Von Jochen Ruscheweyh

Im P-Raum is‘ es arschkalt. Teschke, Schröder und ich hängen um so ’n abgewrackten 70er-Jahre Stromradiator drumrum, der uns mit konstanter Regelmäßigkeit die Hauptsicherung raushaut.

Nachdem Schrö zum vierten Mal mit seiner Flying V das Griffbrett von meiner Charvel geschrammt hat, sag ich: „Ey, komm, das is‘ doch Kacke so.“

Pavarotti, der unter seiner Kutte nur ’n semi schwules prä-80er Netzhemd trägt, kontert von der Band-Couch: „Wat seid ihr bloß für Pussies? Könnter nich‘ ma ‘n bisken Januar vertragen? Als ich noch im Hafen …“

„Ey, die Story nervt, Pavarotti“, fall ich ihm ins Wort.

„Prinzipiell is‘ dat bei mir so …“, fängt er nochmal an.

„Dass dir nix außer ‘ner gepflegten Kap Hoorn-Umseglung steife Nippel macht. Auch der hat ‘n ZZ-Top-Bart“, unterstützt mich Schrö.

Pavarotti schraubt an seinem Mikro rum, als wär da ‘n cooler Strike-Back-Spruch drin. Is‘ aber irgendwie nich‘, also nimmt er alternativ ‘n Hieb von seinem Stifts – logo, wir würden nie ’n anderes Pils diesseits des Gefrierpunkts ansaugen.

Die P-Raum-Tür geht auf und Beckmann kommt rein, beschuht mit zwei Yeti-Moonboots.

„Cool“, kommentiert Pavarotti, „sieht voll so aus wie die Albino-Chinchillas von meine Tante ausse Zone.“

„Du meinst Chihuahuas“, korrigiert Teschke und stimmt seinen Bass nach.

„Is‘ doch latte, von mir aus auch Chivas Regal, aber hasse ma auf‘n Tacho geguckt, Beckmann? Noch fünf Minuten und wir hätten dich durch so ‘n Uff-Tschack-UffUff-Tschack-Japaner ersetzt“, erklärt der Pave-Man.

Beckmann hockt sich hinter sein Kit: „Klar, und den programmierst du, Pavarotti, weil du ja sowas wie der Bill Gates der Drum-Pattern bist.“

„Dat, wat du Fotzgesicht dir da zusammentrommelst, auf jeden Fall“, kommt es von Pavarotti zurück.

Ich sag nochmal: „Ey, kommt, schichten!“

Aber Pavarotti zu uns: “Alter, ich hab so wat von ’ner top-porno Idee, da kriegste ‘n Ständer von hier bis Breschnew.“

Irgendwie hat scheinbar keiner Böcke, Pavarotti zu erhellen, dass man ‘ne Gruppe nich‘ im Singular anspricht und er wohl Breslau meint, wie auch immer, der Pave-Man quatscht einfach weiter: „Ich geh runter anne Fonze und tu ‘n paar Leute anrufen, dann is’ der Bunker fix so voll wie anno 39 und dat wird mega kuschelig von wegen Abwärme und so.“

 

‘ne dreiviertel Stunde später sind Micky, Buden-Kurt mit seiner Ex-Ollen (die hinkende IG-Metall-Postbotin), drei von den Perlen, die O-Ton Pavarotti er gerne als Background Sängerinnen in die Band holen will, damit sie sich gegenseitig im Beat an ’n Titten nuckeln, Beckmanns Gras Connection Elsa, die Altrocker Hippiecombo aus der dritten Bunkerebene, Falko Unterarm (der Drummer von Unterarm-Diktator), zwei verstrahlte Jungs, die zusammen mit Pavarotti die Krankenpflegerumschulung abgebrochen haben, BritpopTapingLegende-Frankie und die Fisher-Sisters plus Keishas OnOff-Boyfriend Kalki am Start und fünf Kästen Stifts. Logo, Kurt würd nie ‘n anderes Pils von seiner Bude bei uns in ‘n Proberaum – Vorsicht: Monsterkalauer – export(ieren).

