Von Christoph Klaus

Hört doch auf mit dem Kinderkram! Ihr glaubt an Geister? Bitte, von mir aus. Aber ihr glaubt, sie zwingen oder beschwören zu können? Ja, ja, streitet das nicht ab. Regelmäßig an jedem letzten Tag im Oktober verkleidet ihr euch deswegen wie Clowns und benehmt euch auch so. Wie, ihr seid das gar nicht? Na, zumindest euren Kindern verbietet ihr es nicht. Ist aber auch nicht besser, weil die es dann später einmal ihren Kindern auch nicht verbieten werden. Und über die ausgehöhlten Fratzenkürbisse mit den Kerzen drin müssen wir reden, denn das seid nun wirklich ihr gewesen! Oder gibt es unter euch eine Mutti, die Verantwortungsbewusstsein für sich reklamiert und gleichzeitig zugeben würde, ihren halbgewachsenen Pflaumentoffeln ein lebensgefährliches Schnitzwerkzeug in die Hand zu drücken? Und selbst wenn; es würde euch sowieso keiner abnehmen, dass die Gören eine solche niedere wie kräftezehrende Arbeit selbst erledigen, zumal sie dafür ja das Handy aus der Hand legen müssten. Und wozu das Ganze am Ende? Stimmungsvolle Dekoration? Mann, haben die euch vielleicht veralbert. Der tatsächliche Hintergrund dieses hohlen Gemüses ist, dass wenigstens in einem der Köpfe im Haus eine schwache Funzel brennt.

Aber ich will dieses Thema gar nicht ausweiten, da es für sich genommen fast noch harmlos ist. Doch es bereitet den Weg für etwas anderes; etwas, zu dem ihr eure Kinder niemals mitnehmen würdet. Ich meine die Veranstaltungen, bei denen ihr euch zu mitternächtlicher Stunde in spärlich beleuchteten Räumen zusammenfindet um irgendwelchen Mumpitz zu praktizieren. Ihr hockt dann um einen runden Tisch herum – habt dafür vielleicht noch eure letzten Ersparnisse investiert – und fühlt euch besonders erwählt, wenn der solchermaßen dotierte Veranstalter erklärt, dass die Geister heute besonders aktiv sind. Dann müsst ihr ganz ruhig sein, bis der Tisch wackelt. Ihr als Laien seid begeistert von diesem Hokuspokus, den ihr erst deuten könnt, wenn euch ein depplomierter Parapsychologe die Erklärung liefert. Diese besteht dann meist darin, dass sich der Geist eines eurer Vorfahren eingefunden hat, der euch für die nahe Zukunft ein reiches Erbe oder einen Lottogewinn ankündigt. Und falls es doch noch nicht die letzten Ersparnisse gewesen waren, gehen die spätestens jetzt drauf; in der Vorfreude auf das, was da kommen wird. Wenn euch irgendwann später zu Bewusstsein steigt, dass alle eure Erbtanten Sozialfälle sind und ihr darüber hinaus gar kein Lotto spielt, ist es zu spät.

Bevor es so weit kommt, solltet ihr eines bedenken: Ein Geist geht geräuschlos durch eine zwölfzöllige armierte Außenmauer und bleibt anschließend an einem Möbelstück aus billigem IKEA-Pressspan hängen? Ihr hättet früher in der Schule im Fach Metaphysik besser aufpassen sollen. Doch ich will nicht so sein und es euch erklären: Das mit dem Tisch ist ein taschenspielerischer Trick. Entweder hat das »Medium« unter den ausladenden Manschetten irgendwelche Haken versteckt oder in einem unbeobachteten Moment eines der Tischbeine auf seinem Fuß abgestellt. Letztere Variante kann ihm zwar das Schuhwerk ruinieren, aber das habt ihr ja vorfinanziert. Und in der Bilanz rechnet sich dieses Geschäftsmodell allemal.

Bitte versteht mich nicht falsch. Ich will nicht grundsätzlich etwas gegen derartige Tischrunden zum Rufen der Geister sagen. Jedoch müssen sie von qualifiziertem Personal abgehalten werden; nicht von irgendwelchen Scharlatanen, die entweder nichts Richtiges zu tun oder nichts Richtiges gelernt haben. Und woran erkennt man die? Nun, sie versprechen euch, eure Ahnen herbeizuzitieren und gehen dafür in Vorkasse. Ersteres geht überhaupt nicht und Letzteres überhaupt gar nicht. Das kann ich euch versichern, ich habe nämlich langjährige Erfahrung in diesen Dingen.

Wir Geister aus dem Jenseits halten nämlich seit Anbeginn der Zeit solche Séancen ab. Aber wir rufen nicht die Geister unserer Ahnen, sondern die unserer Nachfahren. Und das funktioniert immer. Wenn also die Oma nicht mehr vom Sofa aufsteht oder der Mann, der bereits unter Abwesenheit seines Geistes beim Überqueren der Straße vom Bus zwar knapp verfehlt wird, trotzdem unmittelbar danach an einem Herzinfarkt verscheidet, dann sind wir das gewesen. Glaubt ihr nicht? Ihr werdet es sehen. 

Wir sehen uns. Irgendwann.

 

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