Von Miklos Muhi

Das Haus war sehr sauber. Detlef hatte gestern gründlich geputzt und alles, was nicht mehr zu gebrauchen war vor dem Haus auf einen Haufen geworfen. Es war an der Zeit, die Sperrmüllkarte einzusetzen. Das Ganze fing damit an, was er gestern früh, nachdem er von einer langen Geschäftsreise zurückgekehrt war, vorfand.

 

Ein Zettel auf dem Küchentisch erwartete ihn, mit dem Aufschrift ›Sorry‹ und mit dem Ehering seiner Frau. Darunter lag ein Umschlag mit einem Brief. Alle Wertgegenstände und ihre persönlichen Sachen waren ebenfalls weg.

 

Er konnte mit der Online-Banking-App auf seinem Handy feststellen, dass das Geld vom gemeinsamen Konto fehlte: Ihm stand die schwindelerregende Summe von vier Euro und 24 Cents zur Verfügung.

 

Den Zettel, den Brief und den Ehering packte er zusammen und fuhr zu einer Bank, wo er ein Schließfach mietete. Seine Frau wusste nichts davon. Aus jenem Schließfach holte er ein Bündel Geldscheine heraus. Das Geld hatte er in der letzten Zeit zusammengespart.

 

Danach fuhr er zu seinem Anwalt, der ihm bei der Änderung seines Testaments und der Lebensversicherungsverträge behilflich war. Er wurde sofort empfangen.

»Guten Tag, Herr Fechter. Wie kann ich Ihnen helfen?«, fragte Dr. Dettenhof, ein recht teurer Spezialist in Scheidungs- und Erbrecht.

»Guten Tag, Herr Dettenhof. Es gibt Arbeit. Es geht los.«

»Anderen Klienten würde ich jetzt sagen, dass es mir leidtäte, aber das möchten Sie bestimmt nicht hören, denke ich«, der Anwalt lächelte breit. »Wie ist es gelaufen? Gab es Streit?«

»Nein, es lief, wie ich erwartet habe. Sie hat mir den Ehering, einen Zettel und einen Brief hinterlassen« Er griff in seine Tasche, holte die Sachen heraus und legte alles auf den Schreibtisch.

»Oh! Darf ich den Brief bitte lesen?«, fragte der Anwalt.

»Ich bitte Sie darum, ihn zu lesen«, antwortete Detlef.

Der Anwalt nahm das Papier aus dem Umschlag und las alles aufmerksam durch.

 

Detlef,

 

ich kann nicht mehr. Ich musste diesen Weg gehen, denn ich sah keine andere Möglichkeit, dir das Ganze verständlich zu machen. Allein gelassen, ignoriert und mit unerfüllten Bedürfnissen konnte ich nicht länger bleiben. Ich habe dir meine Jugend geopfert und trotzdem hast du meine verzweifelten Rufe überhört. Dein Egoismus hat meine Ehe zerstört.

 

Mein Sozialleben wurde auf null reduziert. Immer nur die Pflichten. Du hast mich nie auf Partys begleiten wollen. Du hast mich allein gelassen und im Haus keinen Alkohol geduldet. Meine Gäste saßen auf dem Trockenen. Ich musste mich deinetwegen immer schämen.

 

Du hast meine Freunde gehasst. Du hast sie auf der Straße nie erkannt. Allen meinen Tanzpartnern aus der Tanzschule, wohin du mich nie begleiten wolltest, standest du feindselig gegenüber.

 

Das Finanzielle klappte auch nicht. Wir waren ständig in Geldnot und ich musste auf vieles verzichten. Verständnis gab es dafür nicht. Das Sparen, an dem du immer so gehangen bist, nützt uns nichts mehr, wenn wir tot sind.

 

Wir mussten sogar unsere Putzfrau entlassen. Das hieß mehr Arbeit und weniger Freizeit. Ich bin keine Haushaltshilfe! Du, als der Mann in der Familie hattest die Pflicht, das alles zu organisieren. Und was hast du getan? Alle Aufgaben unter uns aufgeteilt und wir haben die kostbaren Wochenenden mit Hausarbeit anstatt mit Freunden verbracht.

 

Ich habe mir immer wieder anhören müssen, dass das Haus unordentlich sei und meine Kleider überall herumlägen. Vergeblich habe ich dir erklärt, dass wir neue Möbel bräuchten, denn wir hatten nicht genug Platz. Was du mir dann gesagt hast, war untragbar. Dass ich weniger Kleider bräuchte und nichts mehr kaufen sollte! So kannst du mit einer Frau nicht reden!

 

Ich verlasse dich und nehme mir, was mir zusteht. Ich werde den besten Scheidungsanwalt anheuern. Du hast keine Chance.

 

Ich habe endlich damit angefangen, meine Träume, die du mir versagt hast, zu verwirklichen.

 

Lebe wohl oder wie du es verdient hast.

 

Er legte den Brief wieder auf den Tisch.

»In der Tat, sie hatten recht, Herr Fechter. So etwas Dummes habe ich noch nie lesen müssen. Fehlt etwas aus ihrem Haus?«

»Eigentlich ist das unser Haus. Sie ist auch im Grundbuch eingetragen.«

»Abwarten, Herr Fechter«, meinte der Anwalt mit einer kühlen Stimme. »Vorerst ist sie im Grundbuch eingetragen, aber das wird nicht lange dauern. Also fehlt etwas?«

»Ihre persönlichen Sachen, alle Wertsachen und das ganze Geld vom gemeinsamen Konto.«

»Haben Sie versucht, mit ihr Kontakt aufzunehmen?«

»Nein! Ich bin doch nicht verrückt. Ich habe nur die Sperrmüllabfuhr für all ihre hinterlassenen Sachen bestellt, für all die Kleider und Schuhe, die sie fast nie getragen hat, für all die Sachen, die sie zusammengekauft und nie benutzt hat … für den Sperrmüll eben«, sagte Detlef und lachte fröhlich.

»Das war vielleicht nicht besonderes klug, Herr Fechter, aber damit können wir leben. Aber Ihre Frau hat das Geld und Wertgegenstände widerrechtlich angeeignet. Ich erspare Ihnen die Juristereien. Es geht darum, dass all die Sachen Ihnen beiden gehören und sie hat alles an sich genommen und ist abgehauen.«

»Wir haben also gute Karten, meinen Sie?«, fragte Detlef.

»Ja, genau das meine ich. Es ist nicht auszuschließen, dass sie bereits einen Anwalt angeheuert hat, aber ich halte es für unwahrscheinlich. Ich schlage Ihnen vor, die Scheidung einzureichen.«

»Bitte setzen Sie auch das vom Detektivbüro Dakota&Dakota gesammelte Material ein.«

»Auf jeden Fall. Ich werde ganz gemäß Ihren Wünschen vorgehen. Wir setzten alles ein, was wir haben.«

»Von wegen Tanzpartner und Freunde …«, murmelte Detlef mit sichtlicher Belustigung. »Sie wissen, was zu tun ist, Herr Anwalt. Geld spielt keine Rolle. Wenn ich noch etwas zu zahlen habe …«

»Aber Herr Fechter«, unterbrach ihn der Anwalt, »Sie haben mir schon mehr als genug Vorschuss gezahlt, also keine Sorge.«

»Gut. Ich erteile Ihnen hiermit den Auftrag, das heuchlerische ›Sorry‹ meiner zukünftigen Ex-Frau wahrzumachen!«

 

Version 2