Jochen Ruscheweyh

Pavarotti hängt auf‘m P-Raum Söffchen, grad so depri, wie der Hulk, wenn der sich vor der Wrestle Mania 107 die Pfote gebrochen hätte.
„Und ich sag noch: Du kannst nach ‘nem Gig im November nicht im Muscle-Shirt durchgeschwitzt vor der Halle stehen“, schräbt Helen, alias die deutsche Helga alias Mutter von Pavarottis Tochter, Beziehungsstatus: Astrophysik ist weniger kompliziert mit Verweis auf unseren Gig neulich mit Gartenstadt&Roses im FZW.

Helen hat heute selbst nur ‘n Muscle-Shirt an …
und – so wie sie müffelt – auch‘n bissi transpiriert …
was mich persönlich nich‘ stört, eher sogar ganz süß find …
ich der Fairness halber aber erwähn, einen Tag vor Allerheiligen …
Also nich‘, dass Helen vor‘m Feiertag müffelt, sondern dass sie selbst nich’ besser is‘, von wegen Erkältungsprophylaxe im Herbst.
Und bei ’ner Temperatur, wo ich mir ’n doppelten Nippelbruch holen würd.

Pavarotti kritzelt in seiner Legastheniker-Klaue „Ich hab Knoten auf den Stimmbändern, keine Erkältung“ in sein schwulrosa Songtexte-Heft und macht drei Ausrufezeichen dahinter. Worauf Helen ihm gegen seinen Hinterkopp haut und „Halt die Fresse!“ blökt.
Ich sag: „Ey, Helen, er hat doch gar nix gesagt.“
Und Teschke von hinter seinem Bass-Amp: „Ja, aber er wollte. Und eine Frau spürt sowas.“
„Klar, Teschke, und deswegen spürst du das auch“, stellt Beckmann fest, während er sich auf seinen Oberschenkeln warm drummt.
„Was willst du damit sagen?“
„Nichts. Alles gut“, erklärt Beckmann, und dann, als Teschke wieder hinter seinen Ampeg-Turm abtaucht: „außer, dass du jetzt wohl sowas wie die Erika Berger des Power-Metals bist.“

Dass Pavarotti nich’ quatschen darf: geschenkt. Erspart uns wenigstens einigen geistigen Dünnschiss. Aber das mit dem Singverbot is‘ echt ‘n Problem, weil ‘n Vierteljahr ohne Shouter – weil so sieht die Prognose nach späterer OP aus -, is‘ ja wohl topschwül.
„Warum holen wir nicht Pizza?“, leitet mein bester Freund und Basser Teschke einen seiner oberdiplomatischen Ebenenwechsel ein, nachdem er seinen Ampeg-Turm auch von hinten abgefeudelt hat, „und dann überlegen wir uns eine Strategie.“
„Jau, cool“, kommentiert Helen, „ich nehm ‘ne Pizza Adolf!“
Teschke darauf etwas irritiert: „Ich kenne Pizza Ananas und Pizza Apulien … , aber was bitte ist Pizza Adolf?“
Und Helen: „Na vegetarisch mit genau einem Ei drüber.“
Ich hör noch mit einem Ohr, wie Schröder „Kann nicht mal jemand der Nazi-Fotze das Maul stopfen?“ murmelt, als er zu seinem Amp geht und seine 1985er Flying V schultert. Wobei ich mich frag, wie dann wohl ’ne Pizza Mosche Dajan aussieht. Mit ‘ner platt gekloppte Feige am Band drüber?

