Von Wiebke Russ

Ende einer großen Liebe – ein Teich

 

Mit 20 in ein gemeinsames Haus, an dessen Kirschbaum im Garten noch Enkel spielten. Und eine kleine Schaukel, vermoost von all dem Regen. Eine große Liebe endet nicht, genau wie ein Gartenteich hält sie sich, einmal angelegt, durch den Blutsaft der Erinnerung selbst am Leben.

Ihre hält schon über 50 Jahre. Doch eines Tages, nach vielen gemeinsamen, guten und schlechten Tagen, vergaß mein Großvater einen Namen. Dann vergaß er einen Termin, und bald den Weg zum Bäcker, den Weg irgendwohin.

 

  1. Opa Oma und Enkel. Beim Kaffeetrinken im Garten

 

„Was machst du nochmal, da wo du jetzt wohnst?“

„Ich wohne in Lübeck und studiere da Tiermedizin.“

„Ah und da bist du jetzt bald fertig?“

„Ne, ich brauche noch mindestens 2 Jahre, aber dann bin ich fertig und komme auch wieder zurück.“

„Dann kommst du wieder zurück zu uns? Das ist ja schön, da freuen wir uns aber.“ „Opa, wie hast du eigentlich die Oma kennengelernt, damals?“

„Also. Ich habe zum 16. Geburtstag ein neues Rad bekommen, von meinem Vater, ein ganz schickes, blau. Damit bin ich dann immer quer durch die Stadt bis zu meiner Arbeit gefahren. Deine Oma habe ich dann manchmal auf dem Gepäckträger mitgenommen, als wir uns kennenlernten, so war das. Damals ging das noch, da waren die Straßen noch nicht so voll mit Autos wie heute.“

„So habt ihr euch kennengelernt?“

„Ja, so habe ich sie kennengelernt damals, immer mit ihrem Rad auf dem Weg von der Ingenieurschule, und ich stand so und habe geguckt und da hat sie mich gar nicht gesehen. Aber als sie einmal ihr eigenes Rad vergaß, da wollte sie hinten bei mir mitkommen. Und so habe ich deine Oma kennengelernt.“

„Das stimmt doch gar nicht, beim Fasching haben wir uns kennengelernt.“

„Wirklich?“

„Ja, beim Fasching, und dein Rad war damals schon kaputt. Alle anderen sind mit Rad gefahren, außer wir, so haben wir uns kennengelernt.“

„Na, Hauptsache, es ist passiert.“

 

  1. Opa und Enkel. Beim Mittagessen mit der Familie

 

„Wo hast du eigentlich noch mal gearbeitet, Opa?“

„An der Uni, aber ich bin viel rumgereist. Angefangen habe ich an der Ingenieursschule, dort wo wir auch studiert haben, deine Oma und ich. Da haben wir uns kennengelernt, beim Fasching.“

„Wo war diese Schule?“

„Im Süden der Stadt, jetzt fährt da der 70er Bus hin, früher ist man mit der Linie 10 gefahren.“

„Achso.“

„Deine Oma kam als Marienkäfer, das war so süß, da musst ich sie einfach ansprechen.“

„Und als was bist du gegangen?“

„Als Polizist, das war noch schick damals.“

„Und dann?“

„Dann sind wir gemeinsam mit der Bahn nach Hause gefahren zum ersten Mal, so fing alles an.“

 

  1. Opa und Oma. Vor der Haustür

 

„Hast du deinen Schlüssel?“

„Natürlich.“

„Neulich hast du ihn hier liegenlassen.“

„Selbst wenn, du bist doch eh zu Hause.“

„Ja, aber nicht, wenn ich mal einkaufen geh oder die Karin vorbeikommt, mit den Kleinen. Reparierst du dann den Kinderwagen, falls sie ihn hierlässt?“

„Ja.“

„Musst gar nicht so genervt sein.“

„Na klar, aber immer alles der Reihe nach. Soll ja erst noch dein Rad reparieren.“

„Mein Rad hat Zeit, du solltest dein eigenes reparieren.“

„Sicher, aber ich mache die Dinge gern der Reihenfolge nach.“

„Ja, na gut. Du musst los. Bahn kommt in fünf Minuten.“

„Ich sput mich, Kuss.“

„Kuss.“

 

 

  1. Opa und Oma. Fasching der Ingenieursschule Leipzig

 

„Bist du mit Rad oder Bahn gekommen?“

„Mit der Bahn, ich hab gar kein Rad, und du?“

„Auch mit der Bahn, meins steht noch zu Hause bei meinen Eltern. Welche Richtung musst du?“

„10, Richtung Südstadt, du?“

„Ich auch, muss aber schon Spielerstraße aussteigen.“

„Wollen wir das Stück zusammenfahren?“

„Gern.“