Daniela Seitz

Silvana ist äußerlich das genaue Gegenteil meiner Frau Elvira. Sportlich, klein, mit roten Locken. Schon das erste Mal, als sie vor mir sitzt, weil sie neu in meinem Team anfängt, beginnt sie vom Klettern zu erzählen. Ihrem Aussehen nach zu urteilen, betreibt sie dieses Hobby sehr intensiv und wohl auch schon sehr lange.

Und trotzdem fehlen die weiblichen Kurven nicht. Werden durch den kurzen Rock und ein Oberteil, das die Schultern frei lässt, geradezu betont. Ich schlucke. Wenigstens sind die Beine durch eine Strumpfhose bedeckt. Aber als Teamleiter sollte ich da schon ein Wörtchen zu sagen. Doch es ist das erste richtige Gespräch. Schwierig. Beim Bewerbungsgespräch war sie angemessener angezogen.

„Also, Frau Hart…“

„Sagen Sie ruhig Silvana!“, unterbricht sie mich und schenkt mir dabei ein Lächeln.

„Tja, also…, nun…“, verbrauche ich meinen Wortschatz an Füllwörtern und kann nicht anders, als sie von oben bis unten zu mustern. Dankenswerterweise reagiert sie sofort.

„Ich habe das Feiern übertrieben und hatte heute Morgen keine Zeit mich umzuziehen. Wenn Sie mir zeigen, wo die Toiletten sind, ziehe ich mich schnell um!“

Das ist ihr Partyoutfit? Und sie hat die Nacht durchgefeiert? Vor ihrem ersten Arbeitstag? Sollte ich sie lieber gleich feuern bei einer solchen Arbeitsmoral? Irgendwie fasziniert mich bei ihr diese Kaltschnäuzigkeit. Bringt mich aus dem Takt und so sage ich nur:

„Den Gang runter auf der rechten Seite zwischen den Glastüren.“

 

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Everything you want, everything you do  Everything and anything is up to you…

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„Und Max, wie war dein Arbeitstag?“ fragt mich Elvira abends, als sie unseren sechs Monate alten Sohn schlafen gelegt hat.

„Wir haben eine neue Kollegin bekommen, also habe ich sie erst mal den anderen Kollegen vorgestellt.“

„Und ist sie hübscher als ich?“, neckt mich meine Frau und streicht mir über die Wange.

„Nee, sie ist viel kleiner als du und viel zu drahtig“, erkläre ich und ziehe sie in meine Arme.

„Heute ist mein Eisprung, also ist jetzt die Gelegenheit…“, haucht sie mir ins Ohr.

Ich folge ihr ins Schlafzimmer, ziehe sie aus und küsse ihren Nacken. Streiche dabei zärtlich über ihren Rücken bis hinunter über ihren Po. Sie dreht sich mir zu und ich liebkose ihre Schultern, massiere sanft ihre Brüste und knabbere zärtlich an ihren Knospen. Sie stöhnt erregt auf, also beginne ich zu saugen…

„Oh verdammt“, entfährt es mir, während ich die Muttermilch ausspucke „ hatte vergessen, dass du noch stillst!“

„Ich mach es wieder gut!“, haucht sie mir ins Ohr, kniet vor mir nieder und beginnt mich zu verwöhnen.

Trotzdem komme ich mir gerade vor wie ein Zuchthengst. Und ehe ich mich versehe, denke ich an rote Locken und ein bestimmtes Partyoutfit, während ich mit meiner Frau schlafe.

 

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So take a little trip down the road and see What you gonna find, who you want to be

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Silvana hat die sechsmonatige Probezeit sehr gut gemeistert. Ihr Arbeitseinsatz ist vorbildlich, ihre Teamintegration gelungen. Sie hat die Weihnachtsfeier mitorganisiert und fährt vier von uns gerade nach Hause. Wegen mir muss sie einen Umweg fahren, weshalb ich eigentlich darauf bestanden hatte, den Bus zu nehmen. Doch Silvana widerspricht man nicht.

„Ich setze dich als letzten ab. Die anderen wollen ja alle zurück zur Firma, wo ihre Autos stehen. Wie bist du denn eigentlich heute Morgen zur Arbeit gekommen?“, fragt sie mich.

