Von Anna-Lena Brandt

Da liegt sie. Ihre bloße Gestalt löst Wut in meinem Körper aus.

Ich spüre, wie das Gefühl nach und nach immer stärker wird.

Das darf nicht wahr sein! Sie kann doch nicht einfach so daliegen, mir mit ihrer Blässe entgegenstrahlen. So, als wäre alles in Ordnung. So, als wäre es völlig normal so blass zu sein, so verdammt blass.

Dazu kommt, dass sie es sich auch noch so selbstgefällig auf meinem rosafarbenen Teller gemütlich gemacht hat.  

Das Rot tropft von der Messerspitze auf das blasse Bild ihrer Existenz, verteilt sich neben ihr. Blass, blass, blass!

Wutentbrannt greife ich nach dem Messer, durchsteche diese furchtbare Blässe auf meinem Teller. 

Sie wehrt sich nicht einmal. Wie selbstverständlich glitt das Metall durch ihre trostlose Existenz. 

Aufgespießt, einfach aufgespießt.

„Ha!“, rufe ich aus, nehme das Nutellaglas aus dem Schrank.

Entschlossen dringe ich mit einem Löffel durch die braune Konsistenz, lasse sie anschließend in meinem Mund wandern, den befriedigenden Geschmack der süßen Entschlossenheit auf der Zunge.

„Was machst du denn da? Du weißt doch, was der Arzt gesagt hat. Nicht so viel Süßes sonst…“

Blitzartig drehe ich mich um, die Wut hat nun gänzlich die Macht über meinen Körper erlangt.

Ich starre auf seine Wampe. Nicht so viel Süßes! Das will der mir gerade sagen!

„Was ich hier mache? Was ich hier mache, willst du wissen?!“, rufe ich außer mir, springe vom Stuhl auf.

Er weicht einen Schritt vor mir zurück; jetzt ist er genauso blass. 

Furchtbare, furchtbare, ekelhafte Blässe.

Ich ziehe die Nase kraus.

„Du bist doch an allem schuld!“

Er geht weiter zurück, immer weiter, steht schon fast im Flur. Aber so leicht wird er mir nicht davonkommen, nein so leicht nicht. 

Es ist an der Zeit, an der Zeit, dass er endlich für seine Trödelei bezahlt.

„Jeden Morgen! Jeden Morgen ist es das Gleiche. Wie oft habe ich dir schon gesagt du sollst dieses Ding reparieren?!“

Aufgebracht packe ich meinen Mann am Arm, ziehe ihn zum Tisch.

„Wie oft?!!!“

Blässe, diese furchtbare, ekelhafte Blässe.

Mir wird schlecht, ich greife nach dem Gerät. 

Der Toaster.

Mein Mann starrt ihn an, als wüsste er überhaupt nicht von was ich spreche.

„Du hast mir nicht mal zugehört oder?! Jeden verdammten Morgen sage ich dir, dass du dieses Scheißding reparieren sollst. Jeden verdammten Morgen!“

Blass, blass, blass.

„Nun sag schon was!“

„Ich … ich werde es gleich Morgen erledigen. Ich muss jetzt erst…“

Ich schüttele entschlossen den Kopf.

„Nein, mir reicht es jetzt.“

Kurzerhand ziehe ich meinen Mann zu mir heran.

Ich lege das Kabel um seinen Hals; er wehrt sich nicht einmal. Keine Widerworte, keine Gegenwehr; nur diese Blässe. 

Mein Körper scheint auf einmal voll zu sein, voll mit Adrenalin und unwahrscheinlicher Kraft.

„Was machst du denn …“

Was ich mache?! Was ich hier mache?!

Ich schnüre das Kabel weiter zu, immer fester, mehr, mehr, mehr.

Rot. Rot spritzt auf das Messer, läuft daran herab, tropft auf den Teller, den rosafarbenen Teller.

Mehr, mehr, mehr. 

Nie wieder Blässe, nie wieder diese verdammte Blässe.

Da ist sie. Die blaue Zunge. Blau und Rot vermischen sich, mehr, mehr, mehr. 

Ich schnappe nach Luft, lasse das Kabel los, wickele es von seinem Hals, trage ihn aus der Küche.  

 

Morgen früh wird es Toastbrot geben, Toastbrot mit Erdbeermarmelade.

Morgen früh werde ich ihn reparieren.