Von Hubertus Heidloff

Hiobsbotschaft: Meldung in der Tagesschau: Ab sofort gilt ein Ausgehverbot wegen Luftverschmutzung!

Mir fiel in der gleichen Sekunde ein, wie viele Termine ich noch hatte, neben Arztterminen, Besprechungen, Verabredungen, Veranstaltungen. Oh Gott, mein voller Terminkalender und Ausgehverbot! Das konnte nicht sein!

War aber so.

Außerdem hatte ich einen Vorstellungstermin bei der Hamburg – Hannoverschen. Das war für mich besonders wichtig. Fast so etwas wie meine letzte Chance. Ich hatte immerhin die 50 schon etwas überschritten.

Ich hatte mir einen Schein besorgt, der mir erlaubte, das Gebäude der Versicherung an zu steuern, trotz Luftverschmutzung.

Warum hatte ich in den letzten Jahren nur so sehr geschlammt? Zu nichts hatte ich so richtig Lust. Stimmte eigentlich gar nicht. Ich wollte eher mehr als weniger.

Bereits im Studium war ich nicht besonders glücklich mit der Wahl meines Faches. Etliche andere wollten schnell fertig werden und gaben richtig Gas. Streber!

Ich war damals der Meinung, das Leben sei noch lang genug. Warum also sollte ich mir mit dem Ende des Studiums so viel Mühe geben? Alle anderen verließen die Uni, ich hatte noch zwei oder drei Semester vor mir. Dafür konnte ich das Leben in vollen Zügen genießen.

 

Ich erinnere mich noch, als ein Kommilitone vorschlug, wir sollten ein Railway Ticket lösen. Das war besonders günstig und ermöglichte uns den Besuch mehrerer europäischer Länder und ihrer Hauptstädte.  Genau das richtige für mich. Das war Tatendrang pur!

Nach sechs Wochen kamen wir zurück und ich hatte mich nicht eingeschrieben. Wieder ein Semester futsch!

Außerdem hatte ich eh nicht die richtige Lust am Ingenieur Beruf.

 

Ich wollte viel lieber Pädagogik studieren, etwas mit Menschen machen. Das lag mir viel mehr als ein trockenes Technikstudium. Also Eintrag in Pädagogik zum Beginn des nächsten Semesters.

Wie viel Lebenserfahrung ich doch schon hatte.  Da mussten andere erst mal hinkommen. Ein bisschen Sport wollte ich neben Germanistik machen. Ich wähnte mich sportlich, aber ganz so einfach war es dann nicht. In der Prüfung wollten die wirklich einen Riesen am Reck sehen. Aber ich war doch gar kein Turner. Absturz am Gerät! 

Ein Ausgleich war möglich in einem anderen Fach. Ich wählte Leichtathletik. 5000 m in 17.30 min. Ich brauchte 19.30 min.

Warum muss man das können, wenn man doch nur Kinder unterrichten will?

 

Viel interessanter war ein Studium in Psychologie. Hier zeigten sich die wirklichen Möglichkeiten des Menschen. Die kennt man aus seiner reichen Lebenserfahrung.

Die Prüfung verlief etwas unglücklich für mich.  Seltsame Fragen.

 

In den nachfolgenden Jahren erfuhr ich die Härte des Lebens.

Ich jobbte. Viele Jobs. Ich wollte mich weiterbilden.  Wollte nicht stehen bleiben.

Sanitäter, mit dem Berufsziel Arzt. Da benötigte ich einen NC. Ich war davon ausgegangen, dass Wartezeiten angerechnet wurden. Wurden sie auch, aber nur im Fachbereich Medizin, z.B. als Sanitäter. Hatte ich aber viel zu kurz gemacht, um zum Medizinstudium zugelassen zu werden. 

 

Im Sägewerk dann endlich konnte ich meine ganze Lebenserfahrung einbringen. Das war’s!

Vorstellung beim Chef: Der bestätigte mir meine Lebenserfahrung, ich hatte den Job.

Jetzt hätten mich meine ehemaligen Kommilitonen und Professoren mal sehen sollten. Ich war Bandführer, ich konnte selbstständig entscheiden, was ich machen wollte, natürlich nach Rücksprache mit dem Chef.

Dass ich bei diesem herrlichen Job einen Finger verloren hatte, erwähne ich nur am Rande.

 

Dann bot sich die Möglichkeit bei der Hamburg-Hannoverschen. Das war meine Chance. Hier kamen Lebenserfahrung und Psychologie zusammen. Ich war mir sicher, dass es ohne mich gar nicht gehen konnte. Ich war hocherfreut, als endlich die Tür aufging und ich von einer netten jungen Frau herein geholt wurde. Der Chef der Runde sagte mir, ich solle über mein Leben berichten. Das tat ich gern und ausführlich. Schließlich hatte ich viel erlebt. Die Railway Geschichte hob ich mir bis zum Schluss auf.

Ich wurde gebeten, auf dem Flur Platz zu nehmen.

Ich konnte nicht verstehen, warum mir anschließend mitgeteilt wurde, ein anderer Kandidat sei genommen worden.

Nachdenklich ging ich nach Hause. Wie oft hatte ich jetzt Niederlagen erleben müssen. Ich kam zum Nach-Denken. Warum verkannten die Menschen meine Fähigkeiten? Ich strahlte doch so viel an Zuversicht, an positiver Energie aus. Das hätte man doch merken müssen. Hätte ich immer nur klagen sollen, wie schlimm es mir geht?

Demnächst werde ich das mal ausprobieren.