„Habe mich von meiner Frau fahren lassen“, erkläre ich.

„Und wieso holt sie dich nicht ab?“

„Na 23:00 Uhr ist etwas spät, wenn du ein Kind zu Hause hast. War schon ein Kompromiss, dass sie mich überhaupt so lange mit dem Team feiern lässt“, rechtfertige ich unsere Abmachung.

„Also ich würde dich nicht aus den Augen lassen, wenn du mein Mann wärst. Sie scheint sich deiner ja sehr sicher zu sein.“

Dabei wirft sie mir einen Blick zu, der etwas in mir, nicht berührt oder überrascht, sondern regelrecht den Kern in meinem Inneren, erschüttert. Wie macht sie das? Und oh Mann… Panisch blicke ich zu den dreien auf der Rückbank, doch diese sind in ihr eigenes Gespräch vertieft. Silvana hält an und lässt sie aussteigen. Nun sind wir alleine.

„Wollen wir noch einen Absacker zu uns nehmen? In der Zone Bar, die direkt auf dem Weg zu dir nach Hause liegt!“, schlägt Silvana vor.

Sie meint mein Stammlokal, dass nur fünf Minuten Fußweg von meiner Wohnung entfernt ist. Elvira hat mir bis 24:00 Uhr Ausgang gegeben. Jetzt ist es 23:15 Uhr. Ein Whiskey wäre jetzt genau das richtige. Warum also eigentlich nicht?

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But you migth have to pick between the three.

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„Na, ich erzähle ihr also, dass der Teil des Whiskeys der verdunstet, Angels´Share genannt wird und sie unterbricht mich und fragt, ob ich auch ein Fan der Band Angel`s Share sei und woher ich sie kennen würde“, erzähle ich eine Anekdote über meine Frau.

Silvana fängt laut an zu lachen und rückt nah an mich heran. Ich habe sie schon sehr viele Whiskeys probieren lassen und daher sind wir beide betrunken. Ich genieße es mein Wissen ausbreiten zu können, indem ich mit ihr dieses Whiskeytasting veranstalte.

„Sie merkte gar nicht, dass sie mir ihr fehlendes Interesse an meinen Whiskey Geschichten enthüllte. Denn ich lenkte das Gespräch dann auf diese Band, von der ich nie im Leben etwas gehört hatte und sie blühte dabei so auf, dass ich sie nicht auf ihre Verwechslung hinweisen wollte“, erzähle ich zu Ende.

Silvana lacht wieder lauthals auf. Sie sieht schön aus, wenn sie so aus voller Kehle lacht. Dann steht sie auf und reißt mein Whiskey Glas mit sich. Dieser ergießt sich genau über meinen Schritt.

„Oh weh, das tut mir leid, der gute Whiskey…warte…ich helfe dir!“

Sie zieht ein Taschentuch hervor und beginnt den Whiskey erst auf dem Tresen aufzuwischen. Bevor ich realisiere, wie mir geschieht, wischt sie bereits auf meiner Hose herum. Wie weit sie sich wohl vorwagen wird? Nein… wo kommt dieser Gedanke her? Elviras Gesicht schiebt sich in meinen Whiskeyschleier und ich nehme Silvana das Taschentuch aus der Hand.

Unsere Hände berühren sich dabei und ich fühle ihre Haut. Zart wie ein Pfirsich. Ihr Gesicht ist ganz nah vor meinem. Ihre blauen Augen… eine einzige Aufforderung…und so tiefblau wie die See. Ich tauche darin ein, bade in ihrer Aufmerksamkeit. Eine ihrer roten Locken fällt ihr ins Gesicht und lenkt meinen Blick auf ihren leicht geöffneten Mund. Ihre herzförmigen Lippen scheinen nur zum Küssen geschaffen zu sein.

„Eine aus 12 Millionen“, haucht sie mir ins Ohr.

„Was..“

„Rote Haare und blaue Augen hat nur einer aus 12 Millionen! Ich bin besonders!“

Ich streiche mit meinen Fingerspitzen fast über die Konturen ihres Mundes und zeichne in der Luft das Herz nach, dass ihre Lippen für mich bilden. Mein Hengst rührt sich merklich.

