Von Amelie A. Kann

Ich laufe die Straße entlang und bleibe kurz vor dem weißen Gebäude stehen. 

Scham überkommt mich, ich drehe mich nach hinten um, um zu schauen ob jemand hinter mir steht oder ob da irgendwer ist, der sehen könnte wie ich in das Haus hineingehe. Ich fühle mich als würden tausend spöttische Blicke auf mir liegen, doch nicht ein Mensch geht die Straße entlang. Ich warte keine Sekunde länger und reiße die schwere Eingangstür auf. Ich stehe im Flur, atme tief ein und aus. Versuche die Angst, dass mich doch jemand gesehen haben könnte einfach weg zu atmen. 

Zwei Minuten später sitze ich auf dem großen grünen Sofa, mir gegenüber meine Therapeutin. Die Routine beginnt. Ich gebe ihr meine Krankenkarte, wenig später bekomme ich sie wieder zurück. 

Sie setzt sich mir gegenüber auf einen Sessel und atmet laut aus. Schon jetzt habe ich das Gefühl eine Last für sie zu sein, ich fühle mich unerwünscht. 

Ich fange an über die letzten Tage zu reden. Es war Weihnachten, ich erzähle ihr, dass ich mehrere Plätzchen gegessen habe. Meinen Nervenzusammenbruch über die zwei Nudeln in der mir sowieso schon unbekannten Suppe von Mama lasse ich dabei gekonnt aus. Ich erzähle ihr nur Gutes, denn umso mehr Gutes ich erzähle, desto eher kann ich gehen und bin dann keine Last mehr für sie. Ich schaue auf meine Hände, ich will ihr nicht in die Augen sehen. Meine Finger sind immer noch blau angelaufen, liegt sicherlich an der Kälte die draußen herrscht.

 Ich will gehen, dieses Gespräch einfach beenden. 

„Wieso hast du nur ein T-Shirt und eine dünne Jacke bei der Kälte an?“, fragt sie mich vorwurfsvoll und mit misstrauischem Blick. „Na, weil ich das so mag. Ich soll mich doch schön finden.“, antworte ich ihr kalt. Innerlich weiß ich, dass ich so dünn angezogen bin, damit ich draußen mehr friere. Denn wer friert verbrennt Kalorien hat mir mal jemand erzählt. 

Wenig später ist die Stunde vorbei. 

Ich stehe auf und mir wird schlagartig schwarz vor Augen. Ich versuche mir nichts anmerken zu lassen. Nach langen Sekunden nimmt meine Umgebung wieder Farbe an und ich sehe, dass ich meiner Therapeutin direkt gegenüberstehe. Sie hat nichts gemerkt. Wie so oft. Vielleicht würde ich mir sogar manchmal wünschen, dass sie es merkt. Dass sie merkt, dass eben nicht alles gut ist. Dass sie eben merkt, dass ich lüge. Jedes Mal. Wir verabschieden uns und ich gehe zur Tür. Endlich. Die Tür fällt hinter mir zu und kurz darauf stehe ich wieder auf der Straße. Und hoffentlich hat keiner gesehen aus welcher Tür ich gekommen bin.