Von Jochen Ruscheweyh

Probe eins, nachdem vier Fünftel dieser beschissenen Kack-Band, in der ich zufällig Axt-Mann und Hauptsongwriter bin, ’ne ziemlich falsche Entscheidung getroffen haben. Nämlich Keisha Fisher als Shouterin in die Band zu nehmen, solange unsere Original-Voice Pavarotti Gesangsverbot von seinem Dr. Chekowski oder wie der Typ heißt, verordnet bekommen hat. Ach nee, Chekov‘ is‘ ja der Star Trekk Fraggle und wir machen ja auch in Metal und nich’ in Sternen-Fickulinski oder was Kirk und Spock da immer am tun dran sind.

 

Ey, das Ding is’ doch, dass du ganz anders in ’ne Probe reingehst, wenn du Perlen in der Band hast. Logo, hängen ganz oft welche bei uns im P-Raum ab, also Perlen, und noch mehr logo quatschen wir dann alle genau so aso wie sonst. Wenn du aber ’ne Perle inner Band hast, dann willst du, dass die sich irgendwie home und welcome fühlt, also fängst du an, deine Sprache zu kastrieren und das is’ der Anfang vom Ende.

Schwarzes Loch, Antimaterie und dann reißt sich auch Lieutenant Uhura ihren Hör-Heinz aus den Löffeln, um im Space-Kontext zu bleiben.

 

Ich sag: „Ok, wie is’ der Plan?“

„Äh, was für ein Plan meinst du?“, will Schröder wissen, während er sich auf seiner Flying V warmrifft.

„Naja, irgendwie war es ja deine Idee mit Keisha, deswegen wärs ja auch irgendwie  logo, wenn du ’n Plan hättest, wie wir starten mit Set draufpacken.“

„Ach so, lass mal irgendwie probieren … so .. du weißt schon … Beckmann zählt vor und dann gib ihm.“

„Ah, ok, na, wenn du meinst …“

„Ey, Wuttke, man kann auch Sachen kaputt reden!“, hält mir Mister Fliegendes Vau vor.

Ich fitsch mir ’n gefrostetes Stifts aus’m Kühli. Logo, ich würd nie ’n anderes Pils aufplöppen, wenn ich grad Sachen kaputt geredet hab.

 

Die Prinzessin von Jamaica und ihrem Auftreten nach von gefühlt zehn anderen Inselstaaten kommt dann auch erstmal konsequent anderthalb Stunden zu spät. Und muss natürlich als erstes ’n Kaffee haben.

Ich sag: „Ey, kannste den nich’ später zieseln und wir fangen jetzt mal an?“

Ausgerechnet mein bester Freund und Basser Teschke wird zu meinem persönlichen Brutus, als er meint: „Ach was, Keisha, komm erstmal an, wir freuen uns, dass du uns unterstützt. Brauchst du Milch und Zucker?“

Und Beckmann hinter seinem beschissenen Drumkit: „Ja, chill mal, Wuttke, oder bist du jetzt so was wie der Speedy Gonzales des Speed-Metal?“

„Noch schärfer als deine ungewollten Synkopen machen mich deine redundanten Redundanzen“, lass ich den Penner abblitzen. Keine Ahnung, wo ich das mal gelesen hab, aber sicher nirgendwo, wo Beckmann seinen Gumpen reinhält, also lesemäßig.

 

Nochmal ’ne Viertelstunde später bindet sich Keisha ihre Dreads zusammen und meint: „Ok, wie ist der Plan?“

Und ich: „Frag Schrö, der hatte sich was überlegt.“

Darauf Schröder: „Ja, wie, ich dachte, wir hätten gesagt, dass wir … also, was wir jetzt genau …“

Keish guckt endgenervt und hockt sich auf’s Söffchen.

 

In ’ner Metal-Band zu spielen is’ Krieg, falls ich das noch nich’ erwähnt hab und im Krieg is’ so ziemlich alles erlaubt, solange man am Ende gewinnt.

Also sag ich: „Hey, Keisha, ich fänd’s irgendwie kacke, wenn wir dich als erstes mit irgend ’nem Song von uns geißeln täten, lass uns doch zusammen erstmal was Neues schaffen, bevor du dir unser Set draufpackst. Ich hab hier ‘n paar ziemlich porno Riffs am Start, die deiner Stimme extrem schmeicheln täten. Haste Bock, mal was dadrauf zu probieren?“

Schrö hebt die Hand, als wollt er irgendwas anmelden.

