Von Daniela Seitz

Drei Freundinnen. Ein großer Streit. Mein Urteil steht fest. Eine Ehe zu zerstören, auch wenn es wegen der wahren Liebe sei, ist unmoralisch! So unmoralisch, dass ich dies meiner Freundin Katja, nicht durchgehen lasse. Megan versuchte zu vermitteln. Doch Katja brach mit uns beiden den Kontakt ab.

„Kannst du sie denn gar nicht verstehen“, fragt Megan.

„Es geht nicht darum sie zu verstehen. Die Ehe ist heilig! Ich würde niemals mit einem verheirateten Mann ausgehen! Punkt“, erwidere ich.

 

****Drei  Jahre später****

Es ist nicht mein erstes Bewerbungsgespräch. Und ich weiß, dass Augenkontakt für den ersten Eindruck sehr wichtig ist. Aber mir sitzen fünf Personen gegenüber. Drei Männer und zwei Frauen.

Und der auffälligste Mann, der Teamleiter, mustert mich zu intensiv. Sein Blick ist zu eindringlich. Dem kann ich nicht standhalten. Geschweige denn, dass ich die Fragen beantworten könnte.

Ich verlasse den Raum mit dem Gefühl, mein bisher schlechtestes Vorstellungsgespräch überhaupt hinter mich gebracht zu haben. Da folgt er mir und verwickelt mich in ein privates Gespräch. Mein Herz schlägt schneller. Ich rieche sein Eau de toliette. Sofort reagiert mein Körper. Mein Blick wandert zu seinen Händen. Er trägt ganz eindeutig keinen Ehering. Also lasse ich mich auf das Gespräch ein.

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„Megan, das ist mir noch nie bei einem Mann passiert“, sage ich, während wir beim Klettern pausieren.

„Also Liebe auf den ersten Blick, obwohl du ihm nicht in die Augen schauen konntest“, neckt mich Megan und lacht.

„Ich schwör`s dir. So habe ich mich noch nie gefühlt. Er ist so warmherzig. Machte mir Mut, obwohl ich das Gespräch eigentlich gerade völlig in die Tonne gekloppt hatte“, schwärme ich.

„Ja und so attraktiv noch dabei, dass bereits dein Körper nach ihm verlangte“, dreht Megan mir aus den ersten Worten über ihn einen Strick.

„Megan, mir ist lediglich der Schweiß ausgebrochen! Bei dir hört sich das wie ein Porno an“, empöre ich mich.

„Na gut, Themenwechsel. Die Stelle bei uns, an der du so interessiert warst, ist frei geworden. Falls es also nichts wird…nein, eigentlich solltest du dich so oder so lieber bei uns bewerben, weil du bei uns als Teamleiterin mehr verdienen wirst“, informiert mich Megan.

„Die Stelle ist frei. Das ist ja super! Dann mach ich heute noch eine schriftliche Bewerbung fertig. Schickst du mir noch die Daten?“

„Obwohl bei uns kein Mister Universum arbeitet? Klar schicke ich dir die Daten“, antwortet Megan.

„Ha ha. Noch habe ich die Stelle nicht. Es ist nur logisch. Eine Bewerbung ist ja noch keine Zusage! Falls ich zwei Zusagen bekomme, kann sich dann die Zukunfts-Silvana damit auseinander setzten“.

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Jetzt habe ich den Salat. Blöde Vergangenheits-Silvana! Zwei Zusagen zur gleichen Zeit! Offiziell habe ich mir bei Megans Firma noch Bedenkzeit erbeten. Aber Megan weiß inoffiziell natürlich über meine Misere Bescheid. Denn verdammt, es ist unlogisch nicht bei Megan anzufangen. Aber sich einen solchen Single wie Max, den Teamleiter, entgehen lassen? Warum ist er eigentlich noch Single?

Und hier kommt Megans Vorschlag ins Spiel. Teste ihn, hat sie gesagt. Klopfe deine Chancen bei ihm mit deinem schönsten Männerabschleppoutfit bei ihm ab. Falls er dich deswegen feuert, kannst du ja bei uns anfangen.

