Von Klaus-Dieter Oettrich

Inge wollte nicht alleine in den Bergen wandern. Daher gab sie Inserate auf mit den Überschriften:

– Meine Welt sind die Berge. Deine auch?

–  Wer wandert mit mir in den Bergen?

 

Der Grund:

Peter der Sohn des Hüttenwirtes vom „Gimpel Haus“ kam mit ernstem Gesicht auf sie zu.

„Was ist denn los Peter?“ fragte Inge.

„Es ist ein schreckliches Unglück passiert,“ erwiderte Peter.

„Wo sind meine Eltern?“

„Sie unternahmen einen Spaziergang. Deine Mutter rutschte aus, dein Vater wollte sie retten.

Aber der Berghang war so steil, dass sie beide abstürzten und sich sehr schwer verletzten. Ein Rettungshubschrauber flog sie in das Krankenhaus in Reutte (Tirol).“

„Ich muss sofort zu ihnen.“

„Werde dich gleich ins Krankenhaus fahren.“

 

Mit hoher Geschwindigkeit raste das Auto zum Krankenhaus.

„Bitte nehmen sie Platz,“ sagte der Arzt zu Inge und Peter.

„Ich habe eine schlechte Nachricht. Die Eltern von Inge sind verstorben.“

Inge brach in Tränen aus.

 

Als sie wieder auf der Berghütte waren, setzen alle sich in die Wohnstube.

Die Eltern von Peter waren auch da. Die Familie waren eng befreundet. Im Testament der Eltern von Inge war vereinbart, dass eine Beerdigung in Tannheim sattfinden sollte.

Am nächsten Morgen stieg Inge schon um 6 Uhr ins Tal ab.

„Vielen Dank für alles,“ sagte sie zu Peter. Er war wie ein Bruder zu ihr.

 

Am Nachmittag telefonierte Peter mit Inge, um mitzuteilen, welche Unterlagen für die Beerdigung nötig sind.

Am nächsten Tag war sie wieder auf der Hütte.

Zusammen erledigte man die schriftlichen Angelegenheiten.

Bei der Beerdigung waren auch ihr Chef und Kollegen(innen) dabei. Inge war sehr beliebt in der Firma. Sie hatte eigentlich nur den Fehler, dass sie sehr zurückgezogen bei ihren Eltern lebte. Eine Liebesbeziehung hatte sie noch nie. Die Berge waren ihr Leben.

 

Nachdem sie wieder im Architektenbüro arbeitete, gab sie Inserate auf.

Leider brachten die Antworten nicht den erhofften Erfolg.

Viele Männer dachten sich, dass es sich um eine Anzeige einer Frau handelt, die Sex suchte.

Daher erhielt sie u.a. folgende Antworten:

– Gerne würde ich mit dir wandern. Bitte sende mir ein Foto und teile mir deine Körpermasse mit. –

– Kannst du das Almhorn blasen? –

– Ich besteige nicht nur Berge –

usw.

 

Es kam kein persönliches Treffen zu Stande.

Niemand wollte eigentlich richtig wandern.

Inge war enttäuscht. Peter rief jeden Tag an, was sie sehr freute.

Beim letzten Anruf teilte sie ihm mit, dass sie am Wochenende zur Berghütte kommen wird.

Auf der Autofahrt dachte Inge über Peter nach. Sie waren beide 26 Jahre alt. Schon im  Sandkasten wurde gemeinsam gespielt. Er war wie ein Bruder zu ihr. Aber es entstand keine Liebesbeziehung. Peter war eben der Junge von der Berghütte.

Als sie auf der Berghütte Peter umarmte, fühlte es sich ganz anders als früher an.  Auch seine Blicke hatten sich verändert.

Lange Zeit  umarmten die beiden sich auf der Terrasse. Setzten sich dann auf eine Bank und schaute zum Haldensee hinab. Inge liebte diese Stille.

 

In diesem Augenblick kamen Peters Eltern auf die Terrasse und begrüßten herzlich und erfreut Inge.

„Hallo Tante Ruth, hallo Onkel Rudi,“ sagte Inge voller Freude. Zu den beiden sagte sie schon ihr ganzes Leben Onkel und Tante.

„Ich habe das private Gästezimmer schon vorbereitet. Aber richte dich so ein, wie du dich am wohlsten fühlst,“ teilte Tante Ruth mit.

„Ich kann dies nicht kostenlos annehmen. Darf ich in der Küche helfen? Oder die Gäste bedienen?“

„Als Architektin wird dir dies wohl keinen Spaß bereiten,“ meinte Onkel Rudi. „Du könntest aber mir helfen, als Bergführerin.“

„Diese Aufgabe würde ich gerne übernehmen.“

„Heute Mittag kommen 12 Wanderer und möchten eine dreistündige Tour unternehmen. Das Endziel soll Haller am Haldensee sein.

