Von Miklos Muhi

 

  1. Furcht

»Hast du schon gehört? Die kommen und werden uns aufreiben.«

»Wir haben doch einen Grenzschutz.«

»Die da oben wollen alle hineinlassen.«

»Wieso?«

»Das kommt alles von ganz, ganz oben.«

»Von Brüssel?«

»Zum Teil von Brüssel, ja, aber die sind auch nur Marionetten. Wir wissen alle, welche Bande die Strippen im Hintergrund zieht.«

»Und ob wir das wissen!«

»Wir müssen etwas tun. So kann es nicht weitergehen.«

»Es ist noch nichts passiert.«

»Du hast ja keine Ahnung.«

»Was meinst du?«

»Warst du schon mal in Marseille?«

»Nein. Wo liegt das?«

»In Frankreich. Da werden alle christlichen Kirchen geschlossen und weiße Menschen trauen sich nicht mehr auf die Straßen. In Schweden gibt es ganze Städte, wo sich die Polizei nicht mehr hineinwagt.«

»Das ist doch furchtbar!«

»Wollen wir das auch hier?«

»Nein, auf keinen Fall.«

 

In der Dunkelheit des menschlichen Bewusstseins, die nichts mit der gewöhnlichen Dunkelheit einer Höhle tief unter der Erde zu tun hat, hören mächtige Wesen zu. Sie laben sich daran, was sie hören, sie erfreuen sich darüber, was vorgeht.

 

Viel zu lange haben sie schon gehungert. Die Menschheit hat sie vergessen und fütterte sie nicht mehr. Damit ist jetzt endlich Schluss. Ein Festmahl ist im Anmarsch und die Vorspeise wurde soeben serviert.

 

Die Unwissenheit, der süße Duft ihrer Nahrung, steigt in ihre Nasen. Es wird Zeit, endlich mit dem Schmaus anzufangen. Viele köstliche Gänge sind zu erwarten.

 

  1. Wut

»Ich habe Angst, dass es auch bei uns so wird, wie in Frankreich und Schweden. Und was tun unsere Politiker? Gar nichts.«

»Genau. Sie labern nur über Multikulti, Fachkräftemangel, Integration, Toleranz und andere Lügen.«

»Sind wir auf den Straßen überhaupt noch sicher?«

»Eher nicht. In der Kriminalstatistik steht das nicht, aber die ist eh nur ein Märchen für verblödete Gutmenschen.«

»Wir müssen uns zu Wehr setzen. Aber wie?«

»Ist nicht einfach, Mann. Die in Berlin und Brüssel wollen das nicht. Waffenscheine gibt es nur für Privilegierte. Wir organisieren uns in Bürgerwehren, vielleicht.«

»Das löst das Problem aber nicht. Die sind bewaffnet und haben Bomben.«

»Wenn du das für dich behalten kannst, gebe ich dir einen Tipp. Hier hast du eine Telefonnummer. Da rufst du an und sagst, dass ich dich geschickt habe. Das Passwort lautet ›Freies Deutschland, freies Abendland‹. Sie werden dir helfen, an Waffen zu kommen.«

»Danke. Ist das teuer?«

»Sicherheit ist nie billig.«

»Ist es auch legal?«

»Wen kümmert das schon? Wenn wir nur auf legal spielen, gibt es uns bald nicht mehr.«

 

Waffen werden in Umlauf gebracht, zur Selbstverteidigung, versteht sich. Jeder kann sich so etwas beschaffen, selbst paranoide Spinner, die nicht einmal den Führerschein machen dürften.

 

Die Macht, ein Menschenleben nur mit der Bewegung des Zegenfingers nehmen zu können, bringt viel Gier mit sich.

 

Geht dir der Nachbar auf die Nerven? Ist der Bankangestellte unhöflich? Ist die Verkäuferin zu langsam? Gefällt dir nicht, was in der Zeitung steht? Um Gerechtigkeit zu schaffen, brauchst du nur eine Waffe.

 

  1. Hass

»Schau mal, der kommt hierher, scheißt auf unsere Sprache, Kultur und Religion … verdammt, er scheißt auf uns und fickt auch noch unsere Frauen!«

»Unerhört! Was erlaubt sich so etwas?«

»Wir sind auf uns alleine gestellt. Wir sind die, die das schaffen. Niemand sonst wird uns schützen.«

»Dafür kommen wir bestimmt in den Knast.«

»Wir sind nicht allein. Nicht in Berlin, nicht in München und schon gar nicht im Knast. Wir können uns auf unsere Kameraden verlassen, und zwar immer und überall. Wir werden siegen und kommen raus. Unsere Vorstrafen werden dann zu den Wunden eines Helden und keine Schande mehr.«

»Wie lange wird das dauern?«

»Wenn wir nichts machen, dann ewig. Noch niemand hat etwas durch Untätigkeit erreicht, oder?«

»Gut. Wann machen wir es?«

»Heute Abend, wenn er aus der Arbeit kommt, die er einem Deutschen weggenommen hat. Oder schlimmer … er kommt vielleicht jeden Tag vom Amt, wo er aus unseren Geldern Stütze bekommt.«

 

Aus der Landsberger Zeitung von 10. Dezember.

Gestern Abend gegen 19 Uhr wurde der deutsche Staatsbürger afrikanischer Herkunft, Rafiki Okonkwo, Vater von zwei Kindern, auf dem Roca-di-Papa-Weg, in der Höhe des Lechstegs von Unbekannten ermordet. Die Polizei ermittelt in alle Richtungen und schließt ein Hassverbrechen nicht aus. Weitere Details wollte der Pressesprecher der Polizei vorerst nicht mitteilen.

 

  1. Leid

Alle zeigen auf alle. Man selbst reagiere nur, wie immer. Dieser Weg führt am schnellsten in den Untergang. Das wissen wir alle, aber keiner interessiert sich dafür.

 

Tote, zersprengte Familien, Kinder, die in Elend und Krieg aufwachsen müssen, begleiten weinend und klagend den menschlichen Schwachsinn. Vergebens fließen die Tränen, vergebens leiden Tausende und Abertausende. An ihrem Leid labt sich die Finsternis selbst. Sie wird Tag für Tag stärker und hungriger.

 

Ihre Sklaven tun ihr Bestes. Die Menschheit wird gespalten. Nun hat jeder die Absicht, eine Mauer zu errichten. Die Wehen für eine Neugeburt der Ausgrenzung haben schon eingesetzt.

 

Es ist nicht mehr weit, bis es keine Alternative mehr gibt und jeder entweder Freund oder Feind wird. Dann werden die Menschen ihre Kreativität wieder nur dazu nutzen, das eigene Leid zu vermehren.

 

Wir aber sehen das alles nicht und werden es auch nie sehen, solange wir mit geschlossenen Augen mit dem Finger aufeinander zeigend Richtung Abgrund rennen.

 

*

 

Furcht ist der Pfad zur Dunklen Seite: Furcht führt zu Wut, Wut führt zu Hass, Hass führt zu unsäglichem Leid.

– Meister Yoda

 

Version 2