Von Juliane Soain

Trautes Heim, Glück allein. Es ist schön, zu Haus zu sein. […]

Wutentbrannt schmeißt Arsor einen Beistelltisch um. Langsam dreht er sich um: „Was zur Hölle soll das bedeuten?“ 

Mit seinem Finger zeigt er auf die schwächlich wirkende Person, die an armdicke Eisenketten aufgespannt ist und kniet sich hin. Nur wenige Zentimeter trennen ihre Gesichter. „Schon seit fünf Jahren wiederholst du dieses Lied in Dauerschleife, ohne eine einzige Pause.“

Trautes Heim, Glück allein. Es ist schön, zu Haus zu sein. […]

Immer noch schäumend vor Wut, steht Arsor wieder auf. „Du hast uns damals etwas gestohlen. Ich weiß auch nicht, wie du hergekommen bist. Es ist mir immer noch ein Rätsel. Hunderte Magier starben beim Versuch, das Portal zu öffnen. Diese Macht in dir, sie steht dir nicht zu. Aber gut, du willst es ja nicht anders. Wir wissen, dass sie dir inzwischen viel bedeuten. Wir werden die nächste Phase einleiten. Diese laufenden Affen sind zäher, als wir dachten, aber mal schauen wie sie ohne Licht auskommen.“

Wieder mal erfolglos verlässt Arsor den gewaltigen Raum, den sie einzig für diese Person konstruiert haben. Gefährlich brummt der Strahl, der aus der Decke kommt und in der gefesselten Person endet. Bläulich erhellt er das lichterlose Gewölbe. Kurz bevor er das massive Tor passiert, dreht Arsor sich um. „Ach Onin, deine Kraft gehört schon uns. Irgendwann wirst du aufgeben“, woraufhin ein teuflisches Lachen folgt, „oder Sterben. In dem Wissen, dass deine Energie für Ihren Tod verantwortlich ist.“

„Rolan, du kannst ihn nun weiter foltern. Wie wäre es, wenn du ihn heute einige Blitzschläge verpasst. Er sieht so schlaff aus, als ob er ein wenig Energie vertragen könnte.“

„Und nun zu uns“, beginnt der Folterknecht lächelnd mit seiner Arbeit.

***

Wir haben den 5. Mai 2030. Seit fünf Jahren bekämpfen wir die Invasoren. Sie kamen aus dem Nichts. Plünderten und brannten unsere Städte nieder. Überrannten ganze Länder. Bis heute konnten wir nicht herausfinden, woher sie kamen oder was sie wollen. Vor fünf Tagen haben sie uns die Sonne verdunkelt. Wir müssen dringen etwas unternehmen, da Flora und Fauna sonst schwere Schäden erleiden werden. Team 14 hat heute ein Portal gefunden. Vermutlich sind sie so in unsere Welt eingedrungen. Durch diesen Zufall konnten wir eine ihrer Basen triangulieren. Von hier fließen enorme Mengen ihrer magischen Kräfte ab. Ich glaube daran, dass wir es schaffen können. Heute wird es eine Wendung geben.

„Hey Mathilda! Schreibst du wieder an deinen Memoiren?“, unterbricht Wenzeslav ihre Gedanken.

Ohne eine Antwort von ihr abzuwarten, fährt er fort: „Da ist ein Gefreiter. Hat eine Nachricht vom Waffenlager für dich.“

Sie knüllt ihren Entwurf zusammen. Was solls, schreiben ist eh nicht meine Stärke

Mathilda steigt auf den Tisch, zieht ihre Pistole und schießt in die Luft. Da nun alle Augen auf sie gerichtet sind, fängt sie Ihre Ansprache an: „Sie haben uns das Licht genommen“, woraufhin sie eine kurze Pause einlegt, um das Gesagte wirken zu lassen, „wir werden trotzdem den Himmel erhellen. Mit Feuerwerk, das der Teufel persönlich gefertigt hat. Heute wird die Schlacht der Schlachten. Team 14 hat das Loch gefunden, aus dem die Ratten kommen. Scheiß Militär haben diese Hipster damals geschrien. Kürzt ihr Budget. Kauft Grünpflanzen davon. Doch wer beschützt ihre zarten Hintern nun? Wer hält dieses Ungeziefer in seinen Löchern? Die Schlappschwänze schaffen es nicht einmal eine Waffe zu halten. Und nun lasst uns diese Ratten zusammenpferchen und wieder durch ihr scheiß Portal jagen. Macht euch fertig Männer. Abmarsch in zwei Stunden.“

Sofort rennen alle los, um sich ihre Ausrüstung zusammenzustellen.