Ich sag: „Is’ was, Schröder?“

Er überlegt ’n Moment zu lange, weil Princess Keish schon entscheidet: „Ich denke, das ist eine gute Idee, ich mag sie. Also, lass hören.“

Weil ich echt der Arsch bin, für den manche mich halten, hab ich die komplette letzte Woche damit verbracht, ’n Song zu schreiben, bei dem Keish all das abrufen kann, was mich an ihrer Stimme so geflasht hat, als ich neulich das Tape gehört hab. Und gleichzeitig sind die zweistimmigen Melodie-Parts so hyperkomplex, dass Schrö 100 pro dabei abkacken wird, obwohl er eigentlich ‘ne ziemliche Kapier-Granate is‘.

 

„Hammer“, kommt es von Beckmann anschließend und Teschke attestiert LP-Qualität, was mir normal was bedeuten tät, ich aktuell aber nur minus ernst nehmen kann, nach den Arschloch-Nummern vor ’n paar Minuten. Stattdessen bohr ich meinen Gitarren-Sidekick Schrö an: „Und Alter, wie fühlt sich das für dich an, so vom Groove her?“

Wenn Schrö jetzt irgend’ne verwarzte Comic-Figur wär, würd über seinem Scheiß-Kopp grad ’ne dicke Gewitterwolke hängen und ’ne Gedankenblase mit Brummel oder Grrrrmpf drin, aber leider is’ er nur ’n adipöser Spacko mit ’ner verschrammten Gibson um den Hals und daher fällt ihm nix Kreativeres ein als: „Naja, geht so, also grooven tut das für mich Null.“

Sagst, reißt ’ne Maxi-Tüte-Aldi Chips auf, stopft sich fast ’ne ganze Hand davon ins Maul und kaut aggressiv in meine Richtung.

Ich geh mal davon aus, dass das irgend’n Neandertal-Ding is’, was mir signalisieren soll: Hände weg von meiner Perle. Was aber angesichts Schrös eh schon maxi Bauchumfang mehr so rüberkommt wie Frankfurter Kranz Wett-Ess-Battle bei Senioren-Konditorei Mösenhuber.

Keishs Blick bekommt diesen Fremdschäm-Touch der Fischer-Sisters, den ich von ihrer Schwester Ruby nur zu gut kenn.

Ich setz noch einen drauf und sag: „Ey, komm Schrö, das Opener Riff is’ ’n super heavy Downstroke-Monster, sowas liegt dir doch immer voll.“ Weil ich natürlich weiß, dass von oben anschlagen sein Yogurette-Ding is’, Wechselschlag für ihn eher Fair-Trade-Schoko mit 99% Kakaoanteil. Wobei ich nich’ erwähn, dass in der Mitte ’ne mega üble Taktverschiebung kommt, die mich zwei volle Tage Üben gekostet hat.

Und er: „Ach, is’ doch eh immer dieselbe schwule Scheiße, du kommst hier mit fertigen Sachen an, und wir müssen dann zocken, was der Herr Graf sich in seinem Salon zusammengefriemelt hat.“

Caesar-Mörder Teschke wischt seinen Bass-Hals mit seinem Schnuffeltuch trocken und erklärt dann Linus-like: „He, komm, Schröder, das ist jetzt aber etwas unfair.“

Da es in meinem Universum voll ok is’, auch mal beste Freunde anzuzicken, besonders, wenn sie einem Grund dazu gegeben haben, halt ich dagegen: „Oberflächlichen Dank an die Abteilung Tiefton, aber ich kann meine Konflikte selbst lösen.“

Beckmann macht das, was er immer macht, wenn ihm nix Geileres einfällt und spannt seine beschissene Snare-Kette.

Jetzt wär der optimale Augenblick, dass die P-Raum-Tür aufgeht und Frau Gott irgendjemanden schicken tät, der etwas positive Dynamik in die vertrackte Situation reinbringt, weil eins is’ save: ich werd nich’ zurückrudern.

