Von Bernd Kleber

Hallo erstmal, Sie kennen mich ja schon. Neulich habe ich Ihnen erzählt, was passiert, wenn man Heimlichkeiten mit Missverständnissen paart und am Ende beim Italiener Hausverbot bekommt. Aber das war nun auch eine andere Geschichte. Für die, die mich noch nicht kennen, ich bin Hilde Kalweit, von Geburt an und Herzen Berlinerin und lebe gut bürgerlich Beletage … mit meinem Mann Herbert. Die Kinder sind aus dem Haus und alle was geworden. Davon erzähle ich Ihnen gerne ein anderes Mal.
Wir sind das, was man ein rüstiges Rentnerehepaar nennt und heute möchte ich einmal aus dem Nähkästchen plaudern. Keine Bange, nicht zu viele Details, nur so viel, dass Sie erkennen, auch bei Rentnern tut sich was, mehr als viele annehmen.
Was habe ich mich immer gewundert, wenn meine Großmutter, Gott hab´ sie selig, von ihrem Hausfreund erzählte, bis ich die Ohren zuhielt und nur noch „Omi!“ rief.
Aber darum geht es ja gar nicht, ich schweife schon wieder ab.
Also Sie wissen ja, dass wir gerne Doppelkopf mit Klara und Erwin spielen. Sie erinnern sich? Manchmal aber, wenn die Klara so ihre eigenen Macken hat und bisschen zickig ist, kommt nur Erwin zu Besuch, aber sagen Sie bloß nichts. Sitzt dann in der Küche bei mir, beklagt sich ein bisschen und plappert, als wenn er losgelassen worden wäre. Ich denke ja, er muss zu Hause unentwegt Klara zuhören und kommt nicht zu Wort. Na, egal was ich mache, Kartoffeln schälen, Kuchen backen, ich höre zu und brauche nur die janze Zeit „Hm, ah ja, ja, verstehe … “ zu murmeln und Erwin redet wie uffjezogen. Irgendwann schreit dann Herbert aus dem Wohnzimmer.
„Erwin, ick hol jetzt den Heinz runter, wir spielen Skat und Hilde macht uns wat Leckeres!“
Pascha der, mein Herbert, so denkt er sich das und ich spure. Aber, und nun muss ich etwas leiser werden, ich freue mich, wenn Heinz runterkommt. Heinz, Heinz Heftig, wie er mit vollem Namen heißt, wohnt eine Etage höher. Junggeselle, Geschiedener! Ein Bild von einem Mann. Der Heinz ist so alt wie Herbert, aber ich sage Ihnen, er hat die Ausstrahlung von einem Romanow, so eine Charismatik. Ich komme von seinen schwarzen Augen nicht mehr los, wenn ich einmal hineingeschaut habe. Und es tun sich in mir Dinge, hören Sie nur auf, ich darf das gar nicht erzählen.
Wenn ich dagegen an den Erwin denke, den könnten Sie mir auf den Rücken binden, ich würde mich totrennen, wie eine Katze mit brennendem Schwanz. Ja, ja, ich schweife schon wieder ab … also, wenn der Herbert den Erwin ruft und den Heinz zum Skat runterholt, dann beginne ich zu glühen.
Ich werde den ganzen Abend dann nicht mehr kühl, als hätte ich aufsteigende Hitze, doch die ist ja lange vorbei. Na, egal!
Jedenfalls, der Heinz kommt zuerst immer in die Küche, bringt immer eine Kleinigkeit mit, Pralinen, Schokolade, Wein, sowas. Wie auch immer, stets charmant. Dann steht er mir so ganz dicht gegenüber und spricht mit dunkler Stimme: „Ach Hilde, so eine Freude, wieder einmal Gast zu sein.“ Dann wird mir schon schwummelig und meine Kniee zittern. Er greift so um mich, also da mehr unten in der Hüftgegend und zieht mich an sich. So ein Filou! Und flüstert mir ins Ohr. „Wenn Du allein wärst … ich würde … sag mal, Dein Herbert … aber was auch, ich habe ja, ich bin zu spät …“ und ähnlich in diesem Ton. Manchmal denke ich, ich werde gleich ohnmächtig wie Scarlett O´Hara … die kennen Sie doch, oder? Würde nur noch feines Riechsalz helfen, glauben Sie mir. So eine Kraft, so eine Ausstrahlung, so eine Macht hat dieser Heinz über mich. Das darf hier keiner wissen. Also bitte behalten Sie das schön für sich.
