Von Christina Dreisewerd
Martha hatte genug. Wieder einmal kam ihr Mann Bernhard erst spät abends von der Arbeit zurück – so behauptete er es zumindest – und wieder einmal musste sie das Abendessen auf dem Herd warmhalten, damit er sein Schnitzel mit Bratkartoffeln nicht kalt verspeisen musste.
Bernhard hasste kaltes Essen.
„Ist das Essen fertig?“, begrüßte er Martha und nahm Platz.
Bernhard zog seine Schuhe aus und griff nach der Tageszeitung, die in weniger als drei Stunden nicht mehr aktuell sein würde, und studierte die Berichte über Wirtschaft und Politik.
„Hab Hunger“, sagte er weiter, ohne auf seine Frau zu achten, oder mal zu fragen wie es ihr ginge, oder was sie den ganzen Tag über so gemacht habe.
Martha schäumte innerlich vor Wut. Doch sie setzte wie jeden Abend ihr freundliches Hausfrauenlächeln auf und trat an den Küchentisch. „Natürlich ist das Essen fertig. Wie war denn dein Arbeitstag?“
Die knappe Antwort, die sie bereits kannte, kam direkt. Abend für Abend hieß es „Wie immer, unkooperative Kunden, lange Gespräche mit den Kollegen.“
„Hah! Gespräche mit den Kollegen, dass ich nicht lache“, dachte Martha zynisch. „Meinst wohl eher die ganzen Frauen, die du heimlich triffst.“
Sie glaubte ihrem Mann schon lange nichts mehr. Zu viele Indizien, die auch noch so unscheinbar zu sein schienen, entlarvten ihn als Lügner und Ehebrecher. Auch heute wabbelte der florale Duft, der von einem dieser Billigparfüme stammt, als unsichtbare Dunstwolke um Bernhard herum. Auf seiner rechten Wange lag ein leichter, kaum erkennbarer Schimmer Rouge und auf seinem blauen Jackett befanden sich Make-up Rückstände.
„Ach so“, sagte Martha monoton und wandte sich der Pfanne zu.
Sie nahm ein Schnitzel und Bratkartoffeln, platzierte das Essen auf einen Teller und stellte diesen ihrem Mann schweigend auf dem Tisch.
„Oh, Schnitzel mit Bratkartoffeln!“
Direkt stocherte Bernhard mit der Gabel in den gebratenen Kartoffelscheiben herum.
„Die sehen aber nicht mehr frisch aus.“ Vorwurfsvoll beäugte er seine Frau von der Seite.
„Sind schließlich seit drei Stunden fertig“, antwortete Martha knapp und wandte sich dem Abwasch zu.
Ein Messer lag in ihrer Hand. Sie betrachtete es wenige Sekunden, drehte es hin und her, hielt inne, drehte es erneut. Wieder verharrte sie, dann aber nahm sie den Spülschwamm und säuberte behutsam die Klinge.
„Wenn du eher von Arbeit wiedergekommen wärst…“, begann Martha, doch weiter kam sie nicht.
„Das ist also der Dank, dass Mann viel arbeiten geht?“, unterbrach Bernhard sie gereizt. „Einer muss hier schließlich das Geld heimbringen. Was ist eigentlich mit dem Schnitzel los?“
Martha knirschte mit den Zähnen. Bernhard war es selbst gewesen, der damals, als sie den ewigen Bund der Ehe eingegangen waren, gesagt hatte, dass sie nicht arbeiten brauchte, da er in seiner Position genug verdienen würde.
„Was soll damit sein?“ Sie wischte sich die Hände an der Schürze ab und trat auf ihren Mann zu. „Geklopft, paniert und in viel Butter gebraten, so wie du es magst.“
Bernhard grunzte, nahm das Schweinefleisch zwischen Daumen und Zeigefinger und hielt es seiner Frau direkt vor die Nase.
„Merkst du es? Es wabbelt. Es ist nicht mehr knusprig und heiß ist es auch nicht mehr!“
Martha sah ihn schweigend an. Seine grau melierten Haare trug er ordentlich gekämmt und seine braunen Augen, in die sie sich damals verliebt hatte, starrten sie eiskalt an.
