Anne Moog

Max war glücklich. Sein Leben hatte sich, nach zwei Jahren Herzschmerz, an dem Tag verändert, an dem er Viktoria in dem kleinen Fotoladen begegnet war. Es war Liebe auf den ersten Blick gewesen. Seit fast acht Monaten verbrachten sie seither jede freie Minute miteinander. Max war ein gebranntes Kind. Seine Ex hatte ihn monatelang betrogen und dann abserviert, nach vier Jahren Beziehung. Obwohl er spürte, dass es mit Viktoria anders war, überkamen ihn immer wieder diese Eifersuchtsattacken. Viktoria war mit ihren kurzen blonden Haaren und den schönen blauen Augen auffallend hübsch. Durch ihre offene, humorvolle Art kam sie überall gut an. Er sah die bewundernden Blicke, wenn er mit ihr unterwegs war. Sie machten ihn stolz und taten seinem Ego gut, aber sie machten ihm auch Angst, Angst diese tolle Frau wieder zu verlieren. Viktoria hatte ihm immer wieder klar gemacht, dass es keinen Grund für Eifersucht gäbe. Max hatte versprochen, an sich zu arbeiten, aber …

Gut gelaunt vor sich hin pfeifend betrat Max die Wohnung seiner Freundin. Sofort roch er den würzig-holzigen Duft ihres Parfums, das er so liebte. Sein Herz schlug schneller. Er freute sich sehr auf sie. Viktoria würde frühestens in einer Stunde von der Arbeit kommen, aber in seiner eigenen Wohnung hatte er es nicht mehr ausgehalten, obwohl er erst heute Morgen wieder in Frankfurt gelandet war. Sechs Wochen war er für eine Projektbetreuung seiner Firma in Singapur gewesen. Gleich nach seiner Ankunft am Flughafen hatte er Viktoria im Büro angerufen. Ein Kollege, den er nicht kannte, hatte abgehoben. „Vic ist in einer Besprechung. Kann ich ihr etwas ausrichten?“, hatte ein Roland gesagt. Er verneinte. Sofort spürte er einen Stich in seinem Herzen. Wieso nennt er sie Vic? Viktorias Herzchen per Whatsapp verdrängten die bei ihm aufkommende Eifersucht für einen kurzen Moment. Dennoch war es wieder mal der Anfang von seinen Katastrophenphantasien, die immer damit endeten, dass er Viktoria verlieren würde. Max musste sich zusammenreißen. Keine Eifersuchtsanfälle mehr. Ich vertraue ihr, ich vertraue ihr. Max stellte den Champagner in den Kühlschrank. Für die Baccararose fand er eine Vase und platzierte sie so, dass Viktoria sie beim Betreten des Wohnzimmers direkt sehen würde. Er schlenderte durch die Wohnung. Dabei entdeckte er auf dem Schreibtisch im Büro Viktorias Kamera. Neugierig darauf, was sie in seiner Abwesenheit alles fotografiert hatte, schaute er sich die Fotos auf dem Display an. Er musste lachen. Sie hatte wirklich mit der Kamera geübt und alles in ihrer Umgebung erfasst. Die Wohnungseinrichtung, den Park gegenüber, die Kollegen bei der Arbeit, die Geburtstagsfeier ihrer Freundin Lisa. Die Fotos waren gut. Dann stutzte er. Plötzlich erschien ein gutaussehender, athletischer, braungebrannter Typ. Max war irritiert. Wer ist das? Er schaute auf das Datum. Die ersten Fotos waren vom 31.08.2019. Da war er gerade mal zehn Tage in Singapur gewesen. Bitte nicht. Viktoria hatte immer wieder von diesem Typ Fotos gemacht. Mal beim Eis essen, mal am Mainufer, mal im Zoo. Dabei strahlte er mit der Sonne um die Wette. Und wie er in die Kamera schaut. Max wurde übel. Ich habe es geahnt. Er klickte weiter. Das letzte Foto war eindeutig. Viktoria saß Huckepack auf dem Typen und hielt ihn am Hals eng umschlungen. Sie hatten viel Spaß miteinander, das konnte er klar erkennen. Und er spürte auch die Vertrautheit zwischen den beiden. Ich wusste es doch!