Also sitze ich gerade in diesem Outfit an meinem ersten Arbeitstag bei Max im Büro. Und sterbe vor Peinlichkeit. In meiner Not, habe ich ihm viel zu viel übers Klettern und über Megan erzählt. Um von der Notlüge, ich hätte die Nacht durchgefeiert und hätte mich deshalb noch nicht umziehen können, abzulenken.

Trotz meiner Panik checke ich erneut seine Hände ab. Eindeutig kein Ehering. Und er ist ganz klar interessiert. Die Signale sind unübersehbar. Meine Entscheidung fällt zugunsten von Max. Ich weiß nicht, warum. Megan werde ich absagen. Ich muss doch einfach nur wahnsinnig sein…, nein, wohl eher verliebt. Raus jetzt, aus dieser unmöglichen Situation. Also frage ich nach den Toiletten, um mich umzuziehen.

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Dieses „Auf die Probe stellen“ ist mir so peinlich, dass ich mich wie verrückt auf die Arbeit stürze und es selbst bei den Kollegen, die mich einarbeiten, nicht wage, von mir aus nach Max zu fragen. Die Mittagspausen gehe ich oft raus, in den fußläufig in zehn Minuten erreichbaren Supermarkt und bringe den anderen immer etwas mit. Heute habe ich eine lange Liste und nehme daher einen Korb. Doch der quillt so über, dass mir eine Tüte Milch herunterfällt.

Als ich mich danach bücke, stoße ich mit einem Mann zusammen, der sich ebenfalls danach gebückt hat und falle rückwärts auf den Boden. Die Einkäufe verteilen sich. Es ist Max, der mir aufhilft, die Waren zusammensammelt, sie bezahlt und mir in die Firma trägt.

Es ist Max, der mich in den höchsten Tönen lobt und erzählt, wie begeistert alle von meinem Arbeitseinsatz sind. Es ist Max, der mich in sein Stammlokal, der Zone-Bar, einlädt und mir ein warmes Gefühl der Geborgenheit vermittelt, so dass ich regelrecht dahinschmelze und zusage. Und es ist Max, der ganz beiläufig erwähnt, dass er heute früher geht, weil seine Frau und sein Sohn krank zu Hause liegen und er daher heute für die Familie eingekauft hat.

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„Megan, verdammt, was soll ich jetzt tun“, bitte ich sie per Notfalltelefonanruf um Hilfe.

„Silvana, das weißt du selbst doch am besten! Wer sagte denn, die Ehe ist heilig und es gibt nichts zu verstehen? Wenn du deiner eigenen Maxime folgst, dann sagst du das Treffen in der Zone-Bar ab und suchst dir nach Möglichkeit am besten auch gleich einen anderen Job!“

„Ist denn die Stelle bei euch noch frei?“, frage ich.

„Nee, Süße, die konnte nicht unbesetzt bleiben und ist jetzt vergeben“, erklärt Megan.

„Ach verdammt, ich bin aber auch ein Idiot“, entfährt es mir.

„Nein, du bist jetzt lediglich in der gleichen Situation wie Katja, denn dein Mister Universum hat einen gewaltigen Haken“, belehrt mich Megan.

„Hör bloß auf. Max trug den Ehering nicht. Das ist was völlig anderes als bei Katja, die von Anfang an wusste, dass er verheiratet war“, wehre ich ab.

„Oh man, wenn du dich doch nur selber hören könntest. Ich weiß nicht welches das größere Haar in deiner Suppe ist. Dass du jetzt langsam mal einsehen müsstest, dass du Katja Unrecht getan hast, ihr gleich die Freundschaft zu kündigen. Oder, dass du dich in einen Mann verliebt hast, der tabu für dich sein sollte!“, seufzt Megan auf.

„Das kann man doch überhaupt nicht miteinander vergleichen“, begehre ich auf.

„Wenn man selbst nicht in der Situation ist, kann man es sehr wohl miteinander vergleichen, weil ihr beide, egal wie man es dreht oder wendet, die andere Frau seid“, beendet Megan das Gespräch.

