Von Jochen Ruscheweyh

Ich komm ins Wohnzimmer, Surgeant Submarine hockt feist auf unserem Söffchen, knutscht Steffi und is‘ grad dabei, an ihrer Buchse rumzufummeln, während Flachtitten Carola sein Marine-Hemd aufknöpft.

„Get the fuck out of my flat“, is‘ zwar nicht der ideomatischste Satz ever, aber was anderes fällt mir grad nich’ ein. Die fette Merchandiserin vom Surgeant kommt aus unserer Küche gestiefelt, wo wir – also sie und ich – grad Punchy Joe, das MauMau des Mittleren Westens mit Schwarze Weizen Frühstückskorn Shots gezockt haben, hakt sich bei mir ein und textet mich an: „The Surgeant always gets, what he wants. Come on, show me your Schlafzimmer.“

Ich find‘s irgendwie bezeichnend, dass sie grad das Wort Schlafzimmer auf Deutsch kennt, aber hundert pro hat sie genau wie der U-Boot-Wichser auf meinem Söffchen deutsche Verwandte. Wie ich diese Cosmopo-Pisse hasse. Hey, mein Oppa Heinz hatte ’ne blinde Katze mit Riesenpimmel und hat dauernd Erdnüsse gefressen, ich glaub, ich bin mit Jimmy Carter verwandt.

Der wahre Charakter eines Menschen zeigt sich in Extremsituationen und Steffis soeben mitgeteiltes Jetzt mach doch keine Szene, Woody is‘ doch gar nichts passiert bringt mich zu der Einsicht, dass es was für n Arsch war, ihr zu vertrauen und ’n zweites Mal mit ihr zusammenzukommen.

Der Joey Silvera in mir hat Rat: Komm schon, Wuttke, vergiss die Braut und knall die fette Shirt-Verkäuferin, günstiger kommste da heute nicht dran.

Aber ich hör auch ’ne andere Stimme in mir: Du kannst nichts anderes tun, als abwarten und cool bleiben. Das ist, was dir das Ruby-Orakel rät.

Ich fühl mich wie ’n grad Gehängter, bei dem aus allen Körperöffnungen was rauswill. Aber nee, den Triumpf gönn ich Steffi nich‘.

Also hak ich mich bei Miss Double Idaho aus und marschier zum Söffchen rüber, wo grad der offensichtliche Spring Break ’n Break macht.

Ich hab noch nie jemanden geschlagen, weil, war bisher nich‘ nötig. Trotzdem hol ich aus.

„Come on! Hit me, motherfucker!“, grinst mir der Surgeant entgegen.

Gleichzeitig hör ich Steffis: „Niiiich, Woody!“ und glotz simultan zu ihr rüber.

Das ist der Moment, wo seine Faust in meinem Magen landet, mir die Luft wegbleibt und ich auf den Boden knall. Ich japs mir Sauerstoff durch das Stiefeltritt-Gewitter, das sich über mir entlädt. Und obwohl oder vielleicht grad weil seine Kicks echt Scheiße wehtun, komm ich erneut in so ’n Außerkörper-Erfahrungs-Mood wie neulich bei Ruby beim Paffen:

Ich seh Flachtitten Carola und Steffi wie Bambi und Klopfer im Bochumer Schlachthof dasitzen, während die fette Merchandiserin sich easy in ihrem Körperschatten an unserer Spardose mit dem Pfand-Geld bedient. Was ich so asozial find, dass es schon wieder geil is‘. Durch die Tritte meint der imaginäre Joey Silvera zu mir: Siehste, hättste die Brosche geknallt wie ich gesagt hab, würdste jetzt hier nicht zusammengemetert werden.

Irgendwann hör ich Steffi – und ich hätt mir trotz der Scheiße, die hier grad abläuft, gewünscht, sie würd schreien, aber es ist mehr ‘n Nebenbei Bemerken, klingt zumindest so: „Hör auf, stop it!“

Was mich Jack-in-a-Box reversiv in meinen guten alten Bikini- nee, eher Buitoni-Body zurückkehren lässt. Der Pisser springt wie ‘n Pseudo-Wrestler in Wartepose auf unser Söffchen, wahrscheinlich bereit, mir den finalen Punch zu verpassen.

