Von Annika Viktoria Blatt

„Die Zeitung ist da!“ Meine Sekretärin steht an der Tür zum Büro und ich schaue von meiner  Post auf.

„Legen Sie sie einfach auf meinen Schreibtisch.“, bitte ich sie. Nachdem dies geschehen ist, werfe ich einen raschen Blick darauf und blicke sogleich wieder hoch. Im gleichen Augenblich erkenne ich den Sinn, in dem von mir zuvor Gelesenen und mir fällt die Kaffeetasse aus der Hand. Der Schreck fährt mir durch alle Glieder und ein eiskalter Schauer läuft meinen Rücken hinunter. Ich sehe wie sich die braune Brühe des heißen Getränks auf der Zeitung verteilt und doch erkenne ich noch das Inserat.

„JULIA KÖNIG

Der Herr hat unsere geliebte Tochter zu sich genommen, viel zu früh!

Ihre Beerdigung findet am 28.November um 10 Uhr in der Hansedorfer Kapelle mit anschließender Beisetzung statt.

Im Namen aller Angehörigen, die Eltern der verstorbenen Julia König“

Mir wird ganz flau und ich streiche sanft über die Buchstaben des Wortes Julia. Diese verschwimmen vor meinen Augen.  Julia ist tot! Die Freundin, die ich schon im Sandkasten gekannt habe, gibt es nicht mehr! Doch Julia war nicht nur eine Freundin, Julia war meine große Liebe!

Nachdem sie zum Studieren nach München gezogen war, habe ich ihr ständig, ach was sage ich, minütlich Briefe und E-Mails geschickt. Ich wartete auf eine Antwort, auf ein Lebenszeichen- vergeblich und mein Herz spürte, dass Julia mich vergessen hatte.

Und nun habe ich sie wieder gefunden- tot, in einem Inserat. Mein Herz zerspringt fast vor Schmerz und ich merke, dass ich sie all die Jahre immer geliebt habe, auch wenn sie nie bei mir war. Schluchzend drücke ich die Zeitung an mein Herz, in dem Julia für immer einen Platz gefunden hat.

 

Mit zitternden Händen öffne ich das Eisentor zum Friedhof in Hansendorf. Die Sonne steht schon tief und wirkt wie ein riesiger, glühend heißer Feuerball, die den Himmel in ein zauberhaftes Orange taucht.  Ich bin fast der einzige Mensch und suche in der Einsamkeit die Gräber ab- nach meiner Julia.

Schließlich stehe ich endlich davor: Vor dem mit Blumenkränzen geschmückten Erdhügel in dem ein Holzkreuz steckt. Julia König steht in schwungvollen, goldenen Buchstaben darauf, woraufhin ich unwillkürlich an die lebenslustige Frau denken muss. Plötzlich fällt mir ein glitzernder Punkt auf dem Kreuz auf und ich gehe näher heran. Mich trifft fast der Schlag, als ich es erkenne.  Das ist… Aber das kann doch nicht… Er ist es! Es ist der Ring, den ich Julia bevor sie nach München gezogen ist gab. Und nun liegt er immer noch bei ihr! Sie hat mich also nie vergessen! NIE! Mir kommen die Tränen und ich betrachte den Ring. Ein echt goldener mit einem Rubinstein, den ich mir nun an den Finger stecke. Wehmütig und zugleich glücklich knie ich vor dem Grab nieder, vor meiner Prinzessin. Am Himmel taucht der erste Stern auf und leuchtet golden am nachtblauen Himmel. Und es ist fast so als wäre Julia dieser Stern, der immer auf mich aufpasst.