Von Monika Heil

Ich komme gerade von einem Arztgespräch. In Gedanken versunken laufe ich durch die Fußgängerzone. Die Witterung entspricht meiner Stimmung. Heiter bis wolkig. Mein Mann bleibt vor einem Elektroladen kurz stehen, ich gehe weiter zum Modegeschäft nebenan. Dutzendware. Uninteressant. Fußgängerzonen sind in fast allen Städten austauschbar, geht mir durch den Kopf. Zu viele Ketten. Zu wenig Individualität. Mein Mann holt auf. Schweigend gehen wir weiter.

 

Die junge Mutter in ihrem sehr schicken Sommerkleid und ihr Sprößling ziehen die Blicke auf sich. Sie schiebt langsam die kleine Sportkarre. Der Junior stapft mit etwas ungelenken, dennoch kräftigen Beinchen vorweg. Enzianfarbige, glänzende Gummistiefel wetteifern mit dem gerade azurblau aufreißendem Himmel über uns um die strahlendste Variante. Unter dem kurzen, kompakten Jeanshöschchen kann ich die schützenden Pampers erahnen. Auf dem grauen, feinen Wollpullover schlagen rote und gelbe Zwerge Purzelbaum.

 

Ich weiche einer Pfütze aus.

»Willst du platschen?«, höre ich die junge Mutter fragen. Der kleine Kerl strahlt über das ganze Gesichtchen und nickt so vehement, dass die seidigen blonden Haare fliegen.

Erinnerungen blitzen in meinen Gedanken auf. Diese Frage hätte meine Mutter nie gestellt.

»Pass auf, dass du nicht …«

»Dennis, nein! Nicht sooo!!« Der Schrei der jungen Frau holt mich sofort in die Gegenwart zurück. Erschrocken drehe ich mich um. Klein Dennis liegt teils vor, teils in der Pfütze und platscht mit größtem Vergnügen laut jauchzend mit beiden Handflächen in die braune Brühe. Ich kann nicht anders. Ich lache laut auf. Selbst mein brummbärig lieber Mann schmunzelt.

»Wollen wir einen Kaffee trinken?«, fragt er und zieht mich zur Konditorei Hellwege. Ein letzter Blick auf die Pfütze. Die Assoziation gefällt mir nicht.

»Lieber ein Glas Sekt«, murmele ich und folgt meinem Liebsten zu einem freien Tisch.

Die Sonne lacht, ich kichere noch immer. Dennis und seine Mama sind verschwunden.

»Alles wird gut, mein Schatz«, verspricht mein Mann. Ich glaube ihm.

 

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