Von Helga Rougui

Bukowski ist mein Nachbar. Er heißt nach dem berüchtigten Underground-Dichter – warum, liegt auf der Hand, wenn Sie ihn näher kennen.

 

Wir sitzen in der Blende in D…dorf-Bilk, Micha „Mikey“ und ich. Draußen regnets, es ist fast Mitternacht. Bukowski kommt rein, pitschnaß, latscht an unseren Tisch und stiert mich an, als ob ich wissen müsse, was er von mir will. Er schwankt ein bißchen, das ist normal, wirkt insgesamt etwas verbeult, ebenfalls normal. Auch hat er seine Zigarette nicht ausgemacht. Maria, die Wirtin, guckt rüber – als sie sieht, es ist Bukowski, klappt sie den Mund wieder zu – alles normal.

Bukowski stiert mich an. Mikey feixt.

Wir schweigen ne Weile.

Ich sag bißchen undeutlich Bukowski setz dich erst mal du tropft in mein bier wasnlos was guckst du so –

Bukowski wirft die Kippe auf den Boden, drückt sie mit dem Absatz aus, nimmt mein Bier, trinkt es auf ex und schweigt.

Micha umschließt sein Bierglas fest mit beiden Händen.

Dann nach ner Weile merkt Bukowski, daß er Michas Bier nicht kriegen wird, und sagt:

„Ey Daniel, ich hab ne Wette gewonnen. Aber so RICHTIG, ja. Du glaubst es nicht – zwei Millionen Euro. Bar auf die Kralle. Nä nä nä.“

Er klopft auf seine rechte, ziemlich ausgebeulte Jackentasche. Was hat er da drin – ne Melone?

Endlich setzt er sich auf den dritten freien Stuhl, stützt die Ellbogen auf den Tisch und hält sich den Kopf mit beiden Händen, als ob er Angst hat, er werde ihm abfallen, der Kopf, wenn er ihn losließe.

Ich befinde mich scheints in einer etwas schwierigen Ausdrucks- und vor allem Begreifphase – daher ist meine Reaktion erst mal:

„Hä?“

Micha feixt, hält sein Bier weiter fest – man kann nie wissen – und kapiert noch weniger als ich.

Bukowski dreht sich zur Wirtin um und ruft, während er in seiner Jackentasche rumnestelt wie Bilbo, der nach dem Ring fingert:

„Eine Maaaagnum Champagner, aber dalli!“

 

In der Kneipe wird es totenstill.

 

Jetzt beginne ich zu begreifen, daß Bukowski keinen Witz gemacht hat. Ich rufe – wie ich meine – geistesgegenwärtig hinterher: „Warn SCHERZ Maria!“ – und alle, die die Luft angehalten haben, atmen aus, die Gespräche setzen wieder ein, Maria hat sowieso nichts gehört, weil sie grad mit dem Kopf unterm Tresen steckt – wieder irgendwas mit der verfickten Cola-Zuleitung, meine Güte wer trinkt schon Cola – Moment wo war ich?

Ich mache zu Bukowski Schschschschhhhhh bist du plemplem – sei leise Mann und nimm die Finger aus der Tasche. (Nur nicht auffallen im Gasthaus Zum Tänzelnden Pony.) Komm Buko wir trinken erst mal nochn Bier – und dann erzähl.

 

Das Bier kommt, wir trinken, Bukowski erzählt:

„Gerade eben, gegen elf, ich komm ausm Uerige und geh da so Richtung Rheinufer, da komm ich an diesem kleinen Shisha-Bistro vorbei, Kasbah heißt das glaub ich, und plötzlich fliegt da einer durch die Tür raus aufs Pflaster direkt mir vor die Füße.

Ein Scheich.

Ich denk so, tolle Verkleidung, sieht richtig echt aus, alles dran, Schleier, Burnus, und dieses schwarze Kordelding, das den Schleier auf dem Kopf hält. Einen schwarzen Rauschebart hat der auch, wie der Prophet persönlich, war aber nicht so nüchtern wie der Prophet, das war mal klar.

Er krümmt sich ein bißchen, und ich helfe ihm auf. Nicht ganz leicht, so sicher war ich auch nicht mehr auf den Beinen. Wir klammern uns schwankend aneinander, landen erst mal wieder in ner Pfütze, ziemlich feuchte Angelegenheit. Es dauert was, bis wir dann aufrecht stehen, und der Scheich sagt ziemlich polyglott und eloquent:

– Du bist – du bist – der erste nette Mensch hier in diesem Kackdorf – da regnets eher in der Wüste als daß einem in diesem Land mal einer hilft, ohne gleich was dafür haben zu wollen oder nen Vortrag zu halten –

Ich sage leicht mäandernd:

– Ich hab nix für und trag nix vor –

und dann schießt mir plötzlich wie ein Blitz ein Gedanke durch den Kopf:

– … und im übrigen hats grad geregnet in deiner Wüste, Kumpel.

Der Scheich guckt wie ein Ferrari vorm Start, gluckst vor Lachen und entgegnet:

– Ha ha, nie und nimmer – wetten, daß nicht?

Und ich:

– Ha ha, ganz sicher – wetten, daß doch? Um wieviel?

– Um 2 Millionen Euro – mehr hab ich nicht dabei.

Ich sage okay, kein Problem für mich.

Ja ja, Wettschulden sind Ehrenschulden. Woher soll ich 2 Millionen Euro nehmen im Fall, daß ich verliere? – was einigermaßen wahrscheinlich ist?

Das kratzte mich aber grad nicht so – weil n bißchen blau war ich natürlich auch –

und ich dachte mir, wenn es hart auf hart kommt, laufe ich immer noch schneller als der Wüstenfürst in seinem bodenlangen Kleid.

 

Also wir zurück ins Bistro.

An den Wänden, aufgereiht wie Zimmerpflanzen, ne Menge Bodyguards, und die waren nicht im Kostüm, sondern berufstypisch hammerpraktisch gekleidet.

Sie sahen aus, als ob sie nen guten Sprint hinlegen könnten, wenns drauf ankäme. Ich schluckte.

Der Scheich sagte dem Chefscheich – äh dem Wirt – er möge den Fernseher anmachen.

Satellit – kein Problem – Al Jazeera English – es liefen grad Nachrichten, dann der Wetterbericht –

und was soll ich euch sagen –

 

Bukowski hebt sein Bier, trinkt, und fährt fort:

– … es hatte geregnet in der Wüste!

 

Der Rest war schnell erzählt. Der Scheich, im Gegensatz zu Bukowski ein Ehrenmann, setzte seine Übermacht an Bodyguards nicht ein, um sein Geld zu retten.

 

Und so stolperte Bukowski gegen halb 12 Uhr nachts durch die Altstadt zum nächsten Taxistand, seine Jackentasche ausgebeult von einigen Bündeln 1000 Euroscheinen, und fuhr zur Blende, die ja praktisch unser Wohnzimmer ist. Ein, zwei Scheinchen hatte er aus der Tasche gefischt, um den Taxifahrer zu bezahlen – „stimmt so“ – der daraufhin sofort Feierabend machte für den Rest des Monats.

 

Ja, ja, das Wetter und die Wetter.

Immer für eine Geschichte gut.