Von Christiane Labusga
Er fühlt sich schlecht. Das ist er inzwischen gewohnt, seit Monaten ist er nicht mehr Herr im eigenen Haus, in diesem schwachen Körper. Die Adlaten haben ihn gewaschen, bevor sie ihn zu Bett legten. Dennoch fühlt er sich beschmutzt. Es war ein anstrengender Tag!
Aber so schlecht wie an diesem Abend ging es ihm schon lange nicht mehr. „Der Teufel!“ Heute ist er ihm begegnet.
Er greift zu dem kleinen Brevier über die sieben Todsünden. Die meisten kann er abhaken, die privatesten lässt er offen.
Er wechselt zu dem Mann, der diesen Teufel geschickt hat. Alle Sieben!
Hochmut. Ja!
Geiz. Ja!
Wollust. Ja!
Zorn. Ja!
Völlerei. Ja!
Neid. Ja!
Faulheit. Ja!
Und er vertieft: Faulheit des Herzens, auch das.
Zwei Teufel also, Satan und Luzifer. Aber das ist auch alles eins. Oder sind das nur Märchen? Er windet sich auf dem Laken. Und die anderen, da drüben, die das Zentrum des Weltvertrauens besetzt haben? Nur seine Einbildung?
Er denkt an die Offenbarung: Der erste Reiter mit dem Bogen: Corona!
Der Zweite Reiter mit dem Schwert: Putins Angriff auf die Ukraine!
Der dritte Reiter mit der Waage: Teuerungen und Zölle!
Das vierte Siegel: Der Reiter hat die Macht zu töten über ein Viertel der Erde!
Sind wir da schon? Trump und der “rote Knopf“?
Danach nur noch Schutz. Der Auserwählten. Keine Botschaft mehr für den Rest der Welt.
Er stöhnt: „Meine Kinder!“
Seine Gedanken verwirren sich.
Wer sind die Auserwählten? Die Gefügigen oder die, die sich wehren?
Er war immer beides, und er ist damit weit gekommen. Aber nicht weit genug.
Die Welt, die er kannte, liegt in Trümmern.
Satan kann sogar so frech sein, dass er ihn besucht. Aber er wird sich wehren! Für die Welt, für die Menschheit. Urbi et orbi!
Erschöpft lässt er sich zurück in das Kissen fallen, ruft nach dem Adlatus.
„Seine Heiligkeit?“
„Ich habe ihn gesehen, er war bei mir!“ er richtet sich auf.
„Wer, seine Heiligkeit?“
„Satan persönlich, Luzifer, der Teufel!“
„Ein Albtraum, Eure Heiligkeit?“
„Sicher ein Albtraum – in aller Wirklichkeit!“
„Einen Beruhigungstee, eure Heiligkeit?“
„Nein, schick die Kardinäle zu mir, die gerade im Vatikan sind. Wir müssen etwas tun.“
„Ja, eure Heiligkeit, ich werde das veranlassen.“
Er überdenkt den Tag. Luzifer, die schönste Inkarnation des Teufels.
Er schüttelt sich vor Ekel. Die geschminkten Schweinsaugen, doch die Kälte darin kann nicht übertüncht werden. Das falsche Lächeln, so als wollte er einen Rabatt. Für was? Für sein verpfuschtes Leben? Warum sieht das niemand? Es ist so offensichtlich.
Er, und der andere an der vordersten Front, sie sind Lästerliche, durch und durch, die ganze Staffage wie aus der Hölle entsprungen, Vergebung für sie, dafür ist diese Erde zu schwach – er, er ist der Satan, Luzifer. Sie feiern ihre Bosheit auf der größten Bühne der Welt – und die Menschheit applaudiert!
Er fühlt eine plötzliche Enge, die Gedanken beginnen, sich zu verwirren, und der letzte klare ist: Gott, warum musst du mich so prüfen?
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