Und als ob meine Denke psychochinesisch, kinetisch or whatever is’, geht tatsächlich die Tür auf und Mickey, unser Bandkutscher, entert den P-Raum, wie immer in Begleitung von drei aufgebrezelten Sonderschulabbrecherinnen, die jetzt 100 pro ’n hochdotierten Boutique-Job haben. „Na, ihr Fotz … oh, die Schoko-Leichentorte, äh, hey, Keisha“, korrigiert der Mick-Man seine Begrüße.

Wie’s in jedem guten Katastrophenfilm einen gibt, der sich vor’n rückkoppelndes Mikro stellt und irgend’n Dünnpfiff mit „Hey, Leute alle mal herhören …“ einleitet, reklamiert Teschke die Rolle heute für sich und schlägt vor, alle gehen mal an die frische Luft und lassen Keish und mich alleine. Und ebenso katastrophenfilmoresk wie magnetisch latschen alle dem als ersten Verschwindenden – in unserm Fall Beckmann – hinterher. Wahrscheinlich neuro-bekloppte Programmierung.

 

Weil ich eben nich’ der Arsch bin, für den mich viele halten oder grade, weil ich doch der Arsch bin, für den mich viele halten, sag ich, als Keish und ich allein sind: „Ey, Keisha, lass uns mal alles, was gewesen is’, vergessen und so tun, als würden wir einfach nur Musik zusammen machen wollen.“

Sie kommt auf mich zu und umarmt mich. Und ich will die Umarmung kacke finden, aber das funktioniert irgendwie nich‘, weil sie sich warm, großzügig und weich anfühlt. Gleichzeitig geh ich unsere bizarre Love/Hate-Blumenkette gedanklich durch und stell fest, dass ich Schrö weh tun will. Wenn ich das mach, indem ich mich auf was Neues mit Keish einlass, tu ich auch der besten Steffi der Welt weh, was ich auf keinen Fall will. Keish will mir einen mitgeben, indem sie mit Schrö rummacht, der ihr emotional wahrscheinlich ziemlich latte is‘. Schrö will mir zeigen, dass er genau so‘n Bandleader sein kann wie ich und ‘ne Ex von mit klarmacht und meint mich zusätzlich mit der Keisha wird Sängerin bei Deathtroja – Nummer vorführen zu können.

Das ist alles mega mega krank.

Keish fährt mit ihrer Wange an meiner lang, bis sich unsere Lippen fast berühren und stellt mit einer Stimme, für die flüstern, wispern oder hauchen kalte Beschreibungen wie ihn Maschinensprache wären, die eine Frage: „Und was wäre, wenn ich dich jetzt küssen würde?“

Auch wenn ich dieses Szenario schon zig mal gedanklich durchgegangen bin und versucht hab, mich hart zu machen, könnte sich Beamen und vom Transporterstrahl falsch rematerialisiert zu werden grad nich‘ mieser anfühlen.

Aber da ich kein verschissenes Rockstar-Arschloch sein will und so als Kopfkissenstick-Aphorismus dieselben Fehler nich‘ zweimal machen schon immer gut fand, geb ich die einzig mögliche Antwort: „Ich liebe Steffi, aber ich mag deinen Gesang.“

Gott scheint doch eher ‘n Kerl zu sein, denn Keisha reagiert auf mein super ehrliches Seelen-Outing, indem sie ihr Knie hochzieht und theoretisch meine Eier getroffen hätte, würde meine good old Charvel nich‘ so tief hängen und hey, Linde is’ ’n verdammt hartes Gitarrenholz.

Keish hält sich ’n Moment ihr Knie und fragt dann vollkommen unvermittelt: „Wie heißt dein Song?“

Ich sag: „Der Arbeitstitel is’ Raiders and Pollinators.“ Der Titel von irgend ’nem James Bondage Porno, aber was Geileres fällt mir so spontan nich’ ein.

Keisha meint: „Auf Deutsch klingt das besser: Räuber und Bestäuber.“

„Da hast du recht, aber geht nich’, wir sind ’ne Metal-Band und haben aus Prinzip keine deutschen Titel“, antworte ich.

„Egal, lass uns an deinem Song arbeiten.“

„Ja, lass uns am Song arbeiten“, stimm ich ihr zu.