Von Klaus Freise
Es war einmal ein König, der zusammen mit seinem Hofnarren, einem putzigen kleinen Kerl mit Glöckchenmütze…
Nun, der Narr würde es wohl so formulieren: Es war einmal ein Hofnarr, genannt Kaspar, dessen Wortwahl einem gewissen Zynismus anheimfiel. Zusammen mit einem alten Mann in rotem Schlafanzug mit weißem Kragen und einer geleasten Goldkrone befand er sich auf dem Weg in ein neues Abenteuer.
„Kann Er seine Gestalt näher dem König zuwenden, damit dieser seine Stimme nicht erheben muss?“
Fröhlich mit der Mütze wedelnd trippelte der muntere Gefährte an des Königs Seite. Dieser neigte ein wenig das Haupt und betrachtete den Narren samt Pony. Dann äußerte er:
„Wie nannte sich euer Reitgetier doch gleich? Witz?“
Kaspar tätschelte den Hals seines Pferdchens und antwortete strahlend:
„Nein, Mylord, es heißt Blitz, wegen der enormen Steigleistung am Berg.“
Der König hüstelte in seine Faust.
„Ah, ja, verstehe. Er darf nochmal zusammenfassen, weshalb sich sein Herrscher mit Ihm auf einem Pferd durchs Königreich bewegt.“
Da rotierten die Glöckchen an Kaspars Haupt.
„Aber natürlich, eure Hohlheit, durch ein… äh, Missgeschick habt Ihr eine Wahrsagerin dazu gebracht, euch und euer Königreich zu verfluchen. Dadurch habt Ihr Titel, Ansehen und Untertanen verloren. Um euch vom Fluch zu befreien, suchen wir die Dame auf und kaufen euch frei.“ Er klatschte in die Hände. „Ende von Fluch.“
Edard ohne w zügelte sein Pferd.
„Ihm ist schon klar, das sich in meinen Packtaschen das gesamte Vermögen meines verbliebenen Königreichs befindet.“
„Ähem… welches wir ja wiedererlangen wollen und eine Million und einhundertdreiundsechzig Euronen sind wahrlich kein Pappenstiel.“
„Wohlan, deshalb hat sein Herrscher ja auch dieses Dokument aufgesetzt, damit dieses tückische Weib uns nicht wieder hinter das Licht führe.“
Worauf der König ohne Königreich eine Schriftrolle aus seinem Staatsgewand hervorzog.
Diese entrollte und… seine Arme immer weiter von sich streckte… die Augen zusammen kniff, während er murmelte:
„Herrjeh, wer soll denn das… lesen können?“
Diesmal hüstelte Kaspar in die Faust und bemerkte:
„Vielleicht eine Sehhilfe für die erhabenen Augen seiner Majestät?“
„Pah, lasst mich in Ruhe mit diesem Zeug. Der letzte Quacksalber, der mir so etwas andrehen wollte, bekam den königlichen Unmut zu spüren.“
Seufzend reichte der Narr seinem Herrn ein Drahtgestell mit Glasscheiben so dick wie eine Goldmünze. Dabei sprach er:
„Vielleicht war der Optiker eures Verhauens überdrüssig, Mylord.“
Widerwillig nahm Edard ohne w die Sehhilfe, setzte sie auf und starrte auf den Narren nieder.
„Es war ein Scharlatan und die paar Streiche waren mehr als gnädig.“
Der Narr starrte zurück. Durch die Brille wirkten die Augen des Herrschers groß wie Wagenräder. Erschrocken über den Anblick wäre Kaspar fast von Blitz gefallen, aber das treue Tier stoppte schnell genug.
„Immerhin hat dieser Scharlatan einen guten Geschäftssinn entwickelt.“
Die Glubschaugen wandten sich wieder ab.
„Wieso, was wurde aus ihm?“
Kichernd bemerkte Kaspar:
„Nun er promovierte im Ausland und verkauft nun Nachtsichtbrillen an Fledermäuse in den Karpaten.“
Inzwischen hatten die beiden eine Wegkreuzung erreicht und der Narr deutete auf die Wegweiser.