 

Nochmal ‘ne halbe Stunde später nimmt mich Pavarotti zur Seite: „Siehsse, Wuttke, wie 1a mein Plan aufgehen tut? Hot wie im Putentory hier drin!“

Erwähnte ich schon mal, dass der Pave-Man auf große Gesten steht? Ich lass also unerwähnt, dass er wohl eher das Fegefeuer – also Purgatory – meint als Federvieh mit Hang zur Britischen Krone, klopf ihm weltmännisch as weltmännisch can be auf die Schulter und sag: „Good Boy! Was hältste davon, wenn wir jetzt unser komplettes Set runterrotzen?“

 

Ich bin immer wieder geflashed, wie geil sich der Sound verändert, wenn die Hütte voll is‘.

Pavarotti quakt grad irgend ’n Schwachsinn in sein Mikro von ‘ner soliden Fan-Base, die heute gekommen wär um den Gods of irgendwas Tribut zu zollen, als ich realisier, dass Keisha sich durch das Drängen und Schieben nach vorne gequetscht hat und nur ‘ne Armlänge entfernt von mir steht. Ich glaub mehr aus purer Gewohnheit rutscht mir mein kleines Wuttke Herzchen in die Buchse, weil rational gesehen bin ich mit Keish fertig. Zum einen is‘ es definitiv ‘n Fehler gewesen, was mit ihr anzufangen, als Steffi und ich auseinander gewesen sind. Zum anderen hat sie mich bei unserem Greco-Band-Trip grandios hängen lassen. Und zum Letzten is’ sie ’ne miese kleine selbstsüchtige Gruftie-Perle, die … fuck! auch heute wieder so super süß und anknabberwürdig aussieht wie ‘ne Lindt-Schoki in ‘ner Geschenkbox. Normalerweise gibt‘s nix Abtörnenderes, als wenn Perlen irgendwelche Schlangenbeschwörungs-Dance-Techniken zu Thrash-oder Power Metal praktizieren, aber das, was Keisha da grad vor mir abzieht, is‘ wie ‘ne visuelle Verlängerung des Riffs in E-Harmonisch-Moll, das Schrö und ich gerade oktavenmäßig versetzt am abfackeln sind.

Dann metert Beckmann plötzlich alles mit seiner beschissenen DoubleBass zu und der großartige Moment is‘ funito.

Gone.

Final Curtain.

Schwanensee ohne Schwan.

 

Wir sind durch und ich saug ‘n Stifts mit Falko Unterarm – logo, ich würd nie ’n anderes Pils im Dialog mit Fremd-Drummern in ’ner Hand halten – jedenfalls, Falko, der wieder bunt illustriert auffächert, wie er seinem schwachsinnigen Gitarristen Lasse die letzten Proben zur Hölle gemacht hat. Was mir sonst Mega-Lachkicks beschert, touched mich heute irgendwie nich‘ so richtig, weil ich immer noch an Keishas Privatvorstellung vor mir denken muss. Ich steiger mich irgendwie in meinen geistigen Leerlauf rein, als ich mit einem Mal meinen besten Freund und Basser Teschke, die reinkarnierte Stimme der Vernunft, sagen hör: „Schade, dass Steffi und Babsi nich‘ hier sind …“

Und keine Ahnung vielleicht is‘ es irgend ‘n tugendhafter westfälischer Grubenadler oder von mir aus auch Pavarottis konservativer Putentory, irgendwas schlägt mit seinen Flügeln und lupft den imaginären immergeilen Joey Silvera von meiner Schulter, bevor der mir seine pornologische Situationsanalyse einhauchen kann. Aber vielleicht hat’s auch ‘n bissi damit zu tun, dass sich grad der Proberaum-Crowd biblisch wie das beschissene Tote Meer teilt und ich beobachten kann, wie Keish und Schrö ziemlich nah zusammenstehen. Irgendwo hör ich den Buden-Kurt fragen, ob jemand Karin, seine Ex-Olle, sorry, Verlobte gesehen hat. Keine Ahnung, warum er die mitgeschleppt hat. Die war schon immer monster-strange.

