Von Jochen Ruscheweyh

„Ey, wir sind Newcomer des Monats im PMM!“, wedelt Pavarotti wie auf Speed mit so ’nem Heft rum, als wollt er gleich ’n ganzen Schwarm Fliegen killen.

„Häh?“, kommentiert Schröder, „in diesem Grundschüler-Streber-Blagen-Blatt?“

„Nein“, klärt Teschke auf, „das ist P.M., Peter Moosleitners interessantes Magazin. PMM ist das PowerManiacMagazine, das gibt es seit ein paar Monaten in jedem gut sortierten Bahnhofsbuchhandel mit beträchtlicher Auflage.“

„Oh, cool, zeig mal her.“

„Aber knick den Artikel nicht so, Wuttke, ich möchte ihn später archivieren.“

O.k., Teschke is’ nich’ nur mein Basser, sondern auch mein bester Freund, aber manchmal geht mir sein Pedantismus schon etwas auf’n Sack. Ich blätter bis zu der Stelle, wo Pavarotti ’n fettes Eselsohr als Markierung reingefaltet hat – soviel zum Thema Nich’ knicken – und les die Rezi zu unserem letzten Demo, die erste übrigens in ’nem Heft dieser Auflage. Die Schreibe kommt trotz Abfeiere irgendwie ’n bissi unspezifisch rüber, was vielleicht dran liegen könnte, dass das nicht das Rock Hard oder der Metal Hammer is’, sondern eben ’ne neue Zeitschrift, die erst ihren Stil finden muss. Und dann entdeck ich was, das in mir das starke Verlangen weckt, simultan abzukotzen.

 

„Kehr, getz piss dich ma nich’ so an, Wuttke! Also ich tät kein Problem damit haben, wenn ’ne Ex-Ische von mir unser Band ’n Gefallen tut.“

„Ich glaube, Angelique und Vanessa waren da etwas eingeschränkt in ihren Kompetenzen, Pavarotti“, kommt mir Beckmann von hinter seinem Kit zu Hilfe, „außer deine Kutte bügeln, seh ich da retrospektiv wenig Potential.“

Pavarotti stellt sein Stifts – logo, wir würden nie ’n anderes Pils beim Review-Diskutieren zieseln – auf Teschkes Bass-Topteil ab und sinniert: „Weißte, warum Charlie Watts so lange bei den Beatles hinter der Schießbude sitzen durfte? Weil er sein Scheißmaul gehalten hat, wenner nich’ gefragt gewesen is’.“

Teschke tippt Pavarotti in bester Laurel und Hardy – Manier an die Schulter: „In meinem Amp ist hochkomplexe Röhrentechnik verbaut. Ich möchte nicht, dass du dein Bier darauf abstellst. Und Watts ist bei den Stones. Schon immer.“

Zwei Gespräche parallel führen, is’ ’ne Herausforderung für den Pave-Man. Und er kommt nich’ zum Reagieren, weil Teschke schon das Stifts vom Amp runtergenommen hat und es Pavarotti in die Hand drückt.

Schröder hat sein Shirt halb hochgezogen und zupft sich irgendwelche Flusen aus dem Bauchnabel: „Frag doch mal deine Fascho-Olle, Pavarotti, vielleicht bringt die uns in Jagd&Hund oder in die neue Völkisches Brauchtum Spezial!

„Ey, fängst du schon wieder mit die Scheiße an?“, findet der Pave-Man die Sprache wieder und mariniert Schröders halbaufgedeckten Schweinbauch mit ’nem kapitalen Hieb Stifts. Woraufhin Schrö aufspringt und Pavarotti wie bei ’nem kruden Wikingerritual umarmt und seine triefende Wampe an Pavarottis Schmierbauch presst. Der guckt erst verstört, fängt dann aber an, im Tandem mit Schrö rumzuhüpfen und nordische Balzlaute auszustoßen. Als sie endlich mit der Grütze durch sind, meint Schrö: „O.k, Wuttke, Besetzungscouch passt nicht ganz, aber dann haste unsere Band halt hochgebummst. Sowas können auch Kerle in Zeiten der Emanzipation.“

