Von Ricarda Köhler

Hallo Piet,

ich weiß nicht mehr ein noch aus und deshalb wende ich mich mit einem Hilfeschrei an Dich, mein Freund. In diesem Fall ist mir wichtig, dass ich Dir schreibe und es Dir nicht in einer Kneipe erzähle, da ich einen wirklich gut gemeinten Rat benötige. Über diesen musst Du vielleicht nachdenken, bevor er Dir einfällt, deshalb diese altmodische Art. Es klingt wahrscheinlich theatralisch, aber ich wäre Dir dankbar, wenn Du den Brief, nachdem Du ihn gelesen hast, vernichtest – am besten verbrennst.

Du kennst Katharina eben so lange wie ich, was für ein heißer Feger war sie und ist es ja noch immer. Und doch hat sich etwas verändert. Bevor sie schwanger wurde haben wir die Nacht zum Tag gemacht, sind mit Dir und den anderen um die Häuser gezogen bis wir schließlich wollüstig im Bett – oder sonst wo – über uns hergefallen sind. Dies waren Zeiten, die längst nur noch in meiner Erinnerung weiterleben. 

Mit der Schwangerschaft wurde sie bewusster, wie sie es nennt. Katharina fing an über ihr Leben und ihrer Verantwortung nachzudenken. Es fing damit an, dass sie auf die Ernährung achtete. Gut, hab ich gedacht, muss sie ja auch, schließlich versorgt sie nun noch eine weitere Person mit dem, was sie zu sich nimmt. Brot backen, damit fing es an. Schließlich reichte es ihr nicht mehr, nur die Brotbackmischung aus dem Supermarkt zu nehmen. Nein, sie mahlt das Korn selbst und setzt regelmäßig Sauerteig an. Ich muss zugeben, das gefällt mir sogar, denn das Brot schmeckt fantastisch. Nachteil ist allerdings, dass wir es schnell essen müssen, und bei Gewitter ist es bereits nach einem Tag verschimmelt. 

Kurz vor Ende der Schwangerschaft kam sie von ihrem Buchladen mit dem Arm voller Bücher über Wildkräuter und Zubereitung von Babynahrung. Ich freute mich, denn die Kinder sollten schließlich gesund bleiben. Die Kinder kamen und zunächst stillte Katharina, wie Du weißt, bei dem letzten Kind etwas übertrieben. Nach zwei Jahren musste ich sie zwingen abzustillen. 

Der erste Ehekrach, bei dem ich für drei Tage bei Euch einzog. Doch Katharina hörte nicht auf. Unsere Kinder sind ja nun inzwischen zehn und acht Jahre, doch noch nie hatten sie bei uns im Hause ein saftiges Steak. Katharina ernährt sich nunmehr seit zehn Jahren ausschließlich vegetarisch und da sie bei uns im Hause den Kochlöffel schwingt, tun wir es auch. Erst vor ein paar Wochen zog mich Lukas in sein Zimmer und flüsterte mir zu, dass er nur deshalb so oft zu Freunden fährt, weil das Mittagessen da so lecker schmeckt. Ich fragte, ob er denkt, dass seine Mutter nicht kochen könne. Nein, das wolle er nicht sagen, aber bei den Freunden gibt es manchmal Schnitzel oder eine Spaghetti Bolognese und die würde er einfach lieben. Ich fragte ihn, ob er mich mitnehmen könne zu seinen Freunden. 

Ich liebe Katharina und deshalb kann ich auch die vegetarische Ernährung absolut respektieren, denn natürlich hat sie recht, dass wir viel zu viel Fleisch essen. Du kennst meine Eltern, bei meiner Mutter ist es keine Mahlzeit, wenn kein Fleisch dabei liegt. Doch ab und zu ein Stück Biofleisch, das muss doch wirklich drin sein, oder was meinst Du dazu? Aber wie gesagt, die vegetarische Ernährung habe ich akzeptiert, zumal ich manchmal in der Kneipe oder mittags mein Schnitzel bekomme. 

Auch die Kräuterkunde, die sie wirklich exzessiv betreibt (jedes Wochenende zieht sie in den Wald und kommt mit einem Korb Hecke nach Hause für die Küche). 

Vor ein paar Wochen kam sie nun wieder mit einem Stapel Bücher unter dem Arm vom Buchladen. Schon bevor ich einen Blick auf die Titel werfen konnte, wusste ich, dass nun ein weiteres Unheil nahte. Es waren ausschließlich Kochbücher für die vegane Küche. Ich meine, natürlich sollte jeder seinen Beitrag zur Erhaltung unserer Erde beitragen. Bereits seit Wochen fahre ich schon mit dem Fahrrad zur Arbeit und auch auf Plastik wird bei uns im Hause schon seit zwei Jahren fast komplett verzichtet. Die Kinder hatten nur Holzspielzeug, was mir auch viel besser gefällt, als dieser grelle Plastikmist, der nach wenigen Wochen kaputt geht. Duschgel, Seife und auch Putzzeug macht Katharina selbst, was zwar leider nicht besonder gut riecht, aber dies unterstütze ich für die Umwelt. 

Ich kenne Katharina, sie wird keine Teilzeit-Veganerin bleiben, sondern ihr Vorhaben für uns alle komplett umsetzen. Heute Morgen habe ich mich erniedrigt, mich vor ihr auf die Knie zu fallen und um ein Sonntagsei zu betteln, doch sie hat sich nicht erweichen lassen. Stattdessen präsentierte sie uns die ersten veganen Kekse, die sie gebacken hatte. Ich habe Dir ein Exemplar beigelegt, damit Du meine Situation besser verstehen kannst. Natürlich bin ich kein Kochprofi, aber ich nehme an, dass in diesem Keks lediglich Dinkelmehl und Kokosöl ist. Denn Zucker verwendet Katharina ebenso seit Jahren nicht mehr. Ich musste einen halben Liter Wasser zum Runterspülen nehmen, weil die Trockenheit im Mund gar nicht mehr weggehen wollte. 

Bitte, Piet, ich flehe Dich an, helfe mir (und auch meinen Kindern), denn ich befürchte, dass Katharina dieses Experiment durchziehen wird, und erzähle den anderen Jungs nichts davon. 

Viele Grüße

Carl

 

Hallo Carl,

danke für Deine ehrlichen Worte. Schon lange habe ich gemerkt, dass Dir was auf der Seele brennt, was in einer Kneipe keinen Platz hat. 

Nach meiner Meinung hast Du eigentlich nur zwei Möglichkeiten. Entweder Du belegst einen Kochkurs oder du erwürgst sie mit einem Toasterkabel. Ich würde mich tatsächlich für die erste Variante entscheiden, denn zum einen liebst Du sie noch, und zum anderen hörte ich, dass das Erwürgen mit dem Toasterkabel erhebliche Schwierigkeiten aufweist, die nicht zu unterschätzen sind. In dem Kochkurs lernst Du, Dein Fleisch selbst zuzubereiten. Du wirst sehen, es wird die Ehe erheblich entlasten. Allerdings würde ich Deine dann erlernten Künste nur einmal in der Woche praktizieren, damit Katharina auch weiterhin Deine Frau bleibt.

Ich selbst musste diesen Weg vor einem Jahr gehen, da meine Veronika seit zwei Jahren ebenso Veganerin ist. Den Keks habe ich ihr gegeben und sie wollte sich zumindest mal mit Katharina treffen, um ihr ein paar Tipps zu geben, wie man Geschmack in den veganen Keks bekommt. 

Wir sehen uns nächste Woche. Ich freue mich auf einen Austausch mit Kochrezepten.

Viele Grüße

Piet