Von Miklos Muhi
»Wir brauchen so etwas doch nicht!«, sagte Oma. »Es ist teuer und nutzlos.«
Mutter und Vater waren anderer Meinung, aber sie schwiegen. Sie hatten gelernt, dass Widerstand, solange er nicht eine tätige Form annahm, zwecklos war.
Mein Bruder und ich verstanden nur Bahnhof. So war uns der Konflikt (einer von vielen) zwar nicht entgangen, aber worum es dabei ging, war uns damals nicht ersichtlich.
Es war Waschtag. Buchstäblich, denn das Prozedere dauerte von morgens bis abends und verlangte vollen Körpereinsatz von Oma. Die altmodische Waschmaschine, die nur einen Knopf zum Ein- und Ausschalten vorwies, lief unentwegt. Geleert wurde sie mithilfe eines Schlauchs, indem man ihn aus seiner Halterung löste, auf den Boden legte und die Wäsche daraus entfernte.
Sofort wurde der Blechkasten wieder mit heißem Wasser (vorgewärmt auf dem Herd in einem riesigen Gefäß), Waschmittel und Raspeln hausgemachter Seife gefüllt. Dann kam die nächste Ladung Schmutzwäsche.
Die saubere Wäsche spülte Oma in einem anderen Bottich aus und hängte alles zum Trocknen auf.
Das gleiche Spiel, ob im Sommer oder Winter, bei Sonne, Regen und Schnee.
Die Kleider wurden blitzsauber und Oma hatte in den nächsten Tagen überall Schmerzen. Ihr Rheuma nahm auf Waschtage keinerlei Rücksicht.
Während Oma mit der Wäsche beschäftigt war, fuhren meine Eltern für eine Stunde weg und kamen mit einem Haufen Papiere und aufgeregt wieder nach Hause.
»Ist es sicher, dass die morgen geliefert wird?«, fragte Mutter, die als Arzthelferin in einer Poliklinik Schichtdienst schob. »Ich kann so kurzfristig mir nicht immer wieder Urlaub nehmen.«
»Das hat der Typ doch gesagt. Was Besseres weiß ich jetzt auch nicht. Wenn es morgen nicht klappt, kann ich für Übermorgen irgendetwas arrangieren«, meinte Vater, der als Lehrer arbeitete.
Am nächsten Tag, sobald mein Bruder und ich aus der Schule zurück waren, fanden wir zu Hause helle Aufregung vor. In der Mitte des Hofes stand ein voluminöses Paket, umgeben von den Erwachsenen des Haushaltes.
Oma war aufgeregt. Meine Eltern haben es versucht, sie zu beruhigen.
»Probiere es zumindest aus«, meinte ihre Tochter.
»Jetzt werden wir riesige Stromrechnungen haben«, sagte sie.
»Wir haben das Ding nicht einmal ausgepackt, geschweige denn angeschlossen«, knurrte mein Vater.
»Und erst das Wasser«, jammerte Oma.
»Ich gebe auf«, sagte ihr Schwiegersohn leise.
Sie erzählte, wie schwer das Waschen damals, als sie ein kleines Mädchen war, vonstattenging. Ihre Familie war vergleichsweise wohlhabend in ihrem Dorf, so hatten sie Waschwannen zu Hause. Die meisten Frauen wuschen die Kleider beim Fluss.
»Aber das ist schon ewig her«, meinte meine Mutter und seufzte. »Und du bist auch nicht mehr 20.«
Oma setzte ihre Erzählung unbeirrt fort.
Vater begab sich währenddessen ins Werkzeugschuppen, holte sich eine Zange und ein Teppichmesser.
Natürlich waren wir mit meinem Bruder sofort zur Stelle. Den Dialog zwischen Oma und Mutter fanden wir eher nebensächlich.
»Was ist da drin?«, fragte ich.
»Das werden wir gleich sehen«, antwortete Vater und schnitt Drähte und Schnüre, die das Paket zusammenhielten, durch. »Los, packt es aus!«
Das ließen wir uns nicht zweimal sagen. So stand bald in der Mitte des Hofes ein Waschvollautomat.
Oma betrachtete die Maschine entsetzt.
»Warum habt ihr all das Geld ausgegeben? Was ist, wenn ihr das Geld später braucht?«, fragte sie.
Meine Eltern schwiegen. Mutter hatte die fruchtlose Streiterei satt, Vater war mit den Gebrauchs- und Installationsanweisungen beschäftigt. Sein Mangel an Erfahrung mit Klempnerarbeiten erschwerte das Deuten des Inhaltes.
Am nächsten Tag war der Waschvollautomat angeschlossen. Zuerst stand sie in der alten Werkstatt von Opa, wo es ein Wasserhahn und einen Anschluss zur Kanalisation gab.
»Wenn dein Vater das sehen würde!«, rief Oma.
Opa war damals schon seit Jahren tot und Mutter vermutete, dass er die Anstrengungen, das Leben seiner Frau zu erleichtern, begrüßt hätte.
Wir hatten einige Monate Zeit, das Gerät ins Badezimmer zu bringen, wo es ebenfalls Wasser, Kanalisation und vor allem Heizung gab. Das alte Stromnetz des Hauses hätte das nicht ertragen, so waren erst Elektrikerarbeiten nötig.
Wir probierten die Waschmaschine aus. Oma protestierte aufs Schärfste.
»Meine Kleider kommen nicht in dieses Ding«, knurrte sie. »Das wird alles kaputt machen, ihr werdet sehen!«
Vater und Mutter stand (hauptsächlich dank uns, Kindern) genug Schmutzwäsche für einen Testlauf zur Verfügung.
Alles lief bestens, bis der Schleudergang an der Reihe war.
Der Fußboden der Werkstatt, ausgelegt mit Ziegelsteinen, war auf Kürschnerarbeiten getrimmt. Diese fanden seit Verstaatlichung und Abtransport des Betriebes gleich nach dem Krieg da nicht mehr statt. Ebenmäßigkeit war kein wichtiges Kriterium. So kam die Waschmaschine, sobald das Schleudern an der Reihe war, mit kleinen Sprüngen uns entgegen.
»Seht ihr, es funktioniert nicht!«, sagte Oma. »Was machen wir jetzt?«
Vater war sofort zur Stelle und bugsierte das Gerät zurück an seinen Platz und hielt es da, bis der Waschgang zu Ende war.
Nichts war kaputt und manche Kleidungsstücke (die aus Kunstfasern) knochentrocken.
»Das Ding hat alles zerknittert«, sagte Oma, und diesmal hatte sie nicht ganz unrecht. »Wer wird das jetzt alles bügeln?«
Das war der Anfang der Karriere von Vater im Haushalt. Er übernahm das Bügeln für einige Jahre, nur um es seiner Schwiegermutter zu zeigen. Oma war davon unbeeindruckt.
*
Sie starb, als mein Bruder und ich auf der Uni waren.
Neben ihren Kreuzzügen gegen den Fortschritt blieben mir ihre Unterstützung, durchaus berechtigte elterliche Strenge zu umgehen, und vor allem ihre Liebe in Erinnerung.
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