Von Klaus-Dieter Oettrich

„Also noch einen schönen Tag. Wir holen Susi dann in drei Tage wieder ab.

Tschüss.“

 

Dex hörte diese Worte, als er sich gerade mühsam von seiner Decke nach dem Mittagsschlaf erhob.

Was sah er denn da? Was ist das für ein Tier? Hat wohl meine Statur, aber ein Hund ist das jedenfalls nicht.

Dex ging direkt auf dieses Tier – oder was es auch sonst sein konnte – zu und stellte sich höflich vor:

„Ich bin Dex, der Mastinrüde auf diesem Grundstück.“

Sein Gegenüber antwortete: „Ich bin Susi, von der Rasse der Falabellas.“

„Sag mir bloß, was ist das nur für eine Rasse?“

„Falabella ist eine Miniaturpferderasse aus Argentinien,“ erwiderte stolz Susi.

„Ich könnte mich totlachen. Du willst ein Pferd sein und bist nicht größer als ich?“ Fragte Dex.

„Hör auf mit deinem blöden Gelächter. Ja, ich bin ein Pferd. Aber was bist du ? Siehst eigentlich aus wie ein Hund, der zu groß geraten ist.“

„Hallo, hallo, jetzt reicht´s aber. Ich bin ein großer, starker Mastinrüde. Mein Großvater hat noch Stierherden in Spanien bewacht. Schon beim Anblick eines einzelnen Stieres würdest du vor Angst sterben. Ich aber, würde ihn in sein Gehege treiben. Schau mal, was ich für Zähne besitze.“

„Ja, die sind wirklich groß, doch putzen solltest du sie schon mal. Ein Tipp von mir: esse mal einen Apfel.“

„Spinnst du? Ich bin doch kein Vegetarier. Ich esse am liebsten Fleisch und Knochen.

Was frißt du eigentlich?“

„Heu und Gras, aber auch Äpfel und Möhren.“

„Wenn wir Hunde Gras fressen, haben wir Magenbeschwerden. Diese Schmerzen kommen davon, daß wir wahrscheinlich etwas Schlechtes aßen, welches wir dann erbrechen. Aber es ist schon erstaunlich, dass du mit einem solchen Fraß trotzdem so groß geworden bist.“

„Die großen Pferde fressen auch nichts anderes.“

„Ja, sonderbar ist die Tierwelt.“

 

„Was machst du eigentlich hier?“, fragte Susi.

„Ich bewache das Haus, das Grundstück und die Autos. Wenn jemand auf’s Grundstück kommen will, belle ich ganz laut. Hilft dies nicht, rase ich auf die Leute zu, die vor dem Zaun stehen. Wenn ein Eindringling käme, würde ich ihn auch beißen.“

„Ist dies schon mal vorgekommen?“, fragte Susi.

„Nein, das hat noch niemand gewagt.“

„Gibt es hier freilaufende Stiere?“

„Bei uns nicht, die wissen ja, daß ich da bin. Nur bei den Dorffesten werden Stiere durch die Straßen getrieben und dann vom Torero beim Stierkampf in der Arena getötet. Ganz selten gewinnt der Stier.“

„Dann musst du ja Tag und Nacht arbeiten.“

„Nein, tagsüber übernimmt meine Schwester den Job. Aber es ist natürlich klar, wenn man am Tag nicht arbeitet, braucht man sich nicht zu wundern, wenn man dann in der Nacht arbeiten muss.

 

„Warum bist du eigentlich hier?“

„Meine Besitzer sind für drei Tag weggefahren und ich verbringe diese Zeit bei euch.“

„Das hätte man mir ja auch sagen können. Es wird immer schlimmer mit den Menschen, mit ihrer Vergeßlichkeit,“ meinte Dex.

„Was arbeitest du denn bei dir zu Hause?“

„Ich muß nicht viel arbeiten. Manchmal bin ich ein Kutschenpony und ziehe einen großen Leiterwagen, auf dem die Kinder sitzen und eine riesige Freude dabei haben. Bei Festtagen ziehe ich diesen Wagen mit Bierkisten beladen. Weißt du, eigentlich hält man mich wegen meiner Schönheit und weil ich eine sehr seltene Rasse bin.“

„Es stimmt, du siehst sehr schön aus, ich könnte mich glatt in dich verlieben.“

„Das kannst du dir abschminken, wenn ich einen Freund suche, soll es ein stattlicher Hengst sein.“

„Verdammte Inzucht.“

„Stimmt nicht, es gibt so eine große Anzahl von Pferderassen.“

Dex dachte, wohl eine typische Ausrede der Stuten.  Pass nur auf, ich bekomme dich noch.

