Von Jochen Ruscheweyh
Bassisten sind Poser, hat schon Evil Chuck gesagt.
Hatte ich ja schon mal erwähnt.
Was aktuell echt passt, weil mein bester Freund und Basser Teschke heute Delay angekündigt hat, weil er Pass-Pics machen lässt. Wir können aber trotzdem nix vorarbeiten, weil Pavarotti sein Mikro hat irgendwie ‘n Wackligen am On/Off-Schalter.
Jedenfalls hocken der Buden Kurt und er jetzt schon ‘ne gefühlte Stunde im P-Raum über Kurts Service-Tasche – der alte Scout-Tornister von seinem Neffen – und suchen O-Ton ‘n schlitzverstärkten Kreuz-Schlitz-Schraubendreher.
Schröder fischt sich ‘n neues Aufwärm-Stifts aus‘m Kasten – logo, wir würden nie ’n anderes Pils zum Vorglühen nehmen -, schlurft dann zu seinem Marshall zurück und wiggelt irgend‘ne pseudo-intellektuelle Zwölfton Grütze auf seinem Griffbrett runter.
Ich sag: „Ey, ich mach jede Wette, dass der Schönberg sich vor Lachen bepissen tät, wenn der wüsste, dass Birnen wie du sein Zeug nachspielen, was er sich irgendwann mal mit verstrahlter Rübe ausgedacht hat.“
„Ist aber gut, um die Finger weich zu kriegen“, pariert Schrö.
„Ein XL-Mottek auch“, kommt’s von hinter den Drums, wo Beckmann seine Fußmaschinen mit Balistol ertränkt.
„Ey, wat weißt du Student denn von Motteks?“, meldet Pavarotti Allein-Kompetenz an.
Und Beckmann: „Aha, du bist dann wohl sowas wie der David Hodo des Power-Metal!“
Woraufhin Pavarotti aufspringt, an seiner Buchse rumfummelt und brüllt: „Ey, ich bin kein Homo, willste ma meinen Riesenschwanz sehen?“
Von der Pimmelgröße auf die sexuelle Orientierung zu schließen, is‘ auch wieder so‘n Intellekt-Ding, was nur der Pave-Man raushauen kann.
Ich hab absolute Minus-Böcke drauf, dass Pavarotti sein Käsegemächt helicoptern lässt, weil wir mit den Fishers Sisters zwei Girls im P-Raum sitzen haben, von denen eine – Ruby – meine allerbeste Kumpeline, und die andere – Keisha – ’n psycho ex-three-week-stand von mir is‘, der mich fast meine alltime Beziehung mit der besten Steffi der Welt gekostet hätt.
Man muss der Sache nur ‘n shaky Namen geben, dann klingt‘s nicht ganz so hollywood-kacke wie Größter Fehler meines Lebens.
Und auch wenn Keish jetzt aus reiner Berechnung mit Schrö rummacht, würd ich nich‘ so weit gehen, ihr Pavarottis One Man Show zumuten zu wollen.
Also sag ich: „Ey, Pavarotti bleib mal smart, David Hodo is‘ ‘n ziemlich bekannter Bauarbeiter aus den Medien.“
… und Sänger bei Village People lass ich aus strategischen Erwägungen weg.
Der Pave-Man nuschelt was davon, dass Ringo – womit er Beckmann meint – nochmal die Kurve gekriegt hätt, aber verdammt aufpassen sollt, weil zwei Beatles ja schon erschossen worden wären.
Und steckt seine Kackrübe wieder in den Scout-Tornister, auf der Suche dem schlitzvergralten Kreuzschrauber.
Der Buden Kurt fünf Minuten später, während die beiden immer noch im Tornister kramen: „Warum zwei Beatles erschossen?“
Darauf Pavarotti: „Ey, watt soll die Kackfrage denn? Hab ich die vielleicht abgeknallt?“
Mir is‘ das echt ‘ne Nummer zu beknackt zum Kommentieren, zumal Schrö immer noch seine Zwölfton Riffs runterknuspert, was mich irgendwie total mürbe inner Birne macht.
Statt ihn anzufarzen, schnall ich meine Charvel ab, und quetsch mich zwischen die Fisher Sisters auf‘s Söffchen, weil ich weiß, dass das Schrös Eifersucht-o-Meter hundert pro in den blutroten Bereich treibt und ich mittlerweile ja auch über der Keisha-Sache steh. Also relativ jedenfalls.