Flachtitten Carolas labbrige Psyche verkraftet den Showdown to come aber wohl nich‘ und türmt aus unserer Bude. Das wiederum bringt ‘ne völlig neue Dynamik in die Situation, denn der Bundeswehr-Reserve-Offizier von eine Etage tiefer und sein irgendwie-sexueller Mitbewohner stürmen in Nato-Unterwäsche in unsere Bude, jeder ‘ne Knarre am Start. Der Surgeant reißt seine Kack-Arme hoch und quasselt was von Mistake und Tourbus, den er kriegen muss. Nato-Unterhose 1 hilft mir hoch: „Alles klar mit dir, Junge?“, während Hose 2 den U-Boot-Wichser rausbugsiert.

Ich klopf Hose 1 auf die Schulter und sag: „Danke, Chef, ich nehm jetzt meine Nato Pause, ok?“ Dann schnapp ich mir die fette Merchandiserin und zieh sie ins Schlafzimmer.

Und weil Rache-Ficks noch nie was gebracht haben, erklär ich ihr in meinem miesen Englisch, dass jeder Kerl nur ’ne begrenzte Anzahl an Erektionen in seinem Leben hätte, und dass meine schon verplant wären. Alte Nummer, aber immer wieder gut.

Sie hieft ihre Titten gerade und erkundigt sich: „Sure?“

Ich überleg, ob ich sie auf die gezockte Kohle ansprechen soll, entscheid mich aber dagegen und sag, dass sie für immer meine Punching Joe -Queen bleibt, ich ihr aber jetzt ’n Taxi ruf, zum Bahnhof, zum Tourbus oder nach Hollywood, keine Ahnung.

 

Als ich Miss Double Idaho in ’nen weißen Benz verfrachtet hab und wieder hochkomm, is’ Steffi am Aufräumen. So, als wenn grad die alten Wuttkes zum Kaffee dagewesen wären. Ich schnapp mir meine Jacke.

Und sie: „Wo willst du hin, Woody?“

Ich geb zu, die Frage an sich is‘ nich‘ unberechtigt, und klar ich könnt jetzt rumtheatralen: Weg von dir oder Auf‘s Geländer von der Schnettger-Brücke. Aber das würd implizieren, dass mir noch an Kommunikation mit Steffi gelegen wär. Also dreh ich mich um und geh.

„Woody?“

Und als ich schon in Hausflur bin.

„Woody! Bleib hier, lass uns reden. Wooooody, bitte!“

 

Die Night is‘ nich‘ mehr ganz young, hat aber noch soviel für mich übrig, dass ich zu Keishas Bude latsch, von der Straße auf ihre dunklen Fenster glotz und mir zur Selbstkasteiung vorstell, wie mein fetter Gitarrensidekick Schröder Löffelchen hinter ihr liegt. Danach in Selbstkasteiung extraordinary, wie ich selbst Löffelchen hinter ihr lieg.

 

Langsam wird’s hell over Hörde.

 

Aufschieben is homo, also kauf ich Brötchen und watschel zurück. Watschel, weil ich grad feststell, was Amis mit black&blue meinen.

Die Brötchen leg ich meiner hochbetagten Lieblingsnachbarin Melitta Seiffert hin, mal ’n Depri-Smiley und Sorry für den Lärm auf die Tüte.

Dann schließ ich Castel Grayscull auf.

 

Steffi is nich‘ da, die Bude aber top gewienert.

Ich mach Kaffee, als das Telefon klingelt.

„Büro-Pflaume war grad hier und hat dich gesucht, alles ok bei dir, Wuttke?“

Ruby! Mein kleines Wuttke-Herzchen hoppelt sofort drei Freundschaftsschläge schneller, vor allem, weil sie mit Büro Pflaume auf Steffis Haarfarbe anspielt, als wir auseinander waren und Steffi ihren BFA-Chef gedatet hat.

Ich sag: „Nee, nich‘ so wirklich.“

Und sie: „Bist du Zuhause?“

„Äh, ja … ?“, antwort ich, „du rufst du mich ja grad an.“

„Gut, rühr dich nich‘ vom Fleck, ich komm vorbei.“

 

„Also nochmal, nach dem Meet&Greet hat Steffi Submarine angeboten, bei euch zu Hause weiter Party zu machen?“

„Korrekt“, sag ich und verbrüh mir die Lippe am Mocca.