„Kein Problem für mich,“ sagte erfreut Inge. „Doch ich habe keine offizielle Bescheinigung als Bergführerin.“

„Dies habe ich mit dem Bürgermeister und der Bergwacht schon abgesprochen. Hier ist dein Ausweis. Es fehlt nur noch ein Foto von dir,“ teilte Peter mit.

„Seit langer Zeit bin ich wieder glücklich,“ sagte erfreut Inge. „Ich danke euch sehr, wie ihr mich aufgenommen habt.“

Inge richtete sich ein wenig im Zimmer ein und stellte auf dem Nachttisch ein Bild ihrer Eltern auf.

Immer wieder sah sie das Foto an und es rollten ihr die Tränen über die Wangen.

 

„Die Wandergruppe ist eingetroffen,“ rief Onkel Rudi.

Inge begrüßte die Wanderer. „Wir werden in ca. 5 Stunden in Haller sein.“

Peter sagte zu Inge: „Ich muss später noch zum Einkaufen ins Tal. Dann können wir uns um 19 Uhr im  Gasthaus am See treffen und gemeinsam dann aufsteigen.“

„Dies wäre sehr schön,“ sagte erfreut Inge.

 

Vor dem Aufstieg ging es aber erst zum Friedhof.

Schweigend stand man am Grab. Inge weinte. Da lagen nun die so sehr geliebten Eltern von Inge.

Sie sprachen kein Wort beim Aufstieg. Aber eine innere Zuneigung war zu spüren.  

Es dämmerte schon, als man am Gimpelhaus ankam. Wie jeden Tag war um 22 Uhr Hüttenruhe. Peter fragte u.a. noch: „Hast du einen Rechtsanwalt eingeschaltet, für dem ganzen Papierkram, wegen dem Erbe etc.?“

„Ja, natürlich. Auch die steuerliche Seite muss bearbeitet werden. Wenn ich nur verheiratet wäre, dann würde der Steuersatz nicht so hoch sein.“

„Das kann ja geändert,“ meinte Peter.

„Aber Peter, so schnell lässt sich doch kein Hochzeiter einfliegen,“ meinte Ruth.

„Vielleicht muss ja gar keiner einfliegen,“ meinte Peter.

„Peter, du hast manchmal schon komische Sprüche drauf,“ sagte sein Vater.

Inge schaute lächelnd Peter an.

 

Am nächsten Morgen führte Inge eine Wandergruppe zur Oskar-Mayr-Hütte.

Peter richtete vorher einen schönen Frühstückstisch für Inge. Zum Abschied gab es einen herzlichen Abschiedskuss.

Eine angenehme Wärme stieg bei Inge auf, die sie bisher gar nicht kannte und dachte, ich glaube jetzt kommen die Schmetterlinge. Bisher kannte sie dieses wunderbare Gefühl gar nicht und wünschte sich, dass alle Liebenden diesen Zustand erleben dürfen. Bei der Bergführung dachte Inge wieder an Peter. Wie schön, wenn er bei ihr nun wäre.

 

Nachmittags war Inge von der Bergwanderung wieder zurück.

Am frühen Morgen des nächsten Tages wollte Inge wieder ins Tal absteigen, da sie wieder arbeiten musste.

„Inge, ich steige mit dir ab, da ich noch nach Reutte fahren muss,“ teilte Peter mit.

„Das freut mich aber. Zu zweit ist wandern schöner,“ meinte Inge.

 

Am Parkplatz küsste Inge und Peter sich auf die Wange. Dann fuhr der rote Z3 BMW Richtung Grenze.

In der kommenden Nacht wurde nochmals miteinander telefonierte. Bevor das Gespräch beendet wurde, sagte Inge: „Peter ich glaube, ich bin in dich verliebt. Ich überlege mir schon die ganze Zeit, warum ich an dir vorbeigeschaut habe.“ „Mir geht es genau so. Ich muss immer an dich denken und sehne mich so sehr nach dir.“

Jeden Tag telefonierten die beiden miteinander.

 

Ein Berg von privaten Briefen, Faxe etc. lag Inge vor. Aber sie hatte keine Lust sie zu lesen. Viel lieber dachte sie an Peter.

„Peter ich komme schon am Donnerstag Abend,“ teilte Inge am nächsten Tag mit.