„Du bist besonders magisch“, flüstere ich.

Sie legt ihre Hände auf meine Oberschenkel und lässt diese nach oben wandern. Ich vergesse alles um mich herum und beuge mich vor, um sie zu küssen.

„Du bist hart. Das ist mein Spezialgebiet“, wispert sie mir zu.

Hart. Silvana Hart. Ihr Name lässt mich zu mir kommen und ich reiße mich los. Das ist eine ganz schlechte Entscheidung, die mir auch berufliche Verwicklungen garantiert. Ich flüchte regelrecht aus der Bar vor ihr und rette mich nach Hause.

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Rock, paper, scissors. Which one is it? It`s your decision.

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Ich beobachte Elvira beim Anziehen von unserem Sohn Jan. Wir wollen draußen spazieren gehen. Doch Jan schaltet die Sirene an. Das Anziehen wird zum Kampf. Helfen darf ich nicht. Also habe ich Zeit an unserem Plan ein zweites Kind zu bekommen zu zweifeln.

Als Elvira Jan beruhigt und im Kinderwagen verstaut hat, übernehme ich und schiebe den Kinderwagen mit einer Hand. Mit der anderen Hand ziehe ich Elvira an mich heran. Sie kuschelt sich an meinen Arm und wir genießen unsere jetzt friedliche Dreisamkeit.

Elvira ist toll. Als ich nach der Weihnachtsfeier erst um zwei Uhr nach Hause kam, war sie wach und lächelte mich trotz der Verspätung an. Kein böses Wort. Sie ist kein Kernerschütterer wie Silvana. Aber sie gibt Geborgenheit.

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And no matter what you chose. You gonna live it. Rock, Paper, scissors.

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Silvana und ich führen auf der Arbeit einen Eiertanz auf. Ich weiß nicht recht, wie ich mit ihr umgehen soll und ignoriere sie, soweit ich kann. Nachmittags wähne ich mich als letzten im Büro. Da tritt sie ein und schließt die Tür hinter sich. Sie trägt wieder das Partyoutfit vom ersten Tag. Sie muss sich umgezogen haben, da ich sie heute schon in der üblichen Bürokleidung gesehen habe.

„Was war das in der Bar? Wieso bist du so fluchtartig davongelaufen“, stellt sie mich zur Rede.

„Nun…ähm…also…“, bemühe ich wieder meinen vor Inspiration funkelnden Wortschatz.

„Ich weiß, dass du verheiratet bist und einen Sohn hast. Ich weiß, dass es nicht einfach ist, weil du mein Chef bist. Aber hast du dich eigentlich mal gefragt, warum ich bereits an meinem ersten Arbeitstag riskiert habe, diesen Job sofort wieder zu verlieren, indem ich eine nicht existente durchgefeierte Nacht als Ausrede für mein Partyoutfit verwendet habe?“

„…nicht existente…“

„Verdammt, du Idiot! Ich habe mich Hals über Kopf beim Bewerbungsgespräch in dich verliebt. Fühlst du denn gar nichts für mich? Und sag jetzt nicht, du fühlst es nicht auch!“

Es. Ob Silvana die Kernerschütterung meint, die ich nur mit ihr spüre?

„Ich weiß nicht, was ich fühle“, erwidere ich.

„Schön. Dann ist hier eine Chance es herauszufinden. Ich bin jetzt zum Klettern verabredet. Die Adresse schicke ich dir. Wenn du mich in drei Stunden von dort abholst, entscheidest du dich für mich. Wenn du mich nicht abholst, dann habe ich jetzt mit sofortiger Wirkung gekündigt und komme ab morgen nicht mehr zur Arbeit“

Ohne meine Antwort abzuwarten, rauscht sie davon.

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Everthing you want that is who you are. You can be the sun, the moon, the star.

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Ich bin unterwegs um Silvana vom Klettern abzuholen. Erklären kann ich das nicht. Ich weiß nur, es ist keine rationale Entscheidung.

 

V2