Kai Braddick

Und so flohen Heron und Syra durch den Wald von Talvallon, gejagt von den Schergen des Königs.

So blind vor Wut, dass er sogar seinen eigenen Sohn töten lassen wollte, befahl der Herrscher der drei Lande seinen Söldnern, sie mögen die Beiden verfolgen und jagen und ihm überbringen.

Tod oder lebendig.

So hetzten seine Getreuen durch das tiefe Dickicht, über knorriges Gehölz und sprödes Laub, dem unglücklichen Paar immer auf den Versen.

Doch Heron und Syra waren schnell und geschickt, getrieben von ihrer Jugend, ihrer Liebe.

Der Wald war ihnen nicht unbekannt, hatten sie hier doch schon als Kinder gespielt und auch die ersten zarten Knospen ihrer Liebe entdeckt.

Eine Liebe, die für sie so wahr und richtig erschien, aber für ihre Eltern falsch und beleidigend, denn ihre Familien lagen seit langem im Streit, spannten Intrigen und führten sinnlose Kriege gegeneinander.

Heron und Syra aber teilten diesen Hass nicht und hatten deshalb beschlossen des nachts zu fliehen und jenseits der Meere ein neues Leben zu beginnen. Doch sie wurden entdeckt und konnten nur mit Mühe entkommen.

Jetzt rannten sie, doch Syra wurde schwächer, trug sie doch das Kind Herons in sich.

Also sprach sie: „Fliehe alleine weiter, mein Geliebter, ich werde mich verbergen, dort an der alten Eiche. Die Jäger werden mich dort nicht finden.“

Doch Heron wollte sie nicht alleine lassen, drum sprach er: „Nein, niemals. Ohne dich gehe ich nirgend hin.“

Schon waren die Bluthunde zu hören und Pfeile sangen sirrend ihr tödliches Lied. Nur knapp verfehlten die Spitzen aus Stahl ihr Ziel.

Syra flehte ihren Heron an. Er möge sie verlassen, um ihrer Willen. Er sollte leben, ein Vater sein. Sie weinte so bitterlich, dass Heron bald bereit war darauf einzugehen, doch da traf ein Pfeil, im tödlichen Verlangen, sein Ziel und bohrte sich durch Syras Brust und öffnete sie. Schreiend brach sie zusammen und Heron, in seiner blinden Wut, nahm sein Schwert und erschlug alle Jäger und auch die Hunde.

Blutend und verwundet stürzte Heron zur Geliebten, denn auch er hatte tödliche Verletzungen erlitten. Matt und geschwächt vom Ringen mit dem Tod, lag Syra zu seinen Füßen und er ergriff ihre Hand.

„Syra, meine Liebste. Ich habe alle erschlagen. Nun sind wir frei. Stirb nicht, sonst bin ich so allein.“

Syras Stimme aber war zu schwach, doch ihre Augen flehten um so mehr, dass er abwende ihren bevorstehenden Tod.

Da wusste Heron, was er tun musste. Er zog den Pfeil aus ihrer Brust und nahm sein Messer.

„Du wirst nicht sterben!“, sprach er sanft. „Wir werden immer zusammen sein.“

Er führte die tödliche Klinge an seine Brust und vollführte einen Schnitt. Quälende Schmerzen erfüllten ihn, doch er ließ sich nicht beirren. Heron griff nach seinem Herzen, entriss es und teilte es, auf dass er es Syra gebe. Er setzte es ihr in ihre Brust und spürte wie es kräftig schlug, dann als alles vollbracht war, brach er zusammen und starb. Denn er hatte ihr zu viel gegeben, als dass sie beide überleben konnten. Heron wusste, dass er auch sein ungeborenes Kind retten musste.

Syra aber, die spürte wie neue Kraft ihren Körper erfüllte, lebte. Doch das liebliche Mädchen schwor Rache. Und sie besann sich, auf die alte Magie, die lange in ihr geruht hatte. Ihre Macht war größer, als alles zuvor Gewesene.

Syra erhob sich und verfluchte den Wald, sie verfluchte die Bäume, die Bäche und das Land, auf dem die Bäume standen.

Dann gewährte sie sich einen letzten Wunsch.

Die alte Magie strömte durch ihre Adern, ergriff und beherrschte ihren Körper und ihren Geist. Sie spürte, wie der Wahnsinn von ihr Besitz ergriff, wie das Herz Herons in ihr schlug und wie auch Teile seines Geistes sie erfüllten.

Stunden dauerte das blutige Ritual, dann als Syras Verstand nur noch eine Hülle war, erschien ihr Heron. Sein Geist formte sich, wurde zu Fleisch und Syra schloss ihn in ihre Arme, auch wenn sie wusste, dass er nie mehr sein würde.

Sein Schicksal war an diesen Wald gebunden und er würde ihn nie verlassen können.

„Was hast du getan, meine Liebe?“, fragte er und Angst lag in seiner Stimme. Der, der gerade noch im Reich der Toten wanderte, schaute sich jetzt ungläubig um.

Syra sah ihm tief in die Augen und obwohl sie ins Nichts starrte, spürte sie eine unendlich tiefe Liebe.

„Niemand kann uns trennen“, sprach sie leise.

„Du bist auf ewig mein!“

Und Heron nickte.

„Ich werde dich immer beschützen!“

Syra schloss die Augen und ließ sich fallen.

Und während die beiden sich in den Armen lagen, sang der Wind ein Lied, dass auch noch heute jeden gemahnt, den Wald zu betreten, der nur den Liebenden gehört.