„Um wieviel Uhr?“

„Es wird bestimmt 22 Uhr werden.“

„Dann warte ich auf dich im Gasthof am See.“

„Das ist ja wunderbar. Ich freue mich schon auf dich.“

„Und ich erst.“

 

Peter war schon um 21 Uhr im Gasthof auf der Terrasse. Um 21.30 Uhr hörte er das Geräusch des Z3 Motors und ging zur Begrüßung auf den Parkplatz.

Nach einer innigen Umarmung wurde herzhaft geküsst.

„Oh wie wunderschön, dass du da bist. Ich überlege mir schon seit einiger Zeit warum ich an dir vorbeigeschaut habe.“

„Ich verstehe es auch nicht,“ bemerkte Inge,“ ich sah nur die Berge, mein Studium, meine Arbeit und meine leider verstorbenen Eltern. Sonst nichts. Ich glaube wenn ein nackter Mann früher neben mir gestanden wäre, hätte ich es gar nicht bemerkt.“

 

Die zwei nahmen sich Zeit beim Aufstieg und küssten sich immer wieder.

Auf der Hütte warteten schon Peters Eltern.

„Ihr habt aber lange gebraucht. Habe mit Otto telefoniert, der mir mitteilte, dass der BMW schon vor 3 Stunden angekommen wäre.“

„Wenn dauernd geküsst wird, geht es nicht so schnell,“ erwiderte Peter.

„Seid ihr nun ein Paar?“ fragte die Mutter.

„Ja, wir lieben uns,“antwortete Inge.

 

Am nächsten Tag übernahm Inge eine Bergführung.

Am Abend saß sie mit Peter auf der Terrasse. Heute waren wenig Gäste da. So konnten sich auch später die Eltern dazu setzen.

 

„Ist es möglich, dass Peter nächste Woche für zwei bis drei Tage zu mir nach Deutschland kommt?“ Fragte Iris die Eltern von Peter. Bei mir sieht es wie in einem Saustall aus. Die meisten Briefe etc. habe ich in letzter Zeit nicht beantwortet. Alleine schaff ich das nicht.“

„Natürlich kannst du Inge bei ihr daheim helfen. Wir bekommen das hier schon hin. Die Hochsaison ist ja vorbei,“ meinte der Vater zu Peter.

„Also, dann fahren wir am Sonntagabend nach Hagnau und kehren am Donnerstag wieder zurück.“

Am Sonntag war erst um 23 Uhr die Abfahrt zum Bodensee.  

In Hagnau sagte Inge: „Ich werde jetzt mal die Lichter am Haus einschalten.

Was Peter nun sah, war überwältigend.

Automatisch öffnete sich das Eingangstor.

„Peter du sagst ja gar nichts mehr.“

„Ich bin überwältigt. Habt ihr auch Löwen?“

„Nein, nur eine ausgezeichnete Alarmanlage.“

Nun zeigte Inge das Gästezimmer. „Hier kannst du dich ein paar Stunden ausruhen, wir sehen uns dann um 7 Uhr beim Frühstück.“

 

Nach dem Frühstück ging man sofort in das Arbeitszimmer.

„Lese mal die Antworten durch der Inserate. Das meiste ist wohl Mist oder von sexuellen krankhaften  Leuten geschrieben. Fahre nun ins Architekturbüro, werde aber in 3 Stunden wieder da sein.“

Peter begann mit der Arbeit.

Nach 3 Stunden kam Inge wieder.

„Schon vorangekommen?“ fragte Inge.

„Nur 3 Antworten von Frauen, die wirklich wandern wollten. Über 100 Antworten kamen von Interessenten mit anderen Vorstellungen.

„Was möchten die denn?“

„Sex“.

Inge überflog einige Antworten. „Da sind ja richtige Schweine dabei. Oh Menschheit wo gehst du hin.“

Bei einer Antwort verweilte Inge.

„Dieses Schreiben kommt von meinem Chef. Sag mal, sind die meisten Männer so geil?“

„Das weiß ich nicht, aber schau doch mich an.“

„Du bist auch der Peter von den Bergen.“

„Meinst du, in den Bergen gibt es keinen Sex? Erst letzte Woche trieb es ein Pärchen so stark, dass der Rahmen des Bettes zerbrach.“

„Ich kann mit meinem Chef nicht mehr zusammen arbeiten. Ich werde morgen fristlos kündigen.

Wenn er nicht einwilligt, werde ich ihm seinen Brief zeigen.“

„Was willst du dann tun?“

„Ich gehe in die Berge, da ist die Welt noch nicht so versaut.“

„Willst du auf unsere Hütte kommen und auf den ganzen Komfort hier verzichten?“

„Ja, aber dann bin ich immer bei dir.“

„Das finde ich super.“

 

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