Von Max Siegel
In den frühen Sonntagmorgen hinein, knarrend auf dem Parkett, nur die eigenen Schritte. Die Steinfliesen in der Küche kalt. Atemwolken. Der Blick sucht sich durchs Dämmerlicht. Wo steht sie, das alte Stück von Nonna?
Matt schimmert sie, metallen, in ihre Einzelteile zerlegt. Beschlagenes Aluminium, aufgeraut, übersät mit zarten Kratzern. Alltagserprobte Patina, geschichtet über den Glanz von damals.
Achtflächig gefasst, nach oben sich verengend zur schlanken Taille, rund gegürtet mit den Rillen des Gewindes, birgt der bauchige Unterbau kaum Geheimnisse.
Das trichterförmige Sieb liegt kopfüber im hölzernen Gestell, liegt leicht in der Hand. Feingestanzte Löcher zieren den Einsatz, ziehen konzentrische Kreise hin zum Rand, vom Kaffeesatz über die Jahre bronzefarben gemalt. Ein paar schwarze Körnchen, durchweicht, kleben rebellisch an der silbernen Wand.
Die Krone, grazil, glatt gegürtet, die Gewinderillen unsichtbar. Nach obenhin weitet sie sich, spiegelt verhalten und kühl Bewegungen in dunstigem Licht. Der Griff zeigt Rückgrat, zeichnet Profil. Keck durchbricht der gebogene Schnabel das Oktagon, neigt sich scharf im spitzen Ausguss. Präzis mit einem Scharnier verstrebt, ein fleckiger Schirm, die Haube. Darauf thronend ein Knopf, verzogener Diamant aus schwarzem Kunststoff.
Frühmorgens träumt die Stille.
Sekundenbruchteile sprudelt das Wasser im kalkigen Innern weiter, Bläschen platzen, lösen sich kräuselnd auf, knistern. Kurz der Klang des mit Wasser gefüllten Aluminiums auf Marmor. Gedämpft klimpert das Sieb. Die Kaffeebüchse trifft auf Stein.
Geräusche, vereinzelt, in die Leere des Tages.
Gelöste Klammer, der Deckel offen, Behaglichkeit driftet in den Raum, herb-duftende Moleküle schmiegen sich in die Nase, legen sich süssbitter auf die Haut. Der silberglänzende Löffel versinkt im Triebsand des feingemahlenen Pulvers. Ins Sieb gedrückt, überborden einige Körnchen lautlos und umpunkten den achteckigen Umriss.
Minuten der Andacht. Elegant im roten Licht der Glaskeramik. Stoisch.
Leise klopfend siedet das Wasser im Bauch der Maschine. Es blubbert plötzlich. Sie röchelt und zischt. Dampf malt aufmunternde Duftspiralen in die Enge der Küche, wärmt die klammen Finger.
Dunkel und satt strömt die Flüssigkeit zwischen dem Aluminium hervor, wild und aromatisch kreiert sie einen neuen Tag.
Die Caffettiera, erhitzt, matt im Morgenlicht, zum Auskühlen auf dem Fenstersims, kaum zehn Zentimeter hoch.
Vom fernen Kirchturm gling, gling, gling, ruft die angeschlagene Glocke eintönig die Gläubigen zur Morgenandacht. Der Blick schweift von der Terrasse über den spiegelglatten See. Kein Wind bewegt etwas, nur die erste Fähre von Verbania herkommend, pflügt Wellen ins Nass. Die letzten Nebelfetzen ziehen sich durch die aufgehende Sonne attackiert davon.
Der Tag kann beginnen. Laveno erwacht. Das Experiment mit der achteckigen Kaffeemaschine ist bestanden. Bringe die Tassen ans Bett. Julia schlummert noch. Nur ihre kleinen Brüste erspähen den Tag unter der Bettdecke hervor. Sie schlägt die Augen auf durch den Duft der dampfend aus den Tassen hochsteigt. Erste Frage von ihr. Was du hast es geschafft mit Nonna’s einfacher Maschine einen Kaffee zu zaubern? Wollte ja nicht zaubern, sondern mich bedanken für die magische Nacht.