Von Marco Rauch

Tja, da stand ich nun mit meinen drei Problemen. Ich hatte keinen Job, von meinem Ersparten war nur eine Handvoll Dollar übrig und obendrein rückten mir die Cops auf die Pelle. Das war wieder mal so typisch. Verlass dich und du bist verlassen. Verlass dich auf Frauen und du bist erledigt. „Es ist so gut wie erledigt.“ Das waren ihre Worte. Scheiße. War es eben nicht, sie hatte es nicht erledigt. Tja, nun war ich wohl erledigt. Was für ein Scheißtag. Und dabei fing alles so gut an.

Wir hatten eine geniale Idee ausbaldowert. Tommy sollte die Ware regelmäßig als Päckchen in die Bücherei zu Josi bringen. Sie würde dann als unschuldige Hausfrau in die Wäscherei gehen, es heimlich dem Italiener zustecken und im Hinterzimmer hätte ich die Ware in kleinere Portionen verpackt. Es ging darum, unauffällig zu bleiben und dass wir nicht zusammen gesehen werden. Der Plan war idiotensicher.

Sie sollte nur das Päckchen nehmen, es in der Wäscherei abgeben, mich hinterher kurz anrufen, um zu sagen, dass alles erledigt ist. Dann sollte sie nach Hause fahren und alles wäre in Ordnung. Irgendwann des Abends wäre ich fertig geworden und die Sache erledigt. Tommy wäre zufrieden und wir auch. So einfach, jeder Trottel hätte das hinbekommen. Und eine Zeit lang hat es gut funktioniert. Bis zu jenem Tag.

Statt direkt zur Wäscherei ging sie vorher noch in die Metzgerei, legte das Päckchen auf den Tresen, als sie bezahlen wollte, und vergaß es natürlich. Der aufmerksame Typ, der ihr damit hinterherrannte, stieß mit der Sackkarre des Postboten zusammen und auf einmal lagen jede Menge Päckchen auf dem Boden. In der Eile des Gefechts nahm er natürlich das falsche, gab es ihr und sie marschierte direkt in die Wäscherei, ohne nachzusehen, was sie da in Händen hielt. Ohne Witz, der Italiener merkte natürlich den Unterschied und rannte ihr hinterher auf die Straße. Und ab da begann das Drama. Zusammen stöberten sie den Postboten auf, und als dieser nicht mitspielen wollte, stopfte ihm der Italiener seine Knarre in den Mund, während Josi die Pakete durchsah. Aber es war natürlich nicht mehr da. Ja, wo hatte er es nur abgegeben? Natürlich wusste dieser Dummkopf nicht mehr, wo er dieses nicht etikettierte, in einfaches Paketpapier gehüllte Ding abgegeben hatte. Ist das zu fassen? Er wusste es nicht! Wie kann man das nicht wissen? Was für ein Armleuchter.

Zu dritt sind sie dann Station für Station zurückgelaufen und, während der Postbote händeringend und flehend jeden Einzelnen darum bat, das soeben abgegebene Päckchen noch einmal sehen zu dürfen, drückte ihm der Italiener die Knarre in die Rippen aus der Tasche seiner Jacke heraus. Doch es war weg. Unauffindbar. Erledigt. Genau wie Josi. Der Italiener hat sich furchtbar aufgeregt, dachte wohl, sie spielt falsch. Der erste Schuss traf ihren Arm, der zweite ging in die Brust. Die Cops kamen schneller als ich ‚Hoppla‘ sagen kann, sie waren wohl um die Ecke beim Pizza Hut. Und was dann folgte …

Den ersten Cop erledigte der Italiener noch treffsicher, den zweiten aber streifte er nur am Arm. Das lag sicher auch an dem Loch in seiner Brust, das ihm der zweite Cop verpasst hatte. Während der Italiener also zusammensackt, kommt Tommy des Weges und schnallt sofort, was vor sich geht. Ohne zu zögern schnappt er seine Knarre und ballert den Cop über den Haufen. Er dachte schon, er hätte Glück und wollte sich davonmachen. Aber er hatte die Streife nicht gesehen, die alles von der Kreuzung mit angesehen hatte. Tja, und die servierten ihrerseits Tommy ab. Manchmal ist das Leben wirklich `ne Bitch. Jedenfalls ist das die Geschichte, die mir der Postbote erzählt hat. Ich war während der ganzen Sache hinten in der Wäscherei und habe die Ware gewogen und verpackt. Irgendwann laufe ich vor, um zu sehen, warum es so ruhig ist. Und da sehe ich doch glatt Tommy am Fenster vorbeilaufen. Also bin ich hinterher mit etwas Abstand, um zu sehen, was da vor sich geht. Als die Schüsse fielen, bin ich reflexartig hinter ein parkendes Auto. Kurz darauf schleiche ich mich vorwärts, doch plötzlich musste ich abrupt anhalten.

