Von Barbara Hennermann

Kunst kommt von Können, pflegte mein Vater immer zu sagen.

Er musste es wissen, er malte wunderbare Bilder.

 

Als ich Tereza kennenlernte, musste ich an den Ausspruch meines Vaters denken.

Denn schon Tereza kennenzulernen war gar nicht so einfach.

Nur über die Vermittlung ihrer Agentur war das möglich.

 

Als ich dort anrief, sagte die Dame am Telefon:

„Sie haben Glück! Ich schicke Ihnen meine Beste!“

Ich hoffte sehr, dass dies stimmte, denn mir wuchs gerade wieder mal alles über den Kopf:

Mein Job als leitende Angestellte einer Kunstakademie, der mir zwar Spaß machte, aber sehr zeitraubend war.

Meine beiden pubertierenden Töchter, die offensichtlich außer für den Anstrich und die Verpackung ihres jugendlichen Körpers keine anderen Prioritäten mehr zu setzen wussten und außer ihrer Abneigung gegen die Schule und den daraus resultierenden miserablen Leistungen keinerlei schwesterliche Einigkeit zeigten, sich also ständig ankeiften.

Mein Mann, der beim nach Hause kommen eine ausgeruhte, anschmiegsame Gattin und darüber hinaus eine schmackhafte Mahlzeit erwartete.

Und, last but not least, mein Neufundländer, der bei aller Freundlichkeit seinen Bewegungsdrang in Haus und Garten erbarmungslos auslebte – mit den entsprechenden Spuren.

Alles miteinander nicht hilfreich für ein ausgeglichenes weibliches Dasein.

Ich brauchte dringend Hilfe!

Kein Wunder also, dass ich Tereza geradezu entgegenfieberte.

Der erste Eindruck war überaus positiv.

„Ich kommen von das Agentur ´Cash & Clean`“, sagte die adrette junge Dame vor meiner Haustür.

Dann schlüpfte sie hurtig aus ihren Pumps und in bequemes Schuhwerk, wechselte Bluse und Rock gegen einen geblümten Kittel und bewegte sich mit traumwandlerischer Sicherheit in Richtung Besenkammer.

Von diesem Augenblick an übernahm sie das Regiment über die Reinheit unseres Haushalts. Ich wähle den Begriff „Reinheit“ sehr bewusst, denn alles strahlte nach kürzester Zeit in bestechender Sauberkeit. Egal ob Küche, Wohnzimmer, Flur usw., selbst die hardcore Zimmer der Töchter – Tereza schaffte alles.

 

„Jäsus Maaria Josäf“, schallte ihr Ruf durch´s Haus, wenn sie wieder einmal ein besonders bearbeitungswürdiges Areal vorfand. Wenig später war es dem allgemein gepflegten Zustand angeglichen.

Kurz gesagt: Tereza war keine „normale“ Raumpflegerin.

Tereza hatte das Talent. Tereza hatte die Obsession. Tereza hatte den untrüglichen Blick und behielt dazu immer den Überblick.

Der Haushalt blühte auf unter ihrer Regie und wir mit ihm. Selbst Udo, der Hund, lernte seine Pfoten vor der Tür abzustreifen und die angenagten Knochen nicht mehr unter dem Sofa zu deponieren.

 

Wie hatte mein Vater gesagt? Kunst kommt von Können.

Tereza war eindeutig eine Künstlerin.

 

Ich glaube, ich erwähnte bereits, dass ich als leitende Angestellte einer Kunstakademie arbeitete?

Selbstverständlich verfügten wir  über ein eingespieltes Team von Servicekräften, vom Kartenkontrolleur bis zur Reinigungskraft.

Unsere Besucher kamen nicht in Scharen, aber gezielt – Freunde der „Modern Art“, Studenten, Professoren, Düsseldorfer, Auswärtige – ein breites Spektrum.

Unser „Aushängeschild“ war natürlich jener „Prof“, der stets mit Hut bekleidet seine Kunstwerke zu zeitgenössischer Kritik erhob und dadurch viel Zuspruch und Anerkennung erzielte.

Nun, es gab also genug zu tun, und als im Herbst die übliche Grippewelle die Reihen des Personals lichtete, bat ich Tereza um Mithilfe bei der abendlichen Reinigung der beschmutzten Säle. Ich war mir sicher, sie würde diese Aufgabe mit Freude angehen, da ein umfangreiches Arbeitsfeld ihre Fähigkeiten weiter perfektionieren  konnte.

 Genauso war es auch.

Als ich mein Büro verließ, um mich auf den Heimweg zu machen, hörte ich aus der Ferne ihr „Jäsus, Maaria, Josäf“ und wusste, sie nahm dieses vorübergehende Betätigungsfeld mit Engagement und Begeisterung an.

Trotz der zusätzlichen Tätigkeit erschien sie am nächsten Morgen wie immer pünktlich bei uns zur Arbeit.

„ O nä, o nä“, fing sie, noch ehe sie sich umgezogen hatte, aufgeregt an.

„ O nä! Mänschen sind schlimmer als wie Schweine! Hauen Eimer voll dräckigem Fätt in Äcke und lassen einfach liegen! O nä, o nä!“

 

Mich beschlich ein mulmiges Gefühl und ich eilte, so schnell ich konnte, zur Kunstakademie.

Von weitem schon blendete mich blau rotierendes Polizeilicht.

Der Pförtner kam mir entgegengerannt, puterrot im Gesicht.

Völlig außer sich stieß er hervor:

„Um Gottes willen! Frevel! Vandalismus!“

Mich schwindelte.

Zu Recht.

Joseph Beuys Fettecke.

Verschwunden.

Komplett und unwiederbringlich.

Statt Kunstwerk eine überaus reinliche Ecke.

Sauber geputzt. Vorbildlich geputzt.

 

Es musste wirklich großer Anstrengung bedurft haben, diesen Riesenklumpen Butter ohne eine Spur von Resten so makellos zu entfernen.  Nur wem Reinlichkeit, Reinheit, eine Herzensangelegenheit war, nur einem Berufenen konnte dieses Werk gelungen sein!

 

Ich atmete tief durch. Dann stellte ich den Sachverhalt richtig.

Die Polizei zog sich zurück.

Dafür erschien der Erbe des Kunstwerks auf der Bildfläche.

 

Was soll ich sagen –

40 000 Mark kostete mich, oder besser meine Haftpflichtversicherung, Terezas natürliches Gespür für … nun ja … Kunst … welche auch immer …

 

hb 11/2018  V2