Von Marie Schumann

Es war spät.

Die Nacht hatte die kleine Stadt in Dunkelheit gehüllt, die Sterne schimmerten dumpf am Horizont. Graue Wolken verdeckten den Mond wieder und wieder. Das Licht der Straßenlaternen reichte gerade so. 

Es war eine dumme Idee gewesen, um 1:05 nach Hause zu laufen. Hätte ich nur diesen verfluchten Bus nicht verpasst! Oder ich hätte bei Anna schlafen können. Aber nein. Ich musste mich entscheiden mitten in der Nacht durch unsere verdammte Kleinstadt zu laufen. 

Der Wind frischte auf und ich zog meine Lederjacke enger.

Verdammter Mist. Warum war es so kalt? Wenigstens war es nicht mehr weit. Noch durch den Stadtpark, um die Ecke an dem Kiosk vorbei und dann war ich zuhause. Zuhause! Ja. In meinem warmen, kuscheligen Bett. Gott, wie ich das gerade vermisste. Feiern gehen machte schon Spaß, aber der beste Teil war, wenn man dann in sein weiches Bett fallen konnte. 

Ich bog ab und trat durch den roten Torbogen des Parks. Meine Absätze klackten auf dem Backsteinweg und ich zog meinen Kragen höher. Verflixte Kälte. Ich konnte meinen Atem sehen. Lauter weiße Wölkchen, die in dem kargen Laternenlicht wie Nebel wirkten.

Leise kratzte etwas über…

Moment. Was?

Ich drehte mich um. Was kratzte da? Das Geräusch war augenblicklich verschwunden. Bildete ich mir jetzt schon Geräusche ein? Ich schüttelte den Kopf und lief hastig weiter. Nicht mehr weit, bald war der Park zu Ende. 

Da war es wieder.

Das Kratzen. Als würde jemand irgendetwas Schweres über den Steinboden ziehen. Meine Schritte beschleunigten sich. So ein Quatsch! Das war bestimmt nur eine Katze! Oder irgendein anderes Tier, das im Park wohnt. Ich hatte mal wieder zu viel Fantasie. Typisch. Vielleicht sollte ich ein Buch schreiben?

Das Kratzen kam näher, wurde lauter. Da vorne war bereits der rote Torbogen! Okay. Bald zuhause. Ich drückte meine Hände fest in meine Jackentaschen. Die Kälte kroch mir in die Knochen. Langsam wurde das Geräusch ohrenbetäubend. Ich rannte. Ich rannte, so schnell ich konnte, zum Ausgang. Die eisige Luft schnitt mir in die Lunge. Ich erreichte das Parkende. Das Kratzen war jetzt direkt hinter mir und dann-

-dann, war es fort.

Zögernd blieb ich stehen. Der rote Torbogen lag direkt vor mir. Mein Herz klopfte wild in meiner Brust. Langsam drehte ich mich um. Da war nichts. Nur der leere Park, kein Kratzen, kein Tier. Alles war friedlich. Ich schmunzelte über mich selbst. Ich sah zu viele Filme. 

Grinsend wandte ich mich wieder um und erstarrte. 

Wenige Zentimeter vor mir stand eine rabenschwarze Gestalt mit spitzen, sabbernden Zähnen. Sie starrte mich aus kalten leblosen Augen an, kratzte mit den messerscharfen Krallen über den steinernen Boden und dann-

-dann ging plötzlich das Licht aus.

„Hey.“

Was war das?

„Hey! Aufwachen!“ 

Mich blendete irgendein Licht. Mein Kopf klingelte fürchterlich, alles drehte sich. Ich blinzelte. Eine Taschenlampe leuchtete mich an. Zwei Parkwärter standen vor mir. 

„Alles in Ordnung? Bist du verrückt hier einzuschlafen?“ Ich runzelte die Stirn. Wo war ich denn eingeschlafen?

Der Morgen graute bereits. Ich lag auf einer Parkbank nicht weit vom roten Torbogen entfernt. Mir lief es kalt den Rücken herunter und ich sah mich hektisch um. Wo war es?! Wo war das Monster!?

„Hey!“, einer der Männer legte seine Hand auf meine Schulter: „Beruhig dich.“

Ich atmete schwer. Hatte ich mir das eingebildet? War der Alkohol schuld? Langsam beruhigte sich mein Herzschlag. Okay. Jetzt hatte ich mich selbst übertroffen. Bitte! Als ob es Monster gab! Ich schmunzelte und schüttelte den Kopf.

„Tut mir leid“, sagte ich zu den beiden Wärtern: „Ich-Es wird nicht wieder vorkommen.“ Ich lächelte.

„Wirklich?“, sie sahen mich an und grinsten. Sabbernde Zähne blitzten in ihren Mündern auf, ihre leblosen Augen glühten blutrot und ihre Finger wurden zu dicken Krallen: „Das ist schade.“

Shit.