Von Paul Pietsch

Wütend laufe ich durch die verregneten Straßen der Stadt. Warum habe ich mich nur auf diesen Scheiß eingelassen? Warum auf sowas? Hätte ich mich nicht mit ihm auf was Harmloseres einigen können? Sowas wie im Schuhgeschäft die Schuhe in den Kartons vertauschen. Oder irgendwelche Plakate verschönern? Aber nein. Ich muss mich auf sowas einlassen. Vor zwei Tagen als ich mich einem Kumpel ein Bierchen, als ob das eine oder andere Bierchen trinken war, hat er mich zu einer Wette überredet bekommen. Ich war schon etwas angetrunken, also wird ihm das nicht mehr schwer gefallen sein. Jedenfalls bestand die Wette daraus, dass er gewettet hat, ich würde die Wodkaflasche, die aus irgendeinem Grund auf dem Tisch stand, nicht in einem Zug leeren könnte. Die Flasche war noch fast voll. Ja was soll ich sagen. Ich habe es natürlich nicht geschafft. Und jetzt muss ich meinen Wetteinsatz einlösen. Manchmal sollte ich einfach wissen wann Schluss ist.

Endlich habe ich mein Ziel erreicht. Zögernd bleibe ich im Regen stehen. Wäre heute gutes Wetter, hätte ich wahrscheinlich noch Ewigkeiten vor der Tür gestanden, aber so wollte ich unbedingt dem Regen entkommen. Also betrete ich das Polizeirevier. Das erste was ich sehe, ist mein grinsender Kumpel, der mir aus einem kleinen Raum zuwinkt und dann einen Daumen hoch zeigt.

„Na danke“, murmle ich vor mich hin. Ich gehe zum nächstbesten Polizisten und spreche: „Äh… Guten Morgen. Ich möchte einen Diebstahl melden.“

„Ja gut. Oder eher nicht gut. Also für Sie nicht so gut. Egal. Kommen Sie mal mit“, antwortet der Polizist und ich trotte ihm gemächlich hinterher. Als wir an dem kleinen Raum vorbeikommen, in dem mein Freund sitzt, grinst er noch immer und feuert mich weiterhin an. Ich starre ihn mit einem Todesblick an, aber er lacht nur und widmet sich wieder seiner Arbeit. Für ihn mag das ja witzig sein, aber für mich wird das nur peinlich.

Der Polizist bleibt vor einer Tür stehe und klopft. Dann schickt er mich in den Extraraum zu einem anderen Beamten.

„Was gibt’s?“, fragt der.

„Ich möchte einen Diebstahl melden“, antworte ich zögernd.

„Na was wurde Ihnen denn gestohlen?“, fragt der Beamte weiter und holt einen Zettel raus.

„Mir? Mir nichts“, antworte ich. Verwirrt schaut der Polizist von seinem Blatt auf.

„Wie jetzt? Haben Sie gesehen wie jemand ausgeraubt wurde oder was wollen Sie mir jetzt erzählen?“

„So könnte man es bezeichnen, ja.“

„Also gut. Was wurde denn gestohlen?“

„Ein Polizeiauto.“

„Ein Polizeiauto?“

„Ja. Ich glaube es war sogar Ihrs.“

„Meins? Wie konnte das passieren? Sagen Sie mir was genau passiert.“

„Ähm… Das äh.. ist jetzt etwas komisch, aber das kann ich nicht.“

„Wieso denn das nicht? Was sollte Sie davon abhalten?“, fragt der Beamte.

„Ich will mich nicht selbst belasten“, antworte ich und starre auf die faszinierende Tischkante. Erneut verfluche ich mein betrunkenes Ich. Ich hätte mir diesen ganzen Mist sparen können. Ich hätte nur vernünftig nachdenken müssen. Aber das ist nicht so meine Stärke.

Es dauert einige Augenblicke bis der Beamte die Bedeutung meiner Worte versteht.

„Also haben Sie meinen Wagen gestohlen. Aber, warum? Und wieso kommen Sie dann zu mir und stellen sich?“, fragt er verwirrt.

„Würde Sie mir glauben, wenn ich Ihnen erzähle, dass das eine verlorene Wette war?“, frage ich hoffnungsvoll zurück.

„Wohl eher nicht. Das ist eine sehr dünne Ausrede.“

„Aber in diesem Fall die reine Wahrheit“, versuche ich ihn zu überzeugen.

„Das glaube ich Ihnen trotzdem nicht.“

„Und was machen wir dann jetzt?“

„Sie sagen mir einfach wo mein Auto steht und dann gehe ich das holen. Dann sehen wir weiter.“ Also nenne ich ihm den Parkplatz, wo ich das  Auto abgestellt habe. Er verschwindet und lässt mich alleine in dem Raum. Ich könnte einfach aus dem Fenster klettern und verschwinden. Aber dann würde ich mich richtig kriminell machen. Bis jetzt besteht noch immer die Chance, dass ich den Polizisten überzeugt bekomme. Grübelnd sitze ich auf dem Stuhl. Nach einiger Zeit halte ich es nicht mehr aus und im Zimmer auf und ab. Als ich schon glaube der Polizist hätte sich dazu entschlossen mich einfach in dem Raum verrotten zu lassen, öffnet sich die Tür. Herein kommt mein grinsender Freund, der sich den ganzen Scheiß ausgedacht hat.

„Du kannst jetzt gehen“, sagt er lachend zu mir.

„Aber… Der Polizist?“, frage ich verwirrt.

„Der war mit eingeweiht. Der saß jetzt die ganze Zeit lachend in einer Ecke und hat sich nicht mehr ein bekommen. Eigentlich hätte er dich noch weiter verhören sollen, aber dazu war er nicht mehr in der Lage. Na los. Jetzt komm schon“, fordert er mich auf.

„Ich werde nie wieder gegen dich wetten“, sage ich überzeugt. Lachend schlägt er mir auf die Schulter.

„Wetten doch?“

„Okay.“