Die Eifersucht überkam Max mit einer solchen Wucht, dass seine Schläfen zu pochen anfingen. Sein Herz raste und er hatte das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen. Nein! Nicht nochmal. Alles kam wieder hoch. Er hatte geglaubt, mit Viktoria wäre es anders. Er hatte gehofft, in ihr die große Liebe gefunden zu haben.

Während Max noch wie gebannt auf die Fotos starrte, hörte er den Schlüssel in der Wohnungstür. Schnell legte er die Kamera auf den Schreibtisch zurück.

„Halloooo, ich bin da. Und wo bist du?“, rief Viktoria.

Max kam ihr im Flur entgegen. Sie warf sich ihm freudestrahlend in die Arme und küsste ihn stürmisch. Er stand da wie versteinert. Was soll die Show? Max löste sich aus der Umarmung. „Gut siehst du aus.“ Mit viel Beherrschung kamen ihm diese Worte über die Lippen.

Sie strahlte ihn an. „Danke, mein Liebster. Mir geht es auch gut. Obwohl ich dich natürlich toooootal vermisst habe.“

Noch bewahrte Max die Fassung. „Ich habe die Fotos gesehen.“

„Ja, die Kamera ist echt klasse. Da haben wir uns genau das Richtige gekauft. Hattest du denn in Singapur auch etwas Zeit, um Fotos zu machen?“, plapperte sie.

„Mach` mir nichts vor, ich habe ALLE Fotos gesehen.“ Er sprach betont langsam. Seine Stimme war eiskalt.

„Ja und? Max, was ist los mit dir, warum bist du so komisch, so anders?“

„Wer ist der Typ?“

Sie schaute ihn für einen Moment verständnislos an. „Ach so, jetzt verstehe ich. Ja, das wollte ich dir heute persönlich sagen, nicht per Whatsapp.“

Dieser Satz kam Max bekannt vor und er ließ bei ihm alle Sicherungen durchbrennen.

„Warum?“, stieß er hervor.

Bevor sie etwas erwidern konnte, packte er sie am Hals und drückte ihr voller Hass und Wut die Kehle zu. Sie wehrte sich kaum, sondern blickte ihn nur ungläubig an.

Max kam erst wieder zur Besinnung, als Viktorias lebloser Körper sie beide zu Boden zwang. „Viktoria“, flüsterte er immer wieder. „Viktoria, was habe ich getan?“

Es klingelte an der Tür. Max hatte keine Ahnung, wie viel Zeit vergangen war. Er lag mit Viktoria in den Armen auf dem Boden. Es klingelte erneut. Max stand auf, ging wie unter Hypnose zur Tür und öffnete. Vor ihm stand der Typ, den er auf den Fotos mit Viktoria gesehen hatte. Völlig verstört starrte Max den Mann an.

„Hallo, du bist sicher Max. Ich habe schon viel von dir gehört. Ich bin Christian.“ Er streckte ihm freundlich die Hand entgegen. Max reagiert nicht. Er stand einfach nur da. Ich kenne diese Augen, dieses Lächeln.

Der junge Mann schien zu überlegen. „Ähm, ich tippe mal, du weißt noch nichts von mir oder? Vicky wollte es dir nicht schreiben oder am Handy erzählen.“ Christian schaute ihn fragend an. Von Max kam nichts. „Also gut. Vicky kommt sicher mal wieder später von der Arbeit. Dann sage ich es dir jetzt, sonst lässt du mich ja wahrscheinlich gar nicht in die Wohnung. Er lachte. „Vicky und ich hatten uns – wie es damals schien – für immer zerstritten. Ich war dann für drei Jahre in den USA. Seit vier Wochen bin ich zurück und wir haben uns endlich versöhnt.“ Er strahlte ihn an. „Ich bin Vickis Bruder.“