Ich setz noch einen drauf, indem ich Ruby ‘n Kumpelknutscher auf die Wange press, mich dann zu Keisha umdreh, und sag: „Ach nee, geht ja nicht, du bist ja jetzt die offizielle Rasta-Heidi vom Zwölfton-Zupfgeigen-Toni.“
Das is‘ ’n verdammt platter und unwitziger Joke, aber hey, Mut zur humoristischen Lücke!
Keish stöhnt und guckt weg.
Schrö switcht seinen Amp auf Stand By und lehnt seine Flying V an die Wand, läuft dann wie der Pawlowsche Pudel rum, wenn Pawlow grad scheißen is’ und kann sich als Übersprunghandlung noch nich’ mal ’n Stifts aufmachen, weil er schon eins aufhat.
Beckmann hat Klärungsbedarf: „Welcher Beatle ist denn deiner Meinung nach noch erschossen worden außer John, Pavarotti?“
„Na, McCartney, der Lutscher.“
Beckmann bläst ‘ne Grasschwade an die P-Raum-Decke und fragt: „Woran machst du das fest? Also, rein empirisch.“
Der Pave-Man grinst debil, als er plötzlich den recht unspektakulär aussehenden Schrauber in die Luft hält, und haut raus: „Na, hast du schon ma ‘n aktuelles Album von dem inne Shops gesehen?“
Das Fisher Girl, mit dem ich echt auf Wellenlänge surf – Ruby – , meint: „Tja, Wuttke, schreib mal besser ’ne Hit-Single, sonst liegste schneller mit ‘ner Kugel im Kopf im Hoetger Park, als du denkst.“
„Oder du verwahrst dir deinen Scheiß-Hit für dein ockerfarbenes Kack-Album“, sarkastelt Keisha – was zugegebener Maßen ziemlich witzig is’, was ich aber aus Prinzip niemals zugeben tät – quetscht sich aus dem Söffchen raus und hoch und farzt Schrö an: „Wenn ihr eh nicht probt, können wir auch abhauen, oder?“
Schrö hasst es, wenn ihm jemand vorschreiben will, wann er zu proben hat und wann nich‘, is‘ aber Stiefellecker genug, um zumindest pro Forma beim Pave-Man nachzuhören: „Ey, Pavarotti, wie lange braucht ihr ’n noch?“
Der kommt aber nich‘ dazu, was zu sagen, weil die P-Raum Tür auffliegt und Mickey mit zwei Perlen im Arm reinstiefelt: „Na, ihr Fotzer, alles grete?“
„Ah, Fuck!“, grunzt Pavarotti, „der hat mir getz auch noch gefehlt.“
Klar, seit Mickey nich‘ mehr den Band- und Equipment-Kutscher macht, is‘ er beim Pave-Man unten durch, hatte ich aber glaub ich schon mal erwähnt.
Und Beckmann: „Willst du uns deine charmanten Begleiterinnen nicht mal vorstellen, Mickey?“
Darauf Mickey: „Ey, ich mach auch ‘ne Band auf. Wir sind die Spice Pearls. Das“ – er zeigt auf die Gestörte links neben sich in der Gymnastikbuchse, die sich ‘n Single-Käsekuchen-Snack von der ARAL-Tanke reinmetert – „is‘ Sporty Spice, und sie hier“ – sie hier glotzt nich‘ minder beknackt und trägt zu allem Überfluss noch ‘n rotzgelben Knister-Jogger – „is‘ Posh Spice. Geil, was?“
Beckmann gibt sich besorgt: „Dann bist du ja sowas wie die Stock, Aitken und Waterman des Metal in nur einer Person. Respekt, Alter! Trotzdem solltest du dir schnell die Namens-Rechte sichern, sonst hat dir spätestens 1994 jemand das Konzept geklaut. Vielleicht sogar McCartney, ach nee, der ist ja erschossen worden.“
Und Mickey: „Häh, wann das denn?“
Dem Buden Kurt is‘ es tatsächlich gelungen, die ausgenudelte Mini-Schraube zu 99% rauszudrehen. Blöd nur, dass Pavarotti grad jetzt aufspringt, um Mickey ‘ne verbale Breitseite zu verpassen, und die Schraube dabei in bester Laurel&Hardy-Manier hinterm Söffchen landet.
