Von Monika Heil

Sie hatten die Wanderung spontan geplant.

»Das Wetter sollten wir ausnutzen. Wer weiß, wie lange es noch so schön bleibt.«

Der Himmel belohnte ihren Beschluss mit strahlendem Sonnenschein.

»Das ist heuer ein Altweibersommer, wie er im Buche steht.«

»Für nächste Woche hat der Wetterbericht die ersten Herbststürme vorausgesagt.«

»Na, dann los.«

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Seit zwei Stunden waren sie jetzt unterwegs.

»Zeit für eine kleine Pause«, meinte Heinrich.

»Lass uns noch bis zu der Bank da vorne gehen«, schlug Olga vor. »Von dort hat man einen wunderbaren Blick ins Tal.«

Heinrich lächelte zustimmend.

 

Während Olga Weißbrot, Käse und Trauben, sowie eine Flasche Mineralwasser aus dem Rucksack zauberte, verfolgte Heinrich den Zug zweier Wildgänse am blauen Himmel.

»Die haben offenbar den Anschluss an ihre Gruppe verpasst«, überlegte er laut.

»Wohl auch so zwei Alte wie wir, die mit dem Tempo der Jungen nicht mehr mithalten können«, schmunzelte seine Frau. Als Heinrich nicht antwortete, fuhr sie nach kurzer Pause fort: »Aber weißt du, ich finde das nicht weiter schlimm. Die paar Jahre, die uns noch bleiben, teilen wir uns trotzdem schön langsam und gemütlich ein, oder?«

Sie hörte auf, im Rucksack zu kramen und schaute zu ihrem Mann, der noch immer nichts sagte.

 

Heinrich hatte den Kopf an die Rücklehne gelegt. Er befahl sich, ruhig und tief zu atmen. Vergeblich. Einatmen, ausatmen. Plötzlich begann er zu röcheln und krampfte seine Hand auf die Brust, dort wo sein Herz schlug. Der Schmerz wurde immer heftiger, Stacheldraht schien ihn zu durchbohren. Kalter Schweiß brach ihm aus allen Poren. Sein Leben raste in einem immer schneller werdenden Kaleidoskop an ihm vorbei.

»Heinrich!«, schrie Olga und suchte verzweifelt das Handy in der Tasche ihres Anoraks. Gleichzeitig streichelte sie sein Gesicht.

»Schatz, lass mich jetzt nicht allein«, flüsterte sie.

Heinrich hörte es nicht mehr. Mit einem letzten Seufzer reduzierte er die paar Jahre auf null.

 

Und die Sonne strahlte weiter von einem makellos blauen Himmel.