Von Anne Zeisig

„Ih weiß net, was es mit derer Quittung auf sich hat?“, fragte seine Ehefrau. Und hielt ihm den Aktenordner aufgeklappt mit dem Einlegeblatt vor das Gesicht.
Mit korpulenter Statur stand ihr Ehemann vor ihrem Schreibtisch, die Fäuste geballt wie ein Boxer kurz vor dem Angriff.
„Warum bist gar biestig?“, fragte ihn Marinadel. Seine Angetraute.
Zuvor hatte er ihr den Ordner aus den Händen entrissen.

Sie blickt ihren Mann mit entsetzt aufgerissenen Augen an.
Er hebt die Aktenkladde hoch, richtet sie kopfüber mit speckigen Händen auf sie.
Mariandel schützt mit verschränkten Armen ihren Kopf. Hat ihr Gesicht auf den Schreibtisch gesenkt.
Sein Gesicht läuft rot an, wie sonst nur, wenn er Enzian beim Wirt um ‘s Eck getrunken hat.
Ihre Hände zittern, umklammern fest die Stuhllehnen und sie schüttelt heftig ihr Haupt, das Haar peitscht feucht um ihre Schläfen.
Er knallt die dicken Akten nicht auf sie, sondern auf die Schreibtischplatte.
Erst schreckt sie zusammen, dann atmet Marinandel erleichtert auf, hebt ihren Kopf und schaut mit tränenverhangenen Linsen aus dem Fenster.
Wischt sich mit dem Handrücken über die Augen.
Die Frühsonne lässt den Schnee auf den Wiesen glitzern, es tropft vom Giebel und den Bäumen hinab.
„’s geht doch um d’ Buchhaltung“, sagt sie mit brüchiger Stimme, die Milch schießt ein und schmerzt in ihren gespannten Wochenbett-Brüsten.
Seine Frau steht auf, streift ihre Hände am Dirndl ab, atmet tief ein und säuselt: „Josef, ‘s geht ums ordnungsgemäße verbuchen wie alleweil bisher.“
Hört das Wimmern des Erstgeborenen in der warmen Stube nebenan.
„’s Kindel weint!“, keucht er wie ein gehetztes Wildschwein in freier Natur. „Will d’ Mutterbrust:“
Marinandel eilt zur Wiege.
* * *
„Mei Alte bringt ‘s netta nit“, sagte er entschuldigend.
„Wie ’s Weiber so sand, wenn ‘s a Kinderl hab’n und säugen.Wie bei d’ Mutterkühen von dei’ Hof.“
Josef nickte.
Er ließ sich rücklings auf das Hotelbett im größeren Nachbarort fallen.
Die Hure machte sich an ihm zu schaffen, hatte arge Mühe, den Verschluss der Krachledernen zu öffnen.
* * *
„Gibt ’s a Problem?“, fragt der Schwiegervater und zwirbelt seinen langen Bart, als er ins Kontor eintritt.
Während seine Schwiegertochter nebenan den Nachwuchs stillt, nicht an ihrem Platz anwesend sein kann.
Sein Sohn hält ihm die Quittung aus dem Ordner entgegen: „Mein Schuld“, flüstert er. „Wollt d’ Hotelrechnung von der Steuer absetz’n.“
Und legt einen Zeigefinger auf seine Lippen. Blickt hinüber zur Wohnstube. „Aber mei Weiberl is’ misstrauisch g’word’n.“
Der Alte klopft seinem Sohn auf die Schulter: „Dann sag ihr, dass a fideler Witwer wie ih, d’ Rechnung verursacht hat.“
„Du nimmst d’ Schuld und Quittung auf di?“, schaute ihn der Sohn ungläubig an.
Der Vater klopfte ihm jovial auf die Schulter; „Des hat mei Vader bei mei Weib, dei Muader, auch g’tan, dös is Tradition.“

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