Von Ingo Pietsch

Eine Autobahnraststätte an der A4 bei Dresden

Abends um 19.30 Uhr

Mascha und Dascha standen angelehnt an einen alten Opel Corsa und warteten auf Kundschaft.

„Bisd du dir sischor, doss duu dos hio noch wäidor moschän willsd?“, fragte Mascha, die Ältere der beiden.  Sie war über 40 und hatte ein verlebtes Gesicht. Sie beobachtete ihre junge Bekannte dabei ganz genau.

Dascha blies ein Atemwölkchen in die Luft und kaute dabei Kaugummi.

„Einer muss es doch machen, oder?“, die Härte in der Stimme passte gar nicht zu der jungen Frau.

Mascha meinte nur: „Wiä duu meenst.“

Es war kalt und sie trugen lange Mäntel.

Gelegentlich hielt ein Autofahrer, um die versiffte Toilette aufzusuchen und Mascha erntete dabei nur abfällige Blicke, im Gegensatz zu Dascha. Aber dabei blieb es meist an diesem Abend.

Nur ein LKW-Fahrer aus Rumänien hatte sich für Mascha interessiert, weil sie ihn wohl an seine Mutter erinnerte.

Mascha zündete sich eine Zigarette an und Dascha rieb sich die Hände. „Lass uns Schluss machen, es passiert heute ja eh nichts mehr.“

„Noch fünf Minuutän.“ Mascha genoss ihre Zigarette.

Dascha war im Begriff ins Auto einzusteigen, als ein teurer Mercedes neuerer Bauart direkt neben dem Corsa hielt.

Zwei junge Männer, kräftig, mit einem Auftreten, als wüssten sie, was sie wollten, stiegen aus.

„Na, die Damen, wie läuft es so?“, fragte einer der Männer, Kaugummi kauend.

Der andere musterte sie von oben nach unten und leckte sich über die Lippen.

„Was hobt ihr dänn so voor?“, wollte Mascha wissen.

„Naja, wir könnten uns auf beide Autos verteilen und dann sehen wir, was sich so ergibt.“

Immer wieder erhellten die Lichter der vorbeifahrenden Fahrzeuge den spärlich beleuchteten Parkplatz.

„Ogä, seed ihr denn flüssisch?“

Dascha beobachtete angespannt die beiden. Irgendwas führten sie im Schilde.

Der Sprecher zog ein Bündel gelber und grüner Scheine aus seiner Hosentasche.

Mascha stupste Dascha an, die ihr einen warnenden Blick zuwarf. „Siehsde, das Glüg isd uuns hoold.“

„Wie heißt ihr Hübschen denn?“

„Moscho und Doscho.“

„Ehrlich? Wir sind Lolek und Bolek“, kam es spontan zurück. „Das passt doch prima zusammen.“ Alle bis auf Dascha lachten.

Das stank doch bis zum Himmel. Aber vielleicht hatten sie an diesem Abend Glück.

„Ich würde sagen, dass Dascha mit mir kommt und Mascha nimmt Bolek mit.“

Der Stumme ging mit Mascha und Dascha stieg in den Mercedes.

Sie saßen auf der Rückbank, die beheizt war.

Lolek öffnete Daschas Mantel und fasste ihr an den Oberschenkel.

Sie schaute aus dem Fenster zum Corsa hinüber und sah wie der Wagen zu Schaukeln begann.

„Nicht so schüchtern, Schätzchen!“

Sie griff zur Türklinke und zog daran, doch nichts passierte. „Ich will raus hier.“

„Jetzt stell dich nicht so an!“

Dascha drehte sich zu Lolek um, der ihr plötzlich ein Tuch ins Gesicht drückte.

Sie versuchte noch, ihr CS-Gas aus der Tasche zu ziehen, aber es war zu spät, sie wurde ohnmächtig.

Bolek riss plötzlich atemlos die Tür auf: „Los weg hier!“, schrie er, startete den Wagen und raste mit quietschenden Reifen davon.

Mascha rannte dem Auto hinterher und warf einen Schuh danach. „Ihr Schweene! Isch griege eusch!“

 

„Alter, was war denn los? Wir wollten beide mitnehmen. Keine Zeugen! Wie immer“ , sagte Lolek.

„Boah, die alte Mumie ging mir gleich an die Wäsche. Dann sah sie zu dir rüber und wollte auf einmal nicht mehr. Eigentlich hätte das Betäubungszeug einen Elefanten umgehauen. Aber die ist schon so abgehärtet, der hättest du einen Hammer auf den Kopf schlagen müssen. Dafür kriegt sie jetzt ein schönes Veilchen.“ Er rieb sich die Knöchel an der Hand.

„Die hier ist es jedenfalls wert, bei dem, was ich so sehe.“

Beide lachten und fuhren Richtung tschechische Grenze weiter.

 

Zwei Stunden später saßen die beiden Frauen in Decken gewickelt in einem Einsatzfahrzeug der Autobahnpolizei.

Der leitende Kommissar hielt ein Klemmbrett in der Hand: „Mascha und Dascha“, sagte er spöttisch, „ich glaube, bei euch hakt es wohl. Wisst ihr eigentlich, was alles hätte passieren können. Ich weiß nicht, was schlimmer ist. Dass du“, er zeigte auf Manuela, „dich da hast reinziehen lassen oder du Daniela, als Polizeimeisterin, auf so eine bescheuerte Idee gekommen bist. Undercover und ohne jedwede Unterstützung.“

Die beiden sahen zu Boden.

Der Kommissar fasste sich an die Stirn.

„Immerhin konnten wir ein paar Erfolge verbuchen. Der Mercedes ist geklaut, das GPS desaktiviert und die Fahrgestellnummer ist auch rausgefräst. Aus diesem Lolek haben wir bisher nichts rausbekommen, aber Bolek war dafür umso gesprächiger. Daniela wollten sie nach China weiterschmuggeln. Ist momentan wohl voll der Trend. Es sind schon einige Prostituierte als vermisst gemeldet worden. Menschenhandel und Organschmuggel. Die Welt wird immer verrückter. Immerhin hattet ihr einen guten Riecher. Und verdammt viele Schutzengel! Trotz allem: Gute Arbeit! Aber macht das ohne Absprache nie wieder! Das ist für dich, Manuela.“ Der Kommissar drückte ihr ein kleines Bündel mit grünen und gelben Scheinen in die Hand. „Vielleicht setzt du dich ja mal endlich zur Ruhe.“

„Isch globe nisch. Isd doch gonz lugradiv mid där Poolizee zuusommenzuuarbeeten.“ Manuela grinste und der Kommissar zog eine säuerliche Miene.

„Übrigens: Dor LKW-Fohror woollte nuur kuschäln.“

Daniela lachte erst leise, dann lauter und der Kommissar schüttelte den Kopf und verstand kein Wort.

 

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