Ich schnall meine Charvel ab, fletz mich auf’s andere Bandsöffchen, das nich’ Stifts-getränkt is’, und sag: „Ey, ihr betont immer wie true und metal ihr wärt, aber in Wirklichkeit seid ihr nur beschissene kleine Poser! Ja, ich hatte kurz was mit Keisha, was ich echt bereue, weil’s mich ’n paar Monate gebraucht hat, das mit Steffi wieder hinzubiegen. Keisha is’’ne Grufti-Perle, die Null Ahnung von Metal hat. Und glaubt mir, wenn die bei dem Mag anheuert und uns ’n vermeintlich guten Review schreibt, dann hat sie dabei ’n Hintergedanken. Und ich persönlich hab keinen Bock, irgend ’n Durchbruchs-Ding auf so ’ner Grundlage zu starten. Weil das komplett untrue is’.“

Schrö zieht sich sein Shirt runter, wringt es über Teschke aus, der sich grad runterbeugt, um was an seinem Pedalboard einzustellen. Als Konter schubst Teschke Schrö, der daraufhin ins Taumeln kommt, stolpert, auf mich drauf fällt und mir mit seiner nach Bier, Schweiß und Frittenfett stinkenden Wampe ’ne Gesichts-Akkupressur verpasst. Groß-Industrielle sollen Nutten für’s Face-Sitting ja dick Kohle bezahlen, mich erregt das hier gerade aber eher weniger und ich schäl mich irgendwie seitlich unter Schrö seinem Wabbelfleisch weg, komm aber nich’ dazu, ihm ’ne adäquate Abreibung zu verpassen, weil die Tür aufgeht und der Buden-Kurt reinkommt, mit ’ner frischen Kiste Stifts im Gepäck. Und es is’ irgendwie ’n ungeschriebenes Band-Gesetz, wenn jemand frisches Pils mitbringt, is’ das sowas wie ’ne kollektive flüssige Friedenspfeife.

 

Wir hängen also auf den Söffchen ab und nuckeln jeder an ’nem Stifts, als Teschke meint: „Wuttke hat recht, ich fühl mich auch nicht gut dabei und ich denke ich kann mich auch nicht richtig über sowas freuen.“

Der Buden-Kurt streicht sich über die Stoppeln von seinem 6 Tage-Bart und meint: „Jungs, ich erzähl euch jetzt mal was. Als ich beim Bund war …“

„Oah, nee, ey, Kurt, keine Bund-Story, ey, bitte“, grätscht ihm Pavarotti dazwischen.

Aber Kurt is’ halt Unternehmer – o.k., Kiosk-Pächter – und lässt sich nich’ so leicht beirren.

„Also, wir waren bei Flensburg stationiert, und ich hab da einen MAN gefahren, so lang wie eine Straßenbahn. Und es ist Winter gewesen und die Winter da oben können verdammt kalt sein.“

„Komm auf den Punkt, Kurt!“, erinner ich ihn.

„Also, wir haben den MAN grade anständig durchgefettet und sind auf der Landstraße unterwegs, der UvD und ich …“

„Da landet ’n U.F.O genau auf euerm Trailer.“

„Wenn du ihn unterbrichst, dauert die Story nur länger, Schrö, also halt besser die Fresse“, werf ich ein.

„Da seh ich einen Ford Fiesta im Graben, der sich festgefahren hat. Ich halt also an, steig aus, klopf ans Fenster, und da sitzt eine Frau unter einer Notdecke und ist am Zittern wie Espenlaub. Ich sag also: Fräulein, Sie gehen sich jetzt mal bei uns im Führerhaus aufwärmen und wir befreien Ihren PKW aus dieser misslichen Lage. Der UvD steckt sie in einen Panzerkombi und ich mach die Seilwinde klar und die Winde macht schnoarötz, schnoarötz, schnoarötz und dann steht der Fiesta wieder auf der Fahrbahn.“

„Tschuldige, Kurt, ich hab das nicht richtig mitbekommen, kannst du nochmal machen, wie die Seilwinde gemacht hat?“, bittet Beckmann.