„Tja, also, links geht’s zur Blutbuche, ich glaube nicht unsere Richtung, mein König.“
Der Herrscher einiger Untertanen schnaubte:
„Wohl kaum, erinnere Er mich nicht daran. Und wie sieht es da rechts aus?“
„Da waren wir auch schon. Matsch- und Saugmoor, wird euch nicht gefallen. Voller Oger, Elfen, Orks und Morks.“ Dabei klimperte er wieder mit seiner Mütze.
Das Antlitz des Königs verfärbte sich.
„Oh nein, bloß nicht da lang. Kann Er jetzt endlich mal die Klimpermütze abnehmen, Er wird noch Räuber anlocken.“
Da blickte der Narr möglichst böse drein und knurrte:
„Diese Mütze ist ebenso mit mir verwachsen, wie mein Glauben an das Lustige im Menschen. Außerdem müssen wir geradeaus.“
Daraufhin trappte Blitz mit Kaspar munter drauf los.
Seine Majestät folgte, blieb aber am Wegweiser stehen und zerrte die Lesebrille hervor.
Dort stand: „Zur Wahrsagerin Grete hier lang.“
So folgten die beiden einem schmalen Pfad, der sie tief in den Dunkel-Dunkel-Düsterwald führte. Hohe Tannen und Fichten, deren Zweige das Tageslicht verdunkelten, säumten den Wegesrand. Der Geruch von Moos und Moder stieg ihnen in die Nase. Außer dem dumpfen Schlag der Hufe war kein Laut zu vernehmen. Als sie schon zweifelten, den richtigen Weg genommen zu haben, zügelte Kaspar seinen Blitz.
„Seid mal still, ich rieche etwas, Mylord.“
„Ähem, warum flüstert Er denn. Ich rieche es auch. Rauch würde ich sagen.“
Der Narr zog die Luft ein und diagnostizierte:
„Nun, ich würde sagen ein Kochfeuer, nicht weit von hier. Fichtenholz Jahrgang 1860 vielleicht 61, dazu etwas Zimt und Kandis, ein Hauch Orange…oder Bachblütentee…könnte auch…“
„Herrgott, wir wollen bei dieser Grete nicht zum Tee vorbeischauen, kann Er sich und seinen Witz fortbewegen, es dunkelt bereits.“
Etwas beleidigt trieb Kaspar sein Pony an und murmelte:
„Nie kann ich in diesen albernen Abenteuern meine hervorragenden Naturkenntnisse zum Besten geben, immer nur ER soll dies, ER kann das…“
Da wurde der Weg etwas breiter und tief zwischen die Bäume geduckt stand eine Kate, deren Strohdach eine dicke Moosschicht trug. Dornenbüsche umgaben die Seiten, nur der Weg zur morschen Tür war freigehalten. Davor standen zwei Balken, um Pferde anzubinden. Ein hoher und ein niedriger.
„Hmm“, äußerte Kaspar, „sieht so aus, als hätte sie uns erwartet.“
„Meine Güte, die Frau ist Wahrsagerin, da kann man schon etwas Voraussicht erwarten und jetzt helfe Er seinem König vom Ross.“ Er setzte schwungvoll einen Fuß auf Kaspars Schulter, dann auf Blitzens Hinterteil und betrat so anmutig den Waldboden. Ohne sich um seinen Untertan zu kümmern, äußerte er dann:
„Vergesse Er nicht die königliche Barschaft.“
Schnaufend zerrte Kaspar die Goldsäcke hinter sich her.
„Sieht jetzt nicht sehr einladend aus, Mylord. Ich werde Euch ankündigen.“
Edard ohne w verdrehte die Augen.
„Sie wird ja wohl wissen, wenn ihr König sie besucht, wohlan, bringen wir es zu Ende.“
Damit öffnete er die quietschende Tür.
Das Innere der Kate war durchzogen von Dunst, der nach gekochtem Ochsenfrosch roch. Die Balken unter dem Dach mit Spinnweben überzogen und vollgehängt mit diversen Kräutern, Vogelfedern und totem Getier. Auf durchgebogenen Regalen standen unzählige Bücher und Gläser mit eingemachten Kreaturen und Extremitäten. Im hinteren Teil loderte ein grünes Feuer unter einem Kupferkessel, in dem eine junge, anmutige Frau herumrührte.