 

Meine Denke wird jäh durchbrochen, als einer von den Althippies sich Schrös V schnappt und „Magic Carpet Ride“ anspielt, was recht amtlich klingt, dafür dass er kein Steppenwolf ist. Der Shouter der Combo hat plötzlich Pavarottis Mikro und erklärt in bester Animateur-Tradition, dass sich alle, die mit auf den Trip wollen, auf unseren versifften Pseudo-Orient-Teppich stellen müssen. Sofort setzt ‘n vollkommenes Gewusel ein, dem ich mich nich‘ entziehen kann, weil ich eh schon auf dem bekackten Teppich steh und irgendwie umringt werd. Ich merk, wie mich zwei mächtige Arme von hinten umschlingen. „Komm, Wuttke, sei kein gadfly, mach dich mal locker.“

„Ey, ich bin keine Spaßbremse, ich bin nur grad ‘n bissi genervt, Ruby“, quatsch ich gegen das Wolf-Geriffe an. Den zweiten Teil des Satzes weil deine Schwester Keisha ‘n maxi Arsch sein kann spar ich mir, denn Ruby ist zwar meine allerliebste Kumpeline, aber Verwandtschaft is‘ nun doch noch mal ‘ne andere Connection.

Sie scheint meine Gedanken zu ahnen, biegt ihren Rasta-Kopf so nah wie geht an mein Ohr und trichtert mir entgegen: „Dina war eine Princess, die jeder wegen ihrer Schönheit und Anmut bewunderte. Sie merkte früh, dass ihr Dad, der Kalif, ihr keinen Wunsch abschlagen konnte, wenn sie ihm aus ihren smoky eyes entgegen blinzelte. Und was beim Kalifen ging, war erst recht bei den normalen people möglich. Ihrer Sister Dahlia hingegen gab der Kalif jedes Mal ein Sesambrötchen, wenn er Dila einen Wunsch erfüllte.“

„Ey, Ruby, was soll das?“, unterbrech ich sie.

„Shut up und unterbrich mich nicht, wenn Jah durch mich spricht. Als es an der Zeit war einen Hubby zu finden, gab es niemanden, der gut genug für Dina war. Ihre Sister Dahlia musste mit ansehen, wie sie einen um den anderen dizzy machte und sie dann … in den ass trat. Irgendwann nahm Dahlia Dina zur Seite und sagte: Warum bist du nicht dankbar, für das, was du hast? Warum suchst du dir immer neue Männer? Und Dina antwortete: Du verstehst das nicht, weil du nicht bist wie ich.“

Ich hab null Plan, was sie oder Reggae-Gott-Jah damit sagen wollen und sag: „Ey, Rub, ich hab Null Plan, was du mir damit sagen willst.“

„Da musst du Jah fragen. Komm wir gehen raus, ich bau einen.“

 

Wir stehen im Flur, ich lass die Asche von Rubys Monster-Joe zwei Etagen tiefer rieseln und geb ihn an BritpopTaping-Frankie weiter.

Die Althippies haben ausgewolft.

Stille und wenn’s nich’ so beschissen kalt wär, wär’s echt fast flockig woodstockig.

Auf der dritten Bunkerebene geht Licht an.

„Ich krieg nächste Woche ein neues Pult, wir sollten mal wieder was tapen, Wuttke!“, meint Frankie.

„Wär cool, wir haben vier, fünf neue Sachen am Start“, sag ich.

Der Buden-Kurt kommt aus der P-Raum Tür: „Hat jemand von euch Karin gesehen?“

„Die eine, die das Bein nachzieht?“, erkundigt sich Frankie, „die war schon vor ‘ner halben Stunde gut abgeschossen.“

Ruby reicht mir den Joe: „Wuttke, versprich mir, dass du heute nicht noch irgendeinen Bullshit anstellst.“

Ich leg meinen Kopf an ihre Schulter – kenn ich eigentlich noch jemanden, der so groß und kräftig wie Ruby is‘? – und sag: „Ey, Rub, wie kommst du drauf?“

Und sie: „Das hat Steffi echt nicht verdient.“

Ich stutz, weil das original Mickys Spruch gewesen is‘, bevor ich bei Keisha gepennt hab. Muss der Joe sein. Ich blinzel und guck nach oben zur dritten Bunkerebene, wo Karin, Buden-Kurts-ex-Dingens auf die Mauerbrüstung steigt, die Arme ausbreitet und schreit: „Ich bin eine Flying V, ich kann fliegen!“ und dann segelt Schrös Reissue 58er Korina Gibson an uns vorbei dem Bunkererdgeschoss entgegen und es gibt nix, was den hässlichen Aufprall verhindern kann.

Ich zieh mich an Ruby hoch und sag: „Jah is’ ab heute Kumpel, der kann bleiben.“