„Und du hast ja gesagt?“

„Na, logo, was ’n ziemlicher Griff ins Klo war, aber was hab ich denn für ‘ne Wahl gehabt, wenn ich nich’ als der Oberunterdrücker und Super-Chauvi dastehen will?“

„Aber irgendwo ist doch auch eine Grenze.“

Sie schüttelt ihren Afro-Pelz und tippt mir gegen die Brust. „Letztendlich ist das aber total irrelevant. Kon Uman bleibt Kon Uman.

„Ja“, gähn ich, „oder Fotze bleibt Fotze.“

Ruby wuschelt mir durch die Haare. „Armer Wuttke, was willst du jetzt tun?“

„Ich hab keinen Plan, Ruby. Aber es wird wohl drauf hinauslaufen, dass ich Steffi rausschmeiß, weil ich liebe diese verdammte Wohnung. Und schließlich is‘ sie zu mir gezogen.“

„Und was ist so mit gemeinsamen Erinnerungen? Meinst du nicht, es wär besser die Hütte zu wechseln?“

Ich sag: „Ich war heute Nacht bei Keisha.“

„Ach, Wuttke …“

„Ich hab nur unten vor der Tür gestand und hochgeguckt.“

„Warum machst du das?“

Ich rück an sie ran, nehm ihre Hand und leg sie auf meinen Kopf, damit sie weiter wuscheln kann.

„Vielleicht wollte ich beides irgendwie abschließen.“

Apropos schließen, ich hör ’n Schlüssel im Schloss.

Zeit für ’n gepflegtes Finale.

 

„Was macht die Schwester von der Schoko-Leichentorte hier?“, keift Steffi los.

Ruby nimmt ihre Hand von meiner Rübe. Ich nehm ihre Hand und leg sie wieder auf meine Rübe drauf.

Dann sag ich: „Du weißt, dass Ruby Ruby heißt und sie is‘ hier, weil wir gerade quatschen. Aber du musst ja nich‘ Guten Tag sagen, ihr habt euch ja heute schon gesehen.“

„Toll, ganz toll“, kommt es von Steffi.

Ich sag den Satz, von dem ich mir nach dem BFA-Gate gewünscht hab, ihn nie mehr sagen zu müssen, aber anders als damals tut er jetzt weniger weh: „Verpiss dich, Steffi!“ Und für den Fall, dass das nich‘ konkret genug is‘, füg ich an: „Ich will, dass du ausziehst.“

„Können wir das bitte ohne sie diskutieren?“

Ruby nimmt ihre Hand von meiner Rübe und sagt: „Ich lass euch jetzt mal allein.“

Und Steffi: „Ja, hau ab, seitdem du und deine Scheiß Schwester aufgetaucht sind, gibt‘s sowieso nur Ärger.“

Und Ruby: „Sagt die, die sich von Nazi-Navigator-Herrmann auf ihrer Couch fingern lässt. Komm mal klar, Alte.“

Steffi holt aus wie ich heute Nacht, nur mit dem Unterschied, dass Ruby ihren Arm packt und sie anfarzt: „Pass mal auf Sister, dass hier nicht gleich ein H‘akzident passiert.“

Steffi guckt zu mir und diesmal is‘ es mehr ‘ne Mischung aus Hilflosigkeit und Verzweiflung, die unter dem „Woooody“ liegt.

„Weißt du, was mich am meisten abfuckt?“, nimmt Ruby sich Steffi vor, „Dass ich Wuttke gesagt hab, er soll relaxen, und dass du nicht so bescheuert wärst, auf Submarine-Groupie zu machen. Aber du … du … verfickte Misses … du hast den besten Mistah der Welt, und weißt das nicht zu schätzen!“

Steffi taumelt gen Söffchen, als Ruby sie wegschubst.

„Wenn du Hilfe brauchst, ruf an Wuttke“, meint Ruby, drückt mir ’n Knutscher auf die Stirn und verlässt Castle Grayskull.

 

Mit einem Mal is‘ es still. Und irgendwie kalt. Arschkalt.

 

100 Jahre später und aus Sibirien: „Ich hab’s ein für alle Mal verkackt, oder Woody?“

Statt was zu sagen, fang ich an zu heulen.

Steffi kommt zu mir rüber und hält mich fest und ich sie.

Dass es weniger weh tut, is‘ gelogen gewesen.