„Major“, meldet sich der Gefreite, den Wenzeslav angekündigt hat, „die Lieferung ist da. Sie werden im Waffenlager erwartet.“ 

„Danke, Gefreiter Long. Stelle bitte meine Ausrüstung für nachher zusammen“, rennt Mathilda voller Vorfreude los, um die Prototypen auszuprobieren. Umso mehr wird sie enttäuscht, als sie die Anleitung in die Hand gedrückt bekommt. In fetter, roter Schrift steht ganz oben: „Benutzung nur am Einsatzort!“

„Ach Mist. Nun gut, haben Wichtigeres zu tun. Verteilt sie an die Offiziere“, schreit Mathilda, greift sich eine der Pistolen und hält inne.

Das ist sie also, die Kraft der Magier – so befremdlich, als ob dieser kalte Stahl leben würde. Diese verrückten Wissenschaftler. Haben sie es tatsächlich geschafft.

Die restliche Zeit vergeht wie im Flug. Während sich die Männer vorbereiten, geht sie mit den Offizieren nochmals die Angriffspläne durch. Jeder Handgriff muss sitzen. Diese Magierpsychos sind zäh und haben enorme Angriffsstärke. 

Ich hoffe dort sind keine Fliegenden. Das wäre unser Waterloo. Mit ihren magischen Schutzzaubern stellen sie das Bollwerk der Truppen dar. 

Sirenen signalisieren die Abreise. Einen Augenblick später finden sich die Soldaten in den Transportmitteln ein. Langsam setzt sich der Angriffstrupp in Bewegung.

***

Explosionen erhellen die Silhouetten der Soldaten, geben vereinzelt grauenvolle Szenen preis. Grüne Nachtgeschosse streifen verwirrt durch die Dunkelheit, bis ihnen Leuchtgranaten den Weg weisen. Magische Projektile brennen in den Augen, während sie sich geräuschvoll ihren Weg bahnen.

„Ich wiederhole, wir werden aufgerieben! Brauchen sofort Unterstützung!“, schreit Mathilda ins Funkgerät.

„Verstärkung ist unterwegs. Habt ihr die fliegenden Magier vom Himmel geholt?“

„Keine Chance. Wir kommen nicht nah genug heran. Was an wir werden aufgerieben habt ihr nicht verstanden?“, schreit sie lauter als vorher, um den Lärm der Waffen und Explosionen zu übertönen.

„Scheiße. Markiert sofort die Fliegenden!“

Mathilda ruft mehrere Männer zu diesem Selbstmordkommando zusammen. Man braucht zwangsweise Blickkontakt für die Markierung. Glücklich ist sie nicht über diesen Auftrag. Wenn sie die Fliegenden aber nicht erledigen, vernichten sie die Luftunterstützung.

„Männer, los geht es“, stürmt sie voran und zielt auf die fliegenden Magier mit ihrer Waffe. Ein endloser Moment beginnt. Feuergeschosse kommen angeflogen und verbrennen direkt neben ihr die Soldaten zu Asche. 

Fluchend brüllt Mathilda: „Los du scheiß Erfassung, werde endlich fertig“, ihr Schrei vermag jedoch nicht die Geräuschkulisse zu durchdringen. Als das Erfassungssystem auf Grün schaltet, fällt Mathilda ein Stein vom Herzen. Einen Augenblick später pulverisieren Railgungeschosse die fliegenden Magier und reißen riesige Löcher in den dahinterliegenden Turm. Ohrenbetäubender Lärm durchschneidet Sekunden später die Luft und lässt alle für einen Moment innehalten.

