Von Marie Malchereck

Heiß! Es war so heiß, wie er es noch nie erlebt hatte. Er fühlte, wie sich seine Haut zusammenzog von den Wellen aus brennender Flüssigkeit, die um ihn herum hervorwallten. Mit letzter Kraft schleppte er sich weiter. Er drehte sich zu seinen Kameraden um, doch konnte in den Dunstschwaden nichts mehr erkennen. „Jungs?“, rief er. „Wo seid ihr?“ Nichts als Stille und das bedrohliche Brodeln der kochenden Flüssigkeit unter ihm war zu hören. „Gebt nicht auf, wir schaffen das!“ Damit wollte er mehr sich selbst ermuntern als die anderen, die er schon seit einer Zeit, die sich wie eine brütende Ewigkeit anfühlte, nicht mehr gesehen hatte.

Da stieß etwas von oben herab. Ein runder, flacher Schemen zog über ihn hinweg und er versuchte sich zu ducken, um nicht umgestoßen zu werden. Mit einem Platschen schlug das Objekt kurz vor ihm auf die Oberfläche und es schien, als würde es in der Luft hängen bleiben. Dann setzte es sich in Bewegung. „Nein, nein, nein“, murmelte er, als das Ding direkt auf ihn zukam. Vielleicht war er der letzte Überlebende dieses Massakers und wurde nun gejagt, damit niemand Zeugnis von dem Grauen ablegen konnte? Er warf sich zur Seite und riskierte dabei, dass der nachgiebige, heiße Brei unter ihm auf seine Haut spritzte, wo er sich sofort festbrannte. Fluchend schüttelte er sich, aber sank nur noch tiefer in den unsicheren Untergrund. Er wandte den Blick nach unten, um vielleicht ein Stück festen Boden zu erspähen und erstarrte. Da, direkt neben seiner Hand, sah er einen Schemen liegen. „Daniel?“, flüsterte er entgeistert. Er streckte die Hand ein Stück aus aus, aber zögerte, die Silhouette zu berühren. So zerdrückt, wie dieser Umriss aussah, konnte Daniel nur tot sein. Seufzend schloss er einen Moment lang die Augen, um seinem treuen Kameraden zu gedenken.

Da hörte er ein Plätschern näherkommen, wie Wellen, die vor etwas Großem zurückwichen. Er riss die Augen auf. Der riesige Schatten tauchte wieder undeutlich im Dunst auf und erneut kam er genau auf ihn zu. Diesmal gab es kein Ausweichen, links und rechts von ihm war nichts als dampfende, tödliche Brühe. Mit einem Blick auf seinen gefallenen Kameraden, der wie zerdrückt zu seinen Füßen lag, wusste er, was auf ihn zukam. So blieb ihm nur eins zu tun: er blickte seinem Angreifer direkt in die Augen und versuchte sich auf sein unvermeidliches Ende vorzubereiten. Als der Schatten auf ihn traf, spürte er keinen Schmerz. Er fühlte seine Haut bersten und verging in einer Wolke aus rotem Saft, vereinigt mit seinen gefallenen Kameraden.

Ich ziehe den Löffel aus dem Topf. Ich sollte beim Marmeladekochen nicht noch meine Kirschen vermenschlichen!

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