Da stand doch glatt ein Postbote im Schaufenster. Zuerst dachte ich, es wäre eine Puppe und wunderte mich, warum in aller Welt diese dicke, hässliche Vogelscheuche die Uniform eines Postboten trägt. Doch dann sah ich genauer hin und entdeckte die Schweißperlen auf seiner Stirn. Ich kam nicht dazu, weiter darüber nachzudenken. Zwei Cops traten auf mich zu mit Knarren in den Händen und fragten mich nach einem Postboten. Natürlich wusste ich von nichts und schickte sie mit reichlich ‚vielleicht’ in die falsche Richtung. Als sie weg waren, sackte der Postbote zusammen und eigentlich hätte ich ihm helfen wollen, wären da nicht die feuchten Streifen auf seiner Hose gewesen, die vom Schritt Richtung Schuhe verliefen. Na und gestunken hat‘s auch. Na ja, letztlich hab ich ihm dann aufgeholfen und er erzählte mir, was passiert war.
Tja, da stand ich nun mit meinen drei Problemen. Josi weg, Tommy weg und damit auch mein Job. Dummerweise hatte dieser irre Tommy genug Koks in seiner Jacke, um die Cops zu einer Durchsuchung seines Hauses zu veranlassen. Und was sie da fanden, führte zur größten Razzia in der Geschichte von New Jersey. Einer nach dem anderen wurde abgeführt und eingesperrt. Die ganze Bande ging damals hoch. In der Wäscherei war so viel Stoff, damit hätte man den Himalaja pudern können. Und natürlich stürmten sie kurz danach auch in mein Haus. Das Geld in der Matratze fanden sie vermutlich recht schnell, und für die Lüftungsgitter der Klimaanlage brauchte es nur einen Schraubenzieher. Ich war ja an der Quelle, also habe ich mir nach und nach etwas abgezweigt. Man muss auch ans Alter denken. Tja, es dauerte nicht lange und sie hatten mich und am Ende landete ich genau da, wo ich nie hinwollte: im Knast. Zum Glück waren die Cops äußerst schlampig. Vor Gericht hätte ich am liebsten laut gelacht, als die gefundene Menge vorgelesen wurde. Da wird jemand noch seinen Spaß haben, wenn er mein Haus ersteigert. Gerade habe ich dem Neuen, einem Bodybuilder meine Geschichte erzählt und ihn gefragt, was ihn hier reingebracht hat, da schaut er mich an und sagt:

„Ja weißt du, meine Frau und ich haben uns kürzlich ein schönes Haus in New Jersey bei einer Versteigerung gekauft. Das einzige Problem waren Mäuse in den Lüftungsschächten der Klimaanlage. Eines Tages kam ich nach Hause und stell dir vor, das ganze Wohnzimmer war schneeweiß. Blöderweise war unser Nachbar Cop und … hier bin ich nun.“

 

***

 

2 Tage später, Krankenstation

Tja, da lag ich nun mit meinen 3 Problemen. Ich hatte keinen Job, kein Geld und keine Zähne. Kurze Zeit später durfte ich die Krankenstation verlassen und bekam den Job des Postboten im Knast. All die Briefe und Päckchen, die reinkamen, wurden zuerst von den Wärtern untersucht und dann von mir verteilt. Auf die Art konnte ich Kontakte schließen und mir nach und nach ein Geschäft aufbauen. Tommy? Scheiß auf Tommy. Wenn jemand was brauchte, kam er zu mir. Die Wärter hielten die Hände auf und drückten beide Augen zu. So erfuhr ich auch von einem Neuzugang und stellte mich gleich vor. Immerhin muss man expandieren. Wie ich gehört hatte, soll der Neue mit Koks erwischt worden sein. Und du ahnst es nicht, wer vor mir stand: der dicke Postbote.

Tja, meine Überraschung war groß. Für den Bruchteil einer Sekunde überlegte ich ihm Gleitmittel zu besorgen, denn das Bücken nach der Seife will gelernt sein. Aber ich ließ es bleiben. Immerhin war er schuld an der ganzen Sache. Wie er das mit dem Koks gemacht hat, habe ich nie erfahren, aber was soll’s. Ein paar Wochen später hörte ich von seinem Selbstmord und damit war die Sache erledigt. Diesmal aber wirklich.

 

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