„Ey, wat weiß ich denn?“, prescht der Pave-Man los, „wenn‘s dich so brennend interessieren tut, dann dackel mit Torty Spice und Post Spice inne Stadtbücherei und guck nach.“
Keisha wirft Schrö den Letzte Chance – Blick zu.
Und Schrö: „Ey, sorry, Pavarotti, aber keiner hier außer dir glaubt, dass Paul McCartney erschossen worden ist. Und ich hab auch noch was anderes zu tun, als drauf zu warten, dass du dein Equipment an den Start kriegst. Hättste dir mal ‘n vernünftiges Shure Mikro gekauft und nich‘ diese Nippon-Kacke mit Weichteilrheuma-VA-Schrauben …“
Sagt der Lead-Klampfer, der chronisch pleite is‘.
Pavarottis Halsschlagader pumpt schon gut: „Ey ich komm mir hier bald vor wie inner verfickten Twillight Zone, wat? Ihr seid alle Kollektiv-Rumlüger, obwohl ihr wisst, dass der kaputt is‘, der McCartney.“
Beckmann kann nich‘ aufhören: „Meinst du vielleicht McCarthey, Pavarotti? Wobei, der ist nicht erschossen worden, und der war auch nicht in einer Band, also, zumindest nicht im musikalischen Sinne.“
„Helter Skelter ist ein guter Song“, kommt es vom Buden Kurt halb unterm Sofa vor. Seine Kriechbewegung bewirkt freien Blick auf seine fies behaarte Bauarbeiter-Spalte, um die rum sich kleine Alte-Männer-Schweiß-Tröpfchen gesammelt haben.
„Weißte, was ich euch immer nochmal für eure Gigs häkeln wollte, Wuttke? Kennste diese Tropfenstopper am Band für Teekannen?“, stuppst mich Ruby an, als sie sieht, wie ich Kurts Spalte visuell fixier.
Keisha – inzwischen galaktisch abgenervt – zwängt sich an Torty Spice vorbei. Und die: „Hey, lass das, ich steh auch hier!“ Keine Ahnung, was sie damit sagen will, weil Keisha geht ja und nur sie steht.
Keish dreht sich um und meint: „Friss Kuchen und halt die Fresse!“
Dann steht Teschke plötzlich in der Tür und frohlockt in seiner natürlichen Basser-Verpeiltheit: „Hallo zusammen! Oh, wie schön, wir haben Besuch. Ich hab süße Teilchen mitgebracht, wenn wir die Stücke teilen, reicht es für alle.
„Außer die Erschossenen“, fügt Beckmann hinzu.
„Ey, jetzt platzt mir aber gleich die Gesäßschnur“, brüllt Pavarotti, „Teschke, du tust dich auskennen: Die scheiß Beatles: George, John, Ringo und Paul. John hat sich ‘ne Kugel eingefangen, richtig? Und Ringo, Paul und George schwulen irgendwo in England rum.“
Teschke darauf: „Äh ja … und?
„Nix und! Und dat is‘ nämlich der Punkt, dat ich dat die ganze Zeit predige und mir niemand glauben tut.“
„Nee, schon klar, Pavarotti“, feedbackt Beckmann – geiles Wortspiel by the way – , „du bist halt Sänger und Profi in Sachen Sprache. Und wir Laien interpretieren da immer was rein, was du nicht gesagt hast.“
Der Pave-Man fühlt sich offensichtlich extremst verstanden und angenommen, auch wenn Beckmann ihn grad 1A verarscht und prostet symbolisch mit seinem Stifts in die Runde.
In ’ner Band zu spielen, heißt permanenter geistiger Ausnahmezustand und auch Proben wie die hier durchzuziehen, um das höhere Ziel der metallischen Transzendenz zu erreichen.
Vielleicht hätt Pavarotti Politiker werden sollen oder Promotion-Kasper bei ‘nem Wohlfahrtsverein. Aber egal wie beschissen oft er seine Meinung ändert, er bleibt halt’n geiler Shouter. Und McCartney? Ich hoff mal, dass er nich‘ erschossen wird und keine Ahnung, vielleicht schlägt ihn irgendjemand ja sogar mal zum Ritter, bevor dieses verfickte Jahrhundert vorbei is‘.