Dieser Heinz wohnt eine höher, hatte ich schon erwähnt? Manchmal möchte ich, wenn ich so vom Einkaufen komme, bei dem mir nun immer dieser nette Finn hilft, von dem ich Ihnen auch erzählt hatte. Den ich einmal in der Halle kennen gelernt habe und der immer so schlurft. Herrje! Na, jedenfalls, wenn ich vom Einkaufen komme, dann möchte ich gern eine Treppe höher laufen. An der Tür rütteln bis Heinz aufmacht, er mich umfasst und ins Schlafzimmer … ich schweife ab. Warten Sie, ich komme jetzt auf den Punkt.

Eines Tages klingelte es bei uns Sturm. Herbert machte keine Anstalten sich aus seinem Sessel zu erheben, könnte ja die dicke Luft darunter aufsteigen. Ich ging zur Tür, stand da Heinz mit hochrotem Kopf und hielt mir einen „Schlüpper“ hin. So einen richtigen „Schlüpper“ mit einem graubraunen Fleck, Schmierfleck würde ich vornehm sagen. Nein, ich würde das Ding „Slip“ nennen, wenn es ein Slip wäre oder Unterhose oder Boxer oder was weiß ich. Sie können sich meine Enttäuschung über diese Buxe nicht denken, die er bestimmt über den Bauchnabel zieht, dieser „Charismat mit Schlüpper“, brrrr. Na, wie auch immer, stand da, hielt die Hose hoch und zitterte und jammerte: „Hilde, sieh dir dit an, diese Kacke!“
„Ich sehe das, Heinz, du musst nicht ordinär werden, passiert mal, dass man ne Schleifspur inne Buxe hat, ab inne Waschmaschine, aber keinesfalls unter mein feines Näschen, was soll ich denn davon halten. Willst Du meinen Respekt verlieren, Heinz? Das gibt es doch nicht, weg mit dem Ding!“
„Nee, Hilde, du verstehst dit falsch. Das ist zwar meine Unterhose aber kiek doch ma jenauer hin, dat is Vogelkacke von Frau Vögele, von janz oben!“
„Heinz!“
„Wirklich, Hilde, ick schwör´s, ick habe auf dem Balkon die Wäsche uffjehängt und die Olle über mir hat wieder die Vögel jefüttert und bei mir kacken die sich aus, so dass ich nochmal waschen muss. Sie ist nich zu belehren“
„Heinz, erzähl mir doch nichts von Vögelei, wenn du mir deine dreckige Unterhose unter de Nase reibst. Das ist ja ekelhaft!“
„Hilde, du hörst nicht zu, es ist von der Vögele“
„Ich sach ja, Vögel, mehr sach ick nun nich mehr und nun weg mit de Buxe!“
Ich habe einfach die Tür zugemacht, so kann man sich doch im Flur nicht unterhalten und dabei sein Ideal verderben lassen, ich wollte nur noch an was anderes denken.