Erstaunt flüsterte Kaspar:
„Ich dachte, diese Grete wäre schon über hundert Jahre alt.“
Der König murmelte zurück:
„Und viel… äh… schrumpeliger… also, für ihr Alter.“
„Das habe ich gehört“, flötete Grete, ohne ihre Arbeit zu unterbrechen.
„Aber tretet doch ein, ihr beiden müsst eine lange Reise hinter euch haben. Natürlich ist dies nicht meine normale Gestalt.“ Sieh hob ihre Hand in die Luft.
„Wenn ich an diesem Ring hier drehe… seht ihr…“
Plopp.
„Aarrgh, oh Graus. Diese hässliche Warze auf der scheußlichen Nase“, stieß der Narr hervor.
„Bäh, pfui, igitt. Schnell, drehe Sie wieder an dem vermaledeiten Ring an Ihrer Hand, auf das Sie wieder anmutig werde“, keuchte der König.
Plopp.
„Dachte ich es mir doch. Männer. Nun, da wir das geklärt hätten, was wollt ihr für mich tun?“
Kaspar und König stießen erleichtert die Luft aus.
„Nun, ich bin König Edard ohne w, letzter seines Namens und Herrscher über… „
„Na, na, na. Jetzt übertreibt Ihr aber, alter Mann ohne Untertanen. Von eurem Hofnarren abgesehen, dürfte da ja wohl nix an Untertanen übrig sein.“
„Ähem, genau deshalb sind wir hier, holde Frau Grete. Mein Narr und ich verlangen…“
Da stieß Kaspar seinen König an und zischte:
„Vielleicht könnte eure Hohlheit etwas demütiger… also ein gewisses Flehen in der Stimme würde uns weiterbringen, denke ich.“
Und so brachte König Edard ohne w ziemlich demütig seine Bitte um Erlösung vom Fluch und Rückgabe des Königreichs doch noch über die majestätischen Lippen.
Grete wiegte den Kopf, dann zerrte sie aus einem Regal ein gewaltiges Buch mit fingerdickem Ledereinband hervor. Wobei sie bemerkte:
„Hm, sehr verdrießlich… nicht billig… Fluchrückbuchung… königlicher Zuschlag.“ Dabei blätterte sie in den Seiten und holte einen Abakus hervor, auf dem sie mit schnellen Fingern rechnete.
„Tja, also, da haben wir das all inclusive Paket mit Hunden, Katzen und Hoftieren.“
Kaspar hob zögerlich die Hand.
„Also, es sollten schon menschliche Untertanen sein, Frau Grete.“
Und der König ergänzte:
„Und ein kompletter Hofstaat mit Kammerzofen, Vier- Sterne -Köchen, Leibgarde sowie ein Heer sollten es schon sein, werte Dame.“
Grete setzte sich einen Zwicker auf die wohlgeformte Nase und seufzte:
„Auch noch Ansprüche stellen, na wollen mal sehen… ah da haben wir ja was. Flucherlösung, komplettes Königreich, diverser Hofstaat und sonstiges königliches Bling Bling. Kinder, Drachen und Raubritter umsonst im Paket… macht roundabout… sagen wir eine Million Euronen.“
„Äh, wenn wir auf Drachen und Raubritter verzichten, wäre es dann günstiger?“
Da stieß sein treuer Hofnarr ihn abermals an und zischte:
„Herrgott, jetzt nehmt den Plunder und ab dafür.“
Und so bekam Edard ohne w doch noch sein Königreich zurück.
Kaspar überreichte das Geld und sagte:
„Hier ist die Knete, Grete. Nun, da Ihr um eine Million reicher seid, darf ich fragen, was Ihr damit zu tun gedenkt?“
Grete lächelte und sprach:
„Tja mein Freund, das ist eine andere Geschichte.“
So ritten beide glücklich heim und der König flüsterte:
„Ich weiß nicht, ob ich noch eine Staffel ertrage.“
Version 2