 

„Darf man fragen, wie alt die hübsche Stute ist?“

„15 Jahre.“

„Was, so alt?“

„Ich stehe mitten in meinem Leben, wie alt bist du?“

„Sechs Jahre, auch ich stehe mitten in meinem Hundeleben.“

„Na ja, mit 6 Jahren ist man ja noch in den Flegeljahren, mein Jungchen.“

„Nein, nein, ich bin im besten Hunde-Mannesalter.“

„Ja vielleicht bei euch Hunden, aber bei uns“ – sie konnte es einfach nicht unterdrücken – „wärst Du noch ein Jüngling.“

 

„Ach, lassen wir das Thema Alter mal, so wie es ist. Komm, ich zeige dir mal das Federvieh.“ Dex zeigte die Tiere und erklärte auch, wie sie geschlachtet werden.

Susi dachte, obwohl er noch so jung ist, weiß er aber schon sehr viel. Ja, er wurde ihr immer sympathischer.

„Dex, meinst du, die Menschen sind grausam? Zuerst essen sie die Eier von den Hühnern und Enten und dann werden die Tiere später getötet, um von den Menschen – den Barbaren –  gegessen zu werden. Da habe ich mit meiner Rasse aber noch viel Glück.“

„Dies ist aber nicht in allen Ländern so,“ teilte traurig Dex mit.

„Du meinst, in anderen Ländern werden wir geschlachtet und gegessen von den Menschen?“

„Ja, so ist es. Lass uns aber darüber nicht reden, sonst bekommen wir schlechte Laune und werden deprimiert.“

„Nein Dex, erzähl mir mehr darüber. Ich muss es wissen, denn ich habe gehört, wie meine Besitzerin sagte: vielleicht schenken wir Susi meinem Vater in Portugal.“

Dex: „keine Angst, Susi, dort ist es genauso wie hier in Spanien.“

„Danke lieber Pferdegott,“ sagte leise Susi.

 

„Komm Susi, ich zeige dir auch noch die Gehege.“

„Sehr gerne, aber sag mal ich habe gesehen, dein linkes Vorderbein hinkt.“

„Das ist Arthrose,“ diagnostizierte der Tierarzt. „Die bekommen meist sehr große und schwere Hunde schon in frühen Jahren.“

„Das ist doch schrecklich.“

„Ja, es tut schon weh, ich bekomme Tabletten, damit sich die Arthrose nicht erweitert.”

„Ach, du armer Dex,“ antwortete Susi mitfühlend und schlug vor: „Komm steig in den Leiterwagen ein, den wir mitgebracht haben, dann ziehe ich den Wagen hoch zu den Gehegen.“

 

Dies ließ sich Dex nicht zweimal sagen und schon sprang er in den Wagen.

Susi zog ihn überall hin, wohin er wollte. Sie wurden zu einem unzertrennlichen Paar. Es sah sehr lustig aus, wie die beiden mit dem Leiterwagen über die Finca zogen und Dex dachte: „Ja, die Liebe ist ein seltsames Spiel.“

Auf ihren Fahrten sahen sie die wunderschöne Tierwelt auf der Finca.

„Dex, du lebst ja in einem richtigen Tierparadies, ich beneide dich.“

 

Am Abend teilte Dex mit: „Liebe Susi, heute Nacht werde ich vor deinem Stall wachen, damit du keine unerwünschten Besucher bekommst.“

„Du bist ja ein richtiger Gentlehund.“

„Das hat noch niemand zu mir gesagt. Aber es klingt gut.“

In der Nacht konnte Dex wenig schlafen, immer wieder dachte er an Susi, denn eigentlich sah sie ja wirklich gut aus. Die muskulösen, aber schlanken Beine, die lange weiße Mähne, ihr stolzer Gang gefielen ihm besonders gut.

Die drei Tage vergingen sehr schnell und am Abschiedstag sagte Susi: „Gehen deine Besitzer eigentlich nie in Urlaub? Dann könntest du doch zu uns kommen.“

„Eigentlich sind sie hier immer wie im Urlaub. Doch weggehen können sie nicht, wegen der vielen Tiere, den Pflanzen, dem Gemüseanbau usw.. Aber ich würde mich freuen, wenn du wiederkommen würdest.“

„Nichts Sehnlicheres wünsche ich mir. Ich glaube, ich habe mich in dich verliebt.“ Und es rollten ihr Tränen über das Gesicht.

Dex saß stolz da, aber auch er hatte Tränen in seinen Augen.

Auf einmal erhellte sich sein Gesicht, als ihm der Gedanke kam: Na, habe ich dich wenigstens platonisch doch noch bekommen und dies gleich beim First Date, welches ich ja selber gar nicht vereinbart hatte. Da sieht man mal wieder, man muss manchmal nicht viel selbst tun, um zu einer großen Liebe zu kommen.

Susi erkannte seinen Blick, sinnierte und kam zur Erkenntnis: „Rüden.“

 

Version 2