Plötzlich klingelte es wieder. Ich raus erneut zur Tür. Öffnete. Trällerte auf einmal ein Kinderchor auf meinem Absatz. „Amsel, Drossel, Fink uhund Star und die ganze Vogelschar … „
Ich so: „Moment! Genug von Vögeln heute, ich hab´s satt. Was ist hier los?“
Die Kinder schauten erstaunt, außer die eine etwas Größere in der letzten Reihe, kicherte wie eine Irre in ihre Hand hinein, spuckte förmlich beim Gackern. Trat ein junger Mann in mein Sichtfeld und meinte: „Richter, Julius Richter, wir kommen vom B.U.N.D. und wollten Ihnen einige Aufklärung zum Füttern von Vögeln in der warmen Jahreszeit in der Innenstadt anbieten.“
„Jetzt hören se doch mal mit der Vögelei uff, hält ja keen Mensch aus!“
Die Große aus der letzten Reihe kriegte sich gar nicht mehr ein und gackerte wie ein Huhn. Na, mein Herbert unkt immer: Die Ungedingsten gackern am lautesten! Voll in der Pubertät dieses Gör. Tönte der Bundeschorleiter: „Nein, Herr Heinz Heftig hat uns informiert, dass Sie die Vögel füttern, wo sie doch genug finden und ein Füttern jetzt eher schädlich ist und da wollten wir auf nette Art aufklären und haben auch einiges an Infomaterial mitgebracht.“
„Achso, jetzt versteh ick, woher der Wind pfeift. Na, dann jehn se mal nach oben unters Dach, da wohnt die Frau Vögele,“, ich guckte sofort das Mädchen in der letzten Reihe an, die wie erwartet losprustete und sich den Bauch hielt, was mich auch irgendwie zum Lachen brachte, „Und die, die füttert die Vögel. Hier fliegen nur noch Kugelbomben durch de Gegend, manchmal gegen meine Balkontür, was nicht schön endet!“
„Okay!“, sagte der Bundeschorleiter und machte den Kindern ein Zeichen, weiter die Treppen hinauf zu steigen. Ich lauschte noch kurz, bis sie ganz oben bei Elvira Vögele anfingen zu trällern. Dann machte ich die Tür zu.
Einige Tage später traf ich den Heinz. Der guckte bisschen nervös und ich erzählte ihm, dass welche vom Bund da waren, ein Chor! Und für Frau Vögele gesungen haben. Sagte der Heinz: „Hilde, B.U.N.D!“
„Wat haste für ein Problem, habe ich Bund falsch geschrieben, dass du buchstabierst?“
„Egal, Hilde, ist eben der B.U.N.D!“, und ging hinunter. Irgendwie gar nicht mehr mein Rasputin, dieser Heinz, dachte ich noch und trabte rein zu Herbert, da weiß ich ja wenigstens, woran ich bin.
Am ander´n Morgen klingelte Heinz wieder und das Feuer leuchtete in seinen Augen. Kam ganz dicht auf mich zu. Und fragte, ob ich am nächsten Tag so nett wäre und ins Café „Glück“ käme.
Mein Herz pochte und ich dachte sofort an heimliche Liebesschwüre, überlegte, wie ich das mit Herbert regeln würde, dass er nichts mitbekommt. Die Chance wollte ich mir nicht entgehen lassen. Aber ick saje Ihnen, keen Wort, nich eins!
Sagte dann: „Heinz, gerne“, senkte dabei die Stimme, „aber nur, wenn du einen vernünftigen Slip anziehst.“ Er lachte: „Ja, ja, mach ick ja!“
Dann konnte ich den nächsten Nachmittag kaum erwarten und Herbert fragte, was mit mir los sei, als ich den Kannendeckel fallen ließ. Er behauptete sogar, die Kartoffeln wären versalzen, was natürlich nicht stimmte.
Als er sich dann zur Mittagsruhe legte, posaunierte ich, dass ich einkaufen ginge. In Vorbereitung auf den Nachmittag des nächsten Tages, wollte ich in die Stadt, eine neue Bluse kaufen. Ich glühte wie ein Bratapfel und eilte in Richtung Kaufhaus. Mein Weg führte an dem Café mit dem verheißenden Namen vorbei. Ich blieb kurz stehen und schaute durch die Scheibe, um zu träumen, wo ich am nächsten Tag mit Heinz sitzen würde.
Da erblickte ich ihn auch! Mir stockte der Puls, ich hielt die Luft an. Saß er dort mit der Elvira Vögele von unterm Dach, hielt Händchen und stierte mit seinen glühendsten Augen, wie Doktor Schiwago, in Elviras Glubschen, dass die schon ganz hypnotisiert aussah.
Na, ich sofort auf dem Absatz kehrt, dafür war ich mir zu schade und eine neue Bluse benötigte ich nun auch nicht mehr. Auf dem Heimweg musste ich über mich selber lachen. Und ich gackerte wie das alberne Chormädchen vom Bund über den Gedanken, wie Heinz Heftig und Elvira Vögele nach einer Hochzeit mit Doppelnamen heißen würden … Prost Mahlzeit!
V3/9969