Ich beiß grad in meine Funghi – ey, bei Pizza bin ich konservativer als ’n eingetragener deutscher Kurzhaardackel-Zuchtverein, Funghi und sonst nix – als Schrö meint: „Keisha kann singen.“
„Ey, hast du ‘n Schatten?“, frag ich.
„Nee“, meint er, „Keisha hat‘s echt drauf.“
Teschke bringt‘s auf ‘n Punkt: „Du weißt doch, wie sowas endet, Schröder. Du magst den Gesang, weil du Keisha magst und mit ihr zusammen bist. Und wenn wir ihn kritisieren, wirst du befangen sein und nicht objektiv urteilen können.“
„Dr.Sommer am Bass hat nicht unrecht, das wird dann so eine Wer die Nachtigal stört – Situation des Powermetals, muss ich nicht haben“, haut Beckmann in dieselbe Kerbe.
Auch wenn‘s in dem Gregory Peck Court Room Classic um was ganz anderes geht und nur am Rand um Objektivität, halt ich einfach mal meine Fresse, denn Keisha als meine Ex-three-week-stand-psycho-Olle muss auch ich echt nich‘ in meiner Band haben. Außerdem würd die beste Steffi der Welt bestimmt mega abgehen, wenn sie das wüsste, selbst wenn sie letztens hyper-souverän mit Schrö und Keishas Partybesuch bei uns umgegangen is‘. Aber das sollen mal die anderen regeln, was sie hundert pro auch tun werden.
Ich werd jäh aus meiner Kopf-Videothek geholt, weil Pavarotti mit seinem scheiß rosa Exkremente-Heft wedelt. Klar, wird er auch ‘ne Position dazu haben, die war bisher ja immer: Man kann nich’ genug Perlen inner Band haben, die sich gegenseitig im Beat an den Nippeln nuckeln. Wobei, wenn er das jetzt aufgeschrieben hätte, tät‘s so sechs bis sieben Kellen von Helen setzen. Und außerdem wird er sich wohl kaum den Vocal-Posten von ‘ner jamaikanischen Grufti-Perle wegnehmen lassen.
Aber irgendwas läuft hier grad verdammt schief, weil der Opportunisten-Pimmel hat echt „Man kann nich genug Stimmfarben inner Band haben, die zusammen im Beat an den Nitroriffs rumruckeln. Wenn ich wieder fit bin, könnt dat zusammen super werden!“ aufgekritzelt. Und Helen sitzt daneben, und das einzige was sie macht, ist das nich‘ durchgegarte Führer-Family-Juwel von der Mitte ihrer Pizza zu schlürfen.
Teschke zuckt nur mit den Schultern, guckt mich fragend an, und startet dann damit, sein Griffbrett mit irgend‘ner Amazonas-Trüffel-Wichse einzuölen.
Ey, wo is‘ die Opposition?
Wo die Auflehnung?
Die können doch nich‘ echt …?
Und dann greift Schrö in die Innentasche seiner Kutte und drückt mir obergönnerhaft ‘n BASF-Chrome-Tape in die Hand, auf dem in super schöner Weiberhandschrift Keisha/Schröder: Ghosts draufsteht.
„Leg mal ein“, meint er, mit der Arroganz eines Larry Hagman, als der noch seine erste Leber drin hatte.
Auch wenn ich dem Pisser – also Schröder, nicht Hagman – am liebsten ‘n Liter 10 W 40 Motoröl eintrichtern und dann irgendwo auf meiner eigenen Southfork-Ranch verrecken lassen und danach verbuddeln tät, latsch ich rüber zum Tapedeck, das über Pavarotti seine Gesangsanlage läuft, drück play, und krall mir ‘n gefrostetes Stifts – logo, ich würd nie ‘n anderes Pils ansaugen, wenn ich Monster-Frust hab.

Das Tape startet mit ‘nem älteren Riff von mir, was wir aber verworfen haben, und was Schrö nur in ‘ne andere Tonart transponiert hat und clean spielt. Logo, weil Schrö zwar jede Kackgrütze nachzocken kann, aber noch nie ‘n eigenes Riff hingekriegt hat, das richtig knallt.
Ich hab keine Vorstellung gehabt, wie Keisha klingen würd, aber mit dem nächsten geklauten Riff setzt sie mit so ‘nem wispernden Flüstergesang ein, der gleichzeitig so spooky und so sweet is‘, dass ich echt heulen könnt.
Auch der UpTempoPart später is‘ von mir – nur, dass ich ihn doomig langsam gedacht hatte – und jetzt zeigt Keisha, dass ihre Stimme echt Power hat und nich‘ so‘n typischer Doro-Pesch-Weiber-Klon is‘. Und als ob noch nich‘ genug Diebesgut aus dem Tape gequollen wär, legt Schröder noch mit einer meiner Hektik-Triolen-Gruppen nach, bei der sich Keisha wie Kate Bush auf Amphetamin anhört.
Danach is’ es erstmal still.
Scheiße still.
Bis Beckmann meint: „Ich hätte jetzt eher gedacht, Keisha wär mehr die „No Satan, no cry – Marleyne des Powermetals, aber Hut ab, das ist gut groß, was sie da macht.“
Pavarotti reißt sein Kack-Buch hoch, und zeigt auf den einen Satz, den er geschrieben hat: „Dat isset Alter, dat isset!“
Ich kann mir das nich‘ mehr geben, schnall meine Charvel ab und marschier raus.
„Ey, wo gehst du hin?“, ruft Schröder mir hinterher – und ich kann den überheblichen Unterton in seiner Stimme fast auf meiner Zunge schmecken, also setz ich noch fix ‘n Gelben auf’n Boden um den loszuwerden, eh ich im Verpissen und ohne mich umzudrehen sag: „Bist du jetzt die Urin-Security oder was?“