Erleichtert atmen alle auf. Panisch schauen die feindlichen Bodentruppen auf die herabregnende Asche. Die Triebwerke fallender Flugzeuge klingen wie Musik in Mathildas Ohren. Ein Blick zum Himmel zaubert ein Lächeln auf ihr Gesicht. Der Teufel persönlich bringt sein Feuerwerk. 

Wo auch immer diese Amerikaner die Warthogs noch aufgetrieben haben. 

Staub wirbelt um den Turm auf, als die Geschosse einregnen und sich durch die Körper der Magier beißen. In verschiedene Richtungen ziehen die Piloten ihre Maschinen wieder hoch und fliegen davon. Jubel übertönt das stockende Kampfgeschehen. Langsam scheint den Gegnern zu dämmern, was ihnen blüht. 

„Geht sofort in Deckung“, schreit Mathilda, als sie einen gleichlautenden Funkspruch bekommt. Ein fliegendes Kanonenboot fängt sogleich mit dem Beschuss an. Explosion für Explosion zerfetzt den Feind.

„Das ist zu …“, schreit Mathilda ins Funkgerät, was ihr im nächsten Augenblick aus der Hand gerissen wird, bevor sie zu Ende sprechen kann. Von einer Explosion in der Nähe wird sie durch die Luft geschleudert.

Alles dreht sich in ihrem Kopf. Verwirrt sieht sie sich nach dem Funkgerät um. 

Das sind doch unsere Leute. 

Stück für Stück kriecht sie auf allen Vieren hin. Mit Mühe schreit sie den Kommandanten an: „Eigenbeschuss, Feuer sofort einstellen!“ 

Viele weitere Geschosse später hören die Explosionen auf. Unter Schmerzen steht Mathilda wieder auf. Einzig einige lichte Stellen erlauben hindurchzusehen und geben den Blick auf all die Leichen frei. Doch der Frieden trügt. Schon fliegen die ersten magischen Geschosse wieder durch die Gegend. Soldaten erwidern das Feuer.

Mit dem Funkgerät in der Einen, und der Pistole in der anderen Hand gibt Mathilda die nächsten Anweisungen: „Panzer vorrücken. Männer, nehmt die neuen Waffen. Geben wir ihnen den Rest.“

Obwohl die Kammer tief unter der Erde ist, hört man bis hierher das Wummern der Maschinengewehre und Explosionen durch die Gänge hallen.

Trautes Heim, Glück allein. Es ist schön, zu Haus zu sein. […]

Mit einem leisen Klacken öffnen sich die Handschellen. Der bläuliche Strahl verstummt. 

Leicht gerötet sind die Stellen, an denen die Handschellen anlagen. Erleichtert reibt Onin sich die Hände. 

Ihre Kraft schwindet.

„Die Melodie, sie ist weg“, ahnt Arsor Ungutes, als er sich langsam umdreht. 

„Wie kann das sein? Wieso beherrschst du auf einmal Magie“, röchelt Arsor vor sich hin, während er in die Luft gehoben wird.

„So viele Fragen. Wie einfach ihr euch täuschen lassen habt. Ich hatte fünf Jahre Zeit sie zu studieren“, woraufhin er ihn ohne einen weiteren Kommentar gegen die Wand schleudert.

***

„Mathilda, die Waffen funktionieren nicht mehr“, kommt ein Funkspruch rein.

„Meine ist auch kaputt. Ihre Zauberkräfte scheinen nachzulassen. Da kommen nur noch vereinzelt Angriffe. Säubert das Zielgebiet“, befiehlt sie abwesend.

Immer weniger Schüsse ertönen vom Schlachtfeld. Erschöpfte Soldaten sammeln sich und nehmen Feinde gefangen, die immer weniger Widerstand leisten. Verwundete werden ins Lazarett getragen, um sie zu versorgen. Nach und nach legt sich der Staub schützend über Mathildas Symphonie. Gestützt an einem Wall, bekommt sie das Treiben nur noch am Rande mit.

Ausgelaugt sackt sie zusammen und lässt sich ins Gras fallen. Ihr Blick richtet sich in den Himmel. 

Immer noch dunkel, woraufhin Mathilda die Augen schließt. 

Plötzlich spürt sie Wärme auf ihrer Haut.