„Ja, sia!“ Und er wiederholt: „Schnoarötz, schnoarötz, schnoarötz!“

„Ah, so“, grinst Beckmann, „Schnoarötz, schnoarötz, schnoarötz!“

Und Kurt weiter: „Wir haben die Frau bis zu ihrer Haustür geleitet und ihr noch isotonischen Aufguss-Tee und Hartkekse dagelassen. Und am nächsten Tag stand ein dicker positiver Artikel über die Bundeswehr im Flensburger Tagesblatt, weil die Frau zufällig Journalistin war.“

Ich sag: „Ey, Kurt, hat diese Story irgendwas mit dem zu tun, worum es hier bei mir grad geht?“

Kurt zieht sich seine Kutte mit den Aufnähern von seinem Kinder-Biker-Club glatt und sagt: „Aber ganz bestimmt, Wuttke. Für gute Taten belohnt dich das Schicksal. Jawohl!“

„Das heißt, wenn ich dich richtig verstehe, Kurt, war die gute Tat, dass Wuttke die Schoko-Leichentorte geknallt hat und deswegen kriegen wir jetzt einen guten Review?“

Kurt saugt einen Riesenhieb von seinem Stifts und meint: „Auf eine einfache Formel gebracht, ja, … so in etwa zumindest.“

„Schnöde Taten, birgt sie die Erd’ auch, müssen sich verraten.“

„Ey, wat bis du da am rummurmeln, Teschke? Klapp ma dein Poesie-Album zu, wenn die Erwachsenen sich hier am Unterhalten dran sind.“

„Das war Shakespeare …“, empört sich Teschke.

Ich hab keinen Bock mehr auf die Kinderkacke, steh auf und sag: „Ey, was ihr alle nich’ kapiert, is’, dass ich beziehungsmäßig grad wieder einigermaßen im Flow bin und jetzt so ’ne Scheiße. Wenn Steffi das spitz kriegt, denkt die doch eh, ich hab wieder was mit Keisha.“

Schrö erhebt sich ebenfalls, macht den Verbandskasten, der neben dem Sicherungskasten hängt, auf, holt sich ’ne Warnweste raus und zieht sich die über seine nackte Plauze. Dann sagt er: „Sorry, Wuttke, aber was erwartest du jetzt von uns? Sollen wir dich bemitleiden, weil du ’ne Psycho-Olle geknallt hast? Das wohl jeder von uns hier schon mal gemacht“ – er guckt zu Teschke – „o.k., vielleicht nich’ jeder. Aber du kannst eh nix mehr dran ändern. Nur hoffen, dass Steffi sich nich’ das PMM kauft oder ihr jemand die Story steckt.“

Jetzt steht auch Beckmann, legt Schrö den Arm um die Schulter und sagt: „YMCA hat recht, das kannst du nicht mehr beeinflussen, Wuttke. Und sieh es mal so, wir haben immer drauf gewartet, dass wir promomäßig fett einschlagen. Das ist vielleicht noch nicht der ganz große Durchbruch, aber der Anfang davon.“

Auch Teschke geht in die Vertikale und meint: „Ich bin ein Freund von Offenheit, ich würde es Steffi sagen. Du kannst nicht in den verquerten Kopf von Keisha gucken, und was sie zu dieser Aktion motiviert hat. Vielleicht steckt auch gar nichts dahinter. Du hast zumindest aktuell nichts verkehrt gemacht.“

Irgendwie sitzt nur noch Kurt, weil auch Pavarotti auf Jack in a Box macht und mich antextet: „Ey, Alter, ich sach dir wat, dat is’ scheiße, aber da kannste echt nix machen. Komm wir zocken einen und die Welt sieht wieder porno aus.“

 

Wir prügeln unser komplettes Set runter, und ja, irgendwie is’ das schon ’n bissi befreiend. Gleichzeitig geht mir aber dermaßen die Düse, dass Steffi ausrastet, dass ich in üble Paranoia komme, die sich darin manifestiert, dass ich nach der Probe direkt zu Ruby rüberlatsch.

Sie macht die Tür auf, wir drücken uns kumpelinenmäßig und noch bevor sie was sagen kann, knall ich ihr vor den Latz: „Ey, Rub, was stimmt nich’ mit deiner durchgeknallten Schwester? Was soll die Scheiße mit dem PowerManiacMagazine?“

Ruby zieht eine Augenbraue hoch und ’ne Mikrosekunde später weiß ich, warum.

Keisha steht im Küchentürrahmen, sieht monstergranate aus und lächelt so süß, dass es mir einen satten Punch in die Magengrube verpasst. „Hi, Wuttke, lange nicht gesehen …“