Auf‘m Pott dresch ich dreimal hulk-mäßig – um im Wrestling-Kontext zu bleiben – gegen die gelben Raab Karcher Bunker Fliesen.
Ey, ich steh total auf Steffi, und will mit niemand anderem zusammen sein, aber dass Schröder und Keisha zusammen Music gemacht haben, und sie damals nie mit mir, is‘ echt ‘n Macheten-Hieb in mein kleines Wuttke-Künstler-Herzchen.
Eifersucht? Nee.
Neid? Auch nich‘ richtig.
Mehr so wie Party und ich bin nich‘ eingeladen.
Das ultimative Verpassen.
Nich‘ am Türsteher vorbeikommen.
Teenie-Minderwertigkeitskomplexe reloaded.
Kein Nachtisch.
Ü-Ei ohne Figur.
Purple ohne Blackmore.
Keisha ohne Wuttke: Ghosts
Eine meiner berüchtigten Endlos-Ketten, bis mir auch noch diese verfickte Zeile aus dem Heep-Song „Sweet Freedom“ in die Rübe kommt: I just want you to be happy, even if it’s not with me.
Ey, doppel- und dreifach-schwör, wenn jetzt der Ghost vom toten David Byron auftauchen tät, ich würd ihm was auf’s Maul hauen, auch wenn er einer meiner Lieblings-Shouter is‘.
Keisha/Schröder: Ghosts
Ey, jetzt benutz ich das Geister-Kackwort schon fast so inflationär als müsst ich’s unterbringen oder würd Kohle für’s Erwähnen kriegen, grrrr. Wie auch immer, ich stell mir grad vor wie meine Faust durch Byrons spinnweb-übersätes Face gleitet, als Teschke plötzlich vor mir steht und mir die Hand auf die Schulter legt.
„Ich weiß“, sagt er.
„Ach ja, was denn?“
„Du hast einen riesigen Hals, weil Schröder alle deine Riffs geklaut hat, aber sieh es mal so: Keisha kann wirklich singen, was ich persönlich nicht gedacht hätte. Und wenn sogar unser Sänger die Idee gut findet, muss etwas dran sein. Also, komm wieder mit rein und lass uns das Beste draus machen.“
Ich reiß mich zusammen as zusammenreißen can be, leg meine Hand auf seine Schulter und sag: „Ey, du liest in meiner Seele wie in ’nem offenen Buch. Lass mich kurz zu Ende abschlackern und ich komm in einer Minute nach.“
Er nickt und verschwindet durch die Tür.

Drei Minuten später hab ich den Ghost von David Byron nich‘ verprügelt, aber mir ‘n neues gefrostetes Stifts aus der Kiste gekrallt und bin back for the attack. Denn eins is‘ sicher: Keisha wird uns hängen lassen, so wie sie mich damals am Flughafen hat hängen lassen, so wie sie Schrö hängen lassen wird, so wie sie alle irgendwann hängen lässt, weil sich das verfickte Universum für sie nur um sie selbst dreht. Machen wir also Kultur zusammen und die beste aller beschissenen Mienen zum noch beschisseneren Spiel.

Unglaubwürdig, mein akuter Mindwechsel in den Zustand der Monster-Gelassenheit? Drauf geschissen, und nur mal so am Rande: Ghosts is‘ ’n richtiger Scheißtitel für ’n Song.