Von Hella Sehnert

Ich sterbe, jeden Tag ein bisschen mehr…
Ich sterbe, jede Minute weil der Schmerz schier unerträglich scheint…
Ich sterbe, jede Sekunde weil allein das Atmen zu viel verlangt ist

Ich bin müde vom Leben, müde von all den falschen Menschen die denken, sie wüssten es besser…
Ich bin müde von den Versuchen, dem Ganzen hier noch etwas Positives zu entlocken…
Ich bin müde von der Anstrengung die das Leben mit sich bringt und ich bin müde von dem Schmerz, den ich jeden Tag erleiden muss und der sich in meinem Herzen festgebissen hat wie ein bösartiger Tumor, der an mir nagt und mich meiner Selbst beraubt…

Er dreht seine Kreise, driftet ab und kommt dann mit doppelter Wucht zurück, so stark dass ich rückwärts taumele und jegliche Luft aus meinen Lungen entweicht.

Habt ihr mal versucht ohne Sauerstoff zu atmen? Es ist schwer, sehr schwer sogar und ermüdend…
Deshalb werde ich gehen, ich werde dieser Welt den Rücken kehren und beten, dass sie mich nun auf immer entlässt.

Noch einmal tief durchatmen, noch einmal die verpestete Luft in die Lungen aufnehmen, auf dass es das letzte verfluchte Mal sein wird…

Denn mein Herz ist, zerbrochen, zerbröckelt, zerstampft, mein Wille erstochen, ein hoffnungsloser Kampf. Der Schmerz schier vernichtend, verschluckend, verkrampft, mein Mut ist verstrichen, ein aussichtsloser Kampf…

Warum verweilen, denke ich mir? Wenn ich am Ende doch verliere…

Die Grenze der Überwindung ist längst schon überschritten, so liegt es nun an mir, mich selber hinzurichten. Drum schweift mein Blick ein letztes Mal über diese Stadt, dann schließe ich die Augen und stoße mich ab. Einen Moment in der Schwebe, allerdings nur kurz, ich spüre dass ich lebe, doch dann folgt der Sturz.

Wind peitscht mir entgegen, Regen bespickt das Gesicht, der Wille zu leben? Ich habe ihn nicht.
Mein Körper ist schwer, er gleicht einem Sack, bald gibt es mich nicht mehr, denn ich stürze hinab.
Die Geschwindigkeit nimmt zu, mein Bewusstsein nimmt ab, vielleicht finde ich bald Ruh, wenn denn mein Vorhaben klappt. Ein letztes Mal beschleunigt sich mein Herzschlag, ich schließe die Augen, ist dies wirklich mein letzter Tag? Ich kann es kaum glauben…

Ich breite meine Arme aus, bereit für den Aufprall, nun geht es bergauf, im freien Fall.

Der Boden ist nicht mehr weit, alles verschwimmt um mich herum, es scheint wie eine halbe Ewigkeit, denn die Zeit geht nicht herum. Kettet sich das Leben etwa an mich wie die Polizei? Möchte es mich einsperren? Verdammt noch mal, jetzt lass mich frei!
Höre das Heulen von Sirenen, sie kommen stetig näher, anscheinend soll ich weiterleben, doch mein Herz ist viel zu schwer.

Ich will fallen, ich schweben, ich will aufprallen und nicht leben. Ich will sterben, nicht mehr leiden, ich will fort und nicht hier bleiben. Ich will Ruhe, ich will Frieden, ich will auf diesem Pflaster liegen!

Nie wieder Leiden, nie wieder Streit, nie wieder Weinen, sterben in Freiheit.

Der Aufprall ist dumpf, kein Laut, kein Schrei, meine Augen sind starr und stumpf, es ist endlich vorbei.

Ich zucke zusammen, stehe ich doch tatsächlich noch auf diesem Dach, habe ich alles nur geträumt?  Ist die Grenze der Überwindung, der Drang zu leben, vielleicht stärker als gedacht? Anscheinend… Was ließ mich zögern? Der Lebenswille? Die Menschen hier auf Erden oder vielleicht einfach die Angst selbst? Liegt es an der Tatsache, dass ich mehr hinterlassen möchte als blutige Spuren auf dem Asphalt, dass ein klitzekleiner, gar winziger Teil von mir glaubt, vielleicht mehr erreichen zu können als all das hier?

Ich zittere am ganzen Leib und beginne gleichsam zu lachen und zu weinen.

Ich lebe, von nun an jeden Tag ein bisschen mehr.
Ich lebe, jede Minute weil der Schmerz vergeht.
Ich lebe, jede Sekunde weil allein das Leben an sich ein Geschenk ist, was es zu schätzen gilt.