Von Simone Tröger

 

Charles Connor ist ein hochgewachsener blonder 16-jähriger Jüngling mit durchtrainierter Figur und den angesagtesten Klamotten.

Dass er aus einem reichen Hause kommt, sieht man ihm rundum an.

Sein Vater verdient das Geld für die Familie mit Schönheitsoperationen frustrierter Damen und Herren der High Society.  Zudem hat er erfolgreich an der Börse spekuliert. Oder spekulieren lassen.  Aufgewachsen ist der Vater in Los Angeles ohne Mangel an Luxus, versteht sich.

Charles gibt in der Klasse damit an, seinen Zweitwohnsitz in dieser Metropole zu haben und alle Annehmlichkeiten zu nutzen. Egal, ob es sich um Pool-Partys mit heißen Mädels oder Discobesuche handelt. Er brüstet sich mit roadtrips im 1959er Chevrolet Corvette Convertible seines Erzeugers (wie er seinen Vater manchmal nennt) und dessen 1970er Ford Mustang.  Was Vaters, ist auch Charles`, meint er.  Die hübschen girls betteln regelmäßig um eine Spritztour.

Wenn sein Vater noch mehr Geld gemacht hat, richtetet er Charles ein Penthouse ein. Kein kleines. Da ist er sich sicher.

Charles findet es in diesem Trubel angenehmer als in Deutschland. Obwohl es für ihn hier, wie dort, kein Problem ist, hemmungslos zu flirten. Dafür anfällig sind deutsche und amerikanische Frauen gleichermaßen.

Seine Mutter hat Arbeit nicht nötig, lediglich diverse Charity-Gala-Auftritte stellen sie ins Licht der Öffentlichkeit.  Das ist nicht immer so gewesen, aber da ist Charles ein Kind. Die Erinnerung daran verblasst immer stärker.  Die Bühne, auf der die Mutter gelegentlich steht, wirkt auf Charles außerdem zu unbedeutend.

Charles meint, weil sein Vater mit „Herr Doktor“ angesprochen wird, hat der Junge es verdient, mit Ehrfurcht behandelt zu werden.

Hochnäsigkeit und fehlende Empathie sind die wichtigsten Charakterzüge von Charles.

Als ein Mädchen einmal in ihn verliebt ist – warum auch immer – steht er mit seinen Klassenkameraden im Kreis, das Mädchen in der Mitte und lacht mit lauter Stimme: „Du mit deiner hässlichen Fratze kriegst niemals einen ab.“  Die Mitschülerin wird rot, und versucht es aus dem Kreis der Jugendlichen heraus. Alle schubsen sie reihum, das Mädchen kann sich nicht wehren, schafft dies nicht. Sie lassen erst ab, als es zum Unterricht klingelt.

Ein anderes Mal spielen die kleinen Jungs auf der Wiese Fußball. Sie sind voller Euphorie und brüllen „Los, Ronaldo!“ oder „Messi, Tor!“.  Da geht Charles hin, holt irgendeinen spitzen Gegenstand aus seiner Tasche, macht drei Löcher in den Ball, und lässt sehr langsam die Luft aus dem Sportgerät entweichen. Nicht wenige der armen Kleinen weinen heftig. Andere stehen fassungslos da und fragen sich, wie ein so großer Junge auf diese Art das match noch während der ersten Halbzeit beenden kann. Charles geht weg mit einem Grinsen, als hat er den Nobelpreis im Sachen-Kaputt-Machen bekommen.

Die Eltern haben mit sich zu tun und merken das übertriebene Geltungsbedürfnis ihres Sohnes nicht.

Auf die Schule hat Charles keine Lust. Er geht nur dahin, um später in Yale zu studieren. Er weiß jedoch nicht einmal, was. Seinem Alten wird schon etwas einfallen.

Weil ihm jedoch öfter langweilig ist, lässt er sich von einer Kundin oder Patientin seines Vaters – wie immer man das nennen will – einen Model-Job verschaffen. Es ist kein Job, der ab und an eine Modenschau im Gang eines Kaufhauses zeigt. Nein, so richtig was Großes – mit Manager und so. Versuchen kann er es durchaus, wenn er scheitert, wird das Geld auch nicht weniger. Wenn schon, denn schon.

Da kommt es, dass er für einen Laufsteg in Los Angeles gebucht wird. Für Charles ein Heimspiel. Eventuell geht etwas in „Hollywood“? Das eine hat eigentlich nichts mit dem anderes zu tun. Bei Charles schon!

Es werden die Wintermodelle vorgeführt.  Wintermodelle, die Kalifornien nicht nötig hat. Hier sind heiße Fetzen angesagt, die an heißen Körpern getragen werden. Aber zum Relaxen geht es in die Rockys!  Dort ist es nicht immer und überall warm.

Die Kollektion beinhaltet dicke Wintermäntel. Charles hat die Aufgabe bekommen, einen solchen der zuschauenden Damen- und Männerwelt zu präsentieren und ihnen die Dollar-Noten aus der perlenbestickten oder ledernen Tasche zu ziehen.

Der junge Schönling beherrscht die überschwänglich gekünstelten Schritte der Profi-Models perfekt und wie gelernt. Es sieht aus, als würde er mit seinen Beinen kickboxen. Man bescheinigt ihm, dass er ein Naturtalent ist.

Das sind die Bretter, die die Welt bedeuten. Das ist Charles` Spielfeld. Nicht die Bühnen seiner Eltern.

So wird bei 35 Grad beach-Temperatur statt knapper Bikinis nicht einmal etwas Vergleichbares bestaunt.

 

In der Beifall-klatschenden Menge sitzt in erster Reihe eine ältere Dame, die nach dem event beim „meet and greet“ Charles` deutschen Akzent bemerkt und ihn in dieser Sprache anspricht:

„Sie erinnern mich an den niedlichen süßen Charly aus der Kindergarten- und Hortgruppe, wo ich als Erzieherin gearbeitet habe. Er hat er seinen Laufsteg inmitten von Bauklötzchen und anderen Spielzeugen gehabt. Charly wurde mit sechs Jahren dann aber privat betreut.“

 

Charles steht wie festgewachsen und fühlt sich schlagartig 15 Jahre jünger. Eine konkrete Erinnerung an damalige Erlebnisse hat er jedoch nicht.

 

Das Fazit?!

Ein Arrogant und Frau`n-Aufreisser war auch einmal ein Hosenscheisser.

 

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