Sie hasste ihren Mann, sie hasste seine Art und sie hasste sich, dass sie nicht endlich einen Schlussstrich ziehen konnte. Doch sie schaffte es einfach nicht. Irgendetwas in ihr hielt sie vom letzten Schritt ab. Sie mochte Bernhard trotz seiner rebellischen Art. Heute würde man tyrannisch zu so einem Mann sagen, doch das Wort Rebell gefiel ihr besser. Es klang nicht so negativ und es hatte damals einen gewissen Reiz gehabt, mit einem Rebellen verheiratet zu sein.
Seufzend fiel ihr Blick auf die Tageszeitung und blieb an einer Werbeüberschrift hängen.
Schnitzel aus dem Toaster
„Kannst ja in den Toaster stecken“, meinte Martha.
„Bitte?“
„Da gibt es Schnitzel zum toasten, also warum dann nicht auch deins toasten?“
Bernhard widmete sich der Werbeanzeige und sein Gesicht erhellte sich freudig. Für einen kurzen Moment meinte Martha einen warmen Schimmer, so wie früher, darin zu erkennen.
„Bring mit doch mal bitte den Toaster, das probiere ich doch direkt aus.“
Martha gehorchte und holte den Toaster aus dem untersten Schrank und stellte diesen auf den Tisch.
„Das Kabel reicht nicht. Ich hol eben die Verlängerung.“
Sie verließ die Küche und kam mit einem Verlängerungskabel zurück. Ihr Mann hatte bereits das Schnitzel in den Schlitz gesteckt und wartete ungeduldig auf seine Frau.
„Wo bleibst du denn so lange?“
Er beobachtete, wie Martha die zwei Kabelenden miteinander verband.
„Beeil dich doch mal.“ Genervt verschränkte Bernhard seine Arme ineinander. Der Glanz in seinen Augen war verschwunden.
„Geduld. Das haben wir sofort.“
Martha nahm die Verlängerung und trat auf die Steckdose zu, die sich neben der Küchentür befand und somit nicht mehr im Blickfeld ihres Mannes lag.
Da hörte sie Bernhard sagen: „Da muss Mann sich schon das Essen selbst mit einem Toaster aufwärmen, nur weil die eigene Frau nicht in der Lage ist, frisch zu kochen!“
Martha stockte der Atem und plötzlich machte etwas in ihrem Kopf Klick.
Sie betrachtete das mit schwarzem Gummi ummantelte Kabel und umfasste es fest.
Jetzt war der Zeitpunkt gekommen loszulassen.
Wie in Trance drehte sie sich um und trat mit leisen Schritten direkt hinter ihren Mann. Sie legte das Kabel blitzschnell um seinen Hals, um dann mit ganzer Kraft die entstandene Schlinge enger und enger zu ziehen. All die Wut, die sich jahrelang in ihr angehäuft hatte, gab ihr die Fähigkeit dazu, diesen Schritt zu gehen. Sie hörte die gurgelnden Geräusche ihres Mannes, die seiner Kehle entwichen, während er versuchte, sich vergebens zu befreien. Doch Martha gab nicht nach. Sie zog so fest an dem Kabel, dass sich ihre Fingerknöchel weißlich verfärbten. Wie durch eine dichte Nebelwand sah sie die zuckenden Bewegungen ihres Ehemannes, die immer unkontrollierter wurden, bis er schließlich bewusstlos zusammensackte.
Martha ließ das Kabel los, betrachtete ihren leblosen Mann. Striemen hatten sich an seinem Hals gebildet. Die Haut war kalkweiß und sein Atem war versiegt.
Bernhard war tot.
Erleichtert ließ sich Martha auf einen der Küchenstühle nieder und schloss die Augen. Endlich war sie ihn los, endlich erlöst von diesem undankbaren Mann, der sie jahrelang terrorisiert und belogen hatte.
Martha öffnete wieder die Augen und ihr Blick fiel auf den Toaster. Sie nahm das Verlängerungskabel, schloss es an den Strom an und drückte den Schalter des Toasters hinunter. Das Schnitzel verschwand und die roten Heizstäbchen wärmten das kalte Stück Fleisch auf, bis es Sekunden später aus dem Schlitz gedrückt wurde.
„Ein Schnitzel zum toasten“, sagte Martha zufrieden und biss beherzt hinein. Sie blickte noch einmal zu ihrem Mann und ein amüsiertes Lächeln huschte ihr über die Lippen: „Das hätte dir eh nicht geschmeckt.“
Version III