Ich starre mein Handy an. Das macht Megan nur mit mir, wenn mein Temperament dabei ist, zu weit zu gehen. Bin ich wirklich die andere Frau? Verdammt, genau die habe ich niemals sein wollen! Ich werde zum Treffen in der Zone-Bar gehen. Aber nur um Max persönlich zu sagen, was ich davon halte, dass er seinen Ehering nicht trägt und mich gleichzeitig privat einlädt, obwohl er verheiratet ist.

Als ich in der Zone-Bar erscheine, ist Max nicht alleine. Auch einige Kollegen sind da und scheinen so eine Art Stammtisch abzuhalten, zu dem Max mich eingeladen hat. Da kann ich schlecht etwas sagen. Kündigen kann ich auch nicht sofort. Nicht bevor ich eine Alternative habe. Jetzt heißt es also erst mal durchhalten.

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Ich überstehe die Probezeit und organisiere die Weihnachtsfeier mit. Und fahre Kollegen von der Feier zurück zur Firma. Durch die Stammtische weiß ich, dass die Zone-Bar und Max Wohnung direkt beieinander und auf meinen Nachhauseweg von der Firma liegen. Daher lasse ich nicht zu, dass Max den Bus nimmt. Denn eigentlich habe ich immer noch ein Wörtchen mit ihm zu reden.

„Hätte dich deine Frau nicht auch wieder abholen können?“, frage ich Max.

„Nein, sie muss sich ja um den Kleinen kümmern“, erklärt Max.

„Ja, natürlich. Der Kleine hat Vorrang vor dir“, stimme ich Max zu. „Wollen wir noch einen Absacker in der Zone-Bar zu uns nehmen?“

Max stimmt zu, also fahren wir weiter zur Zone-Bar, nachdem ich die anderen drei abgesetzt habe. Und obwohl ich mit ihm wegen des Eherings und meiner Suche nach anderen Stellen reden will, komme ich einfach nicht dazu.

Max ist zu begeistert von seinen Whiskey-Geschichten und füllt mich regelrecht ab. Er hat auch so eine charmante und gleichzeitig bestimmende Art, bei der man nicht einfach das Thema wechseln kann.

Ehe ich mich versehe, bin ich so abgestürzt, dass ich sein Whiskey-Glas umwerfe und sich dieses über seinen Schritt ergießt. Panisch wische ich mit dem Taschentuch zu nah an seinem Schritt herum, da ich meine Bewegungen nicht mehr ganz unter Kontrolle habe. Da hält er meine Hand fest und ich kann nicht anders als hervorzuheben, dass meine roten Haare und meine blauen Augen unter 12 Millionen einzigartig sind. Dann spreche ich aus, was ich sehe. Nämlich, dass er mich will. Und ohne ein Wort der Erklärung läuft er davon und ich sitze alleine in der Bar und kann nicht mehr Auto fahren.

Zweiter Notfallanruf bei Megan. Sie holt mich ab und erzählt mir, dass eine andere Stelle bei ihr jetzt ausgeschrieben ist.

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Schluss mit dem Eiertanz den Max nun aufführt. Ich mag einiges missverstanden haben, aber daher muss ich jetzt unbedingt Klarheit schaffen. Mit meinem Partyoutfit gewappnet, konfrontiere ich Max im Büro, als wir alleine sind. Mein Temperament geht mit mir durch und ich stelle ihm ein völlig dummes Ultimatum. Hol mich in drei Stunden vom Klettern ab, oder akzeptiere meine sofortige Kündigung. Denn auch von der zweiten Stelle bei Megan habe ich nun eine Zusage. Seine Antwort warte ich nicht ab.

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„Du wolltest doch klar Schiff machen“, sagt Megan missbilligend.

Die Ankunft von Max enthebt mich einer Antwort. Wie im Trance werfe ich mich in Max Arme.

„Okay, ich sehe schon, du nimmst auch diese Stelle bei uns nicht an“. Megan rollt mit den Augen und lässt uns allein.

 

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