Von Jana von Fellenberg
Vorsichtig streiche ich mit der flachen Hand über die Badzimmerkacheln der neuen Wohnung meiner Freundin. Schön, heile Kacheln. Sie sind fast lächerlich sauber. Ehe ich mich versehe, balle ich die Hand zur Faust und schlage sie laut scheppernd gegen die perfekt weisse Wand, bei welcher ich sofort zu wagen gehofft habe, dass sich kleine Blutsprenkel in das Material einfressen. Leider ist das Donnern leiser als erwartet, ein dumpfer Schlag.
Vielleicht dachte ich, wir wären cool miteinander. Vielleicht rede ich mir ein, den Stich ins Herz nicht gespürt zu haben, als ich in der Tür gestanden bin und sie mit ihrem Million-Dollar-Smile habe lachen sehe.
Und jetzt bin ich hier, die Welt draussen rotiert noch um die eigene Achse, während meine langsam aufgehört hat zu drehen.
Plötzlich steht die Frau im Badezimmer, die neben meinen Ex-Freunden zuoberst auf meiner Hassliste steht: Ihre Mutter. Sie ist so jemand, die Aquarellbilder malt, weil sie denkt, dass gehöre zum Alter. Obwohl sie selbst noch keine sechzig ist. Jedes Mal, wenn ich sie sehe, kommen mir Porzellanuntertassen und blaue Strände mit abertausenden Muscheln in den Sinn. So etwas, was man eben mit Müttern assoziiert. Dabei habe ich diese Frau kein einziges Mal lächeln sehen.
- «Du machst hier besser nichts kaputt, Lana», sagt sie und greift willkürlich nach meinem Arm.
Ihre Hände sind knochig und sehr klein. Ihre Tochter dagegen ist das Gegenteil von ihr, sehr gross und kräftig. Es erstaunt mich immer wieder, dass sie überhaupt verwandt sind. Unterschiedlicher können Menschen kaum sein.
- «Was willst du von mir?», versuche ich sie mit meinem wenigsten ärgerlichen Tonfall zu erreichen.
Trotz ihrer kleinen Grösse schüchtert sie mich immer wieder aufs Neue ein.
- «Du bist aus ihrem Leben verschwunden, also mache dir und uns das Leben nicht unnötig schwer.»
Und bevor ich mich versehe, klatscht meine Hand gegen ihre Wange. Die Hand, die zuvor die Badezimmerkacheln und noch früher die Hand ihrer Tochter gestreichelt hat, läuft jetzt rot an. Es ist ein brummender Schmerz, und er fühlt sich verdammt so an, dass ich dieses Kapitel meines Lebens eigenhändig beendet habe.
Mit dem Gewissen, dass ich hier nie mehr zurückkehren darf, sprinte ich so schnell wie möglich zur Haustür hinaus. Vorbei an den lachenden Gesichtern der Umzugshelfer, und ich frage mich, ob sie mich je bemerkt haben unter meinem lachenden Gesicht.
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