Von Monika Huhn

Ich stehe nervös vor dem Kontoauszugsdrucker und halte den letzten Kontoauszug in meiner Hand, traue mich aber nicht, auf die Zahl zu schauen, die den Kontostand ausweist.

„Nein, das mache ich erst zu Hause!“

Schnell laufe ich in meine Wohnung, werfe meine Jacke über die Garderobe und schleudere meine Schuhe in die Ecke. Im Kühlschrank wartet eine Flasche Sekt auf mich, die ich schnell öffne und mir ein Glas einschenke. Dann setze ich mich mit meinem Sektglas und dem Kontoauszug, den ich aus meiner Handtasche nehme, auf die verschlissene Couch.

Jetzt halte ich es nicht mehr aus: ich muss den Kontostand mit eigenen Augen sehen. Auf der letzten Seite steht es schwarz auf weiß: mein Konto zeigt ein Guthaben in Höhe von 1.000.028,35 Euro!

Ich kann es kaum glauben, Akei hat das Grundstück tatsächlich gekauft und den eigentlich viel zu hohen Kaufpreis von einer Million Euro überwiesen! Nach Abzug der Kosten für den Rechtsanwalt bleibt mir ein wahrlich hübsches Sümmchen übrig!

Ich leere mein Sektglas auf einen Zug und schenke mir sofort nach.

Das ist aber auch eine glückliche Fügung, dass jetzt dieses große, schwedische Möbelhaus ausgerechnet hier, in unserer Stadt, am Stadtrand eine Niederlassung bauen will. Und dazu kaufen sie mehrere Grundstücke auf.

Ich habe dieses Grundstück vor einigen Jahren meiner Schwester zu einem damals reellen Wert abgekauft. Sie ist nach dem Tod ihres Mannes in finanziellen Schwierigkeiten, will aber kein Geld von mir annehmen. Erst als ihr das Wasser bis zum Hals steht, bittet sie mich, ihr das brachliegende Gelände abzukaufen.

Natürlich tue ich ihr den Gefallen, obwohl auch ich nicht auf Rosen gebettet bin. Es ist aber für mich Ehrensache, ihr zu helfen.

Allerdings ist mir der Acker von Anfang an nur lästig. Erst muss ich einen Bauern suchen, der sich darum kümmert, dann heißt es plötzlich, es soll direkt daneben auf städtischem Boden eine Unterkunft für Obdachlose gebaut werden. Diese Planung lässt den Grundstückspreis noch weiter fallen, doch dann wird aus dem Bau plötzlich nichts.

Und es ist sehr schnell klar, warum das nichts geworden ist: Die Stadt hat die ganze Gegend in einer für eine Behörde sehr schnellen Aktion als Bauland für Gewerbe ausgewiesen, damit Akei dort bauen kann.

„Und jetzt haben sie mein Grundstück gekauft! Was mache ich denn nun mit dem Geld?“

Soll ich es meiner Schwester geben? Wäre sie nicht vor Jahren in Schwierigkeiten gewesen, würde ihr ja die Million gehören! Aber nein, ich habe mich schließlich die letzten Jahre darum gekümmert, es ist nicht mehr als Recht, dass ich den größten Teil behalte. Einen Teil davon werde ich ihr aber geben, vielleicht 100.000,00 Euro, da muss ich mir noch Gedanken darüber machen.

Bleibt für mich immer noch die Frage, was ich dann mit meinem Anteil mache. Trotz des Geldes werde ich wohl weiterarbeiten müssen, es liegen noch zu viele Jahre vor mir. Selbst wenn ich es gut anlege, bei der derzeitigen Zinssituation kann man von den mickrigen Zinsen garantiert nicht leben.

Meinen Neffen und Nichten werde ich was zukommen lassen, die sind ja auch immer für mich da, wenn ich sie mal brauche, das ist nicht selbstverständlich, das werde ich schon auch honorieren.

Und ich selbst habe ja so viele Wünsche!

Ich denke, als Erstes muss ich die alte Couch loswerden, total zerschlissen und durchgesessen, da wird es höchste Zeit. Wenn ich dann schon dabei bin, ein helles, nicht zu wuchtiges Schrankelement und neue Esszimmerstühle? Im Arbeitszimmer biegen sich unter meinen vielen Büchern die Regalbretter, ob ich mir vom Schreiner hier eine Maßanfertigung machen lasse? Und vielleicht lasse ich noch das Bad renovieren, neue, schöne große Fliesen, ein Whirlpool, mal schauen. Und dann mache ich eine Reise, vielleicht Island, Vulkane, Geysire, die Kontinentalgrenze, das ist schon lange mein Traum. Ein neues Auto wäre auch nicht schlecht. Und dann werde ich mir endlich meinen größten Wunsch erfüllen…

***

Was ist das nur für ein penetrantes Geräusch? Das ist ja ein hässlicher Ton, der hört ja gar nicht mehr auf!

Ich schrecke hoch und schaue mich verwundert um: Himmel, das ist ja mein Wecker! Es dauert mehrere Sekunden, bis ich mich in der Realität wiederfinde. Also war alles doch nur eine schöne Träumerei? Kein Grundstücksverkauf, keine Million auf dem Konto? Weiterhin nur ein Guthaben von immerhin 28,35 Euro?