liebevoll genannt wurde. Auch wenn er nur klein an Gestalt war, den Traxlbachern galt er als einer der Größten. Wer hat ihn nicht irgendwann in seinem Garten stehen sehen, gestützt auf seine grüne Harke, stets ein freundliches Lächeln auf Lippen. »Er schien immer gut drauf zu sein, wenn mein Enkel Benni und ich auf dem Weg zum Kindergarten dort vorbeikamen«, erinnert sich Marie Weinberger aus der Neubausiedlung am Ortsrand. »Wir beide vermissen ihn schmerzlich«, seufzt die alte Dame und wischt unauffällig eine Träne aus ihrem Auge.

Und nicht nur sie.

 

Ein lustiger Typ, fürwahr, das war unser Rinni. In seinen blauen Augen blitzte der Schalk. Seine auffallende Kopfbedeckung war nicht mehr ganz neu, doch sie schützte sein haarloses Haupt vor Wind und Regen, vor Sonnenbrand und Schlimmerem.

»Die Besten müssen oft zu früh gehen.« Dieser Tenor durchweht die Reaktionen der erschütterten Traxlbacher.

 

Ludwig Horatio Rinnstein war beliebt bei fast allen Bewohnern des Ortes. Gewiss, er hatte Ecken und Kanten und nicht nur Freunde. Respekt jedoch zollte man ihm in allen weltanschaulichen Lagern. Erinnert sei an die legendäre Abstimmung im Gemeinderat, als selbst Bürgermeister Xaver Seitenweg (parteilos) Partei für ihn ergriff und dafür plädierte, die Kleingartenanlage nach ihm zu benennen und nicht nach dem gleichnamigen Wirt vom Gasthaus »Rinnstein«. (Unsere Zeitung berichtete.)

Die Stadt verdankt dem viel zu früh Verblichenen nicht nur das Bewusstsein für Volkskultur und Integration. Sein Name steht auch für das Bewahren von Traditionen. Obwohl er – wie seine Vorfahren – aus Gräfenroda in Thüringen stammte, hatte sich Ludwig Horatio Rinnstein in unserer kleinen Gemeinde gut eingelebt. Er wurde – wie bereits erwähnt – nur dreiunddreißig Jahre alt. Viel zu jung. Und sein Mörder lebt unerkannt unter uns.

In einem aber ist sich ganz Traxlbach einig: Gartenzwerge sterben trotz aller Gegenbewegungen nie aus. Auch noch so schnöde Attentate können das nicht erreichen. Ludwig Horatio Rinnstein hinterlässt allein in Traxlbach 175 Vor- und Nachfahren und als Chefredakteur dieser Zeitung wage ich die Prognose – die Gattung dieser Naturburschen aus Ton und Keramik wird nie aussterben.

 

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