Von Max Siegel

Felix ist mit seinen 48 Jahren noch recht sportlich, wenn nur sein rechtes Bein noch mitmachen würde, beim Gehen zieht er es leicht nach. Er hatte Eishockey gespielt bei den EHC Kloten Flyers, in der höchsten Liga der Schweiz. Als linker Flügelstürmer war er bekannt als aggressiver Angreifer, der den Zweikampf nicht scheute. Dann kam seine verhängnisvolle Saison, als er in einem Spiel gegen den HC Davos seinen rechten Meniskus riss und operiert werden musste. Kaum war er genesen und wieder auf dem Eisfeld kam das nächste Missgeschick. In einem Match lief er in einen Body-Check des kanadischen Verstärkungsspielers Ron Abbot vom SC Bern, wurde dabei in die Bande geschleudert und brach sich die Kniescheibe des gleichen Beines. Fix, wie in seine Mitspieler nennen, fiel daraufhin die restliche Zeit der Saison aus.

Seither hatte er an den Folgen seiner Sportunfälle zu leiden, Kniescheibe, Meniskus und mehrere Hirnerschütterungen. Dies veranlasste seinen Club den Profivertrag mit ihm nicht mehr zu verlängern. Fix rang sich daraufhin durch, seine recht erfolgreiche Karriere als professioneller Eishockeyspieler mit 34 Jahren an den Nagel zu hängen. Seither prangt sein Leibchen an der Decke der „Swissair-Arena“ neben den Shirts anderer verdienstvoller Spieler. Dies ist eine besondere Ehrung, eine Art „Hall of Fame“ und seine Rückennummer „24“ darf nie mehr anderen Spielern abgegeben werden. Heute pflegt er noch ab und zu an Matches seines Clubs zu gehen. Im Stadion-Restaurant wird er von vielen Fans immer noch freundlich begrüsst und einige klopfen wie früher anerkennend auf seine Schultern. Nach den Spielen gibt es aber nicht mehr viel zu feiern. Die Kloten Flyers befinden sich schon seit Jahren in einer Abwärtsspirale und es gehen mehr Spiele verloren als dass Siege resultieren. Vor vier Jahren begann deshalb die Clubleitung teure Spieler mit grossen Namen einzukaufen. Trotz diesen Stars trat keine Wende ein. Wenige dieser Spieler identifizieren sich mit dem Club und der Region. Es fehlen die Emotionen, man spielt einfach für die hunderttausende Franken Gage die man pro Saison bekommt. Da war es zu Zeiten als Fix noch spielte anders, man war ein verschworener Haufen, der um Ehre und Ansehen spielte und viermal in Serie Schweizer-Meister wurde. Doch nun, rutscht der Club Jahr für Jahr in tiefere Regionen der Rangliste. Zurzeit stehen die Kloten Flyers auf dem letzten Platz und es droht der verheerende Abstieg in die Nationalliga B. Es fehlt zudem an Sponsoren und an flüssigen Finanzmitteln. Die Clubleitung investierte mehr Geld in teure Spieler und den Ausbau des Stadions in eine Luxusarena, als der Club an nötigen Einnahmen überhaupt generieren kann. Millionen Schulden treiben den Club in den Konkurs, was bedeuten würde, dass hunderte hoffnungsvolle Junioren von heute auf morgen keinen Club mehr hätten. Die Kinder und Jugendlichen könnten dann nicht mehr ihrem Hobby und der Kameradschaft frönen und hingen in ihrer Freizeit irgendwo herum. Diese Gedanken treiben Fix den Blutdruck hoch und die Wut in Bauch und Gedärme. Es muss etwas unternommen werden, denn sein „Blau-Weiss-Rotes“ Herz blutet. Mit drei Sponsoren, die ebenso Anhänger wie Fix sind, gründete er den Verein „Rettet die EHC Kloten Flyers“.

Nach seiner Karriere entwickelte Felix eine kleine Softwarefirma, die recht guten Umsatz erwirtschaftet und 22 Mitarbeiter beschäftigt. Sie wirft aber nicht so viel Gewinn ab, dass er den Schuldenberg des Clubs von 8,7 Millionen Franken tilgen könnte. Also beauftragte er seine Marketing-Mitarbeiterin Lisa einen Bettelbrief an alle Firmen der Region zu versenden. Lisa hatte noch andere tolle Ideen, unter anderem einen Sammeltag auf dem Bahnhofplatz zu veranstalten. Und, und……und im Deutschen Zahlenlotto mitzuspielen, da können jeweils mehrere Millionen Euro gewonnen werden. Ja, das wäre super, denn die Clubführung vermeldete, dass die National-Ligakommission verlangt, die Bücher einzusehen, um überhaupt eine Spiellizenz für die neue Saison ausstellen zu können. Ein Damoklesschwert mehr das über den Club zu hängen kam. Fix besprach sich mit den andern Rettern und man kam zur Einsicht, dass an der nächsten Generalversammlung, die in drei Wochen stattfindet der gesamte Vorstand abgesetzt werden muss. Die Verantwortung müssen in neue Leute und neue Hände gelegt werden.

Vor den Sommerferien organisierte Lisa den „EHC Sammeltag“ mit grossem Erfolg. Es war ein warmer, schöner Samstag und über 5000 Fans, Anhänger und Bürger kamen mit ihren Schals, Fahnen und Trikots auf den Bahnhofplatz. Eine Band spielte und es wurde ein Manifest vorgelesen. Fix bestieg ein kleines Podest und hielt eine flammende Rede und rief alle zum Spenden auf. Ein riesiges Sparschwein in den Clubfarben wurde aufgestellt. Es war rührend zu sehen, wie Kinder ihre Sparsocken plünderten, Väter ihre Portmonees zückten, Fans ihr Geld opferten und andere Vereine sich solidarisch zeigten. Es kam am Ende eine ansehnliche Summe zusammen. Mit den Spendengeldern der Firmen welche auf den Bettelbrief reagierten, war man somit bei einem Betrag von 2, 6 Millionen Franken. Es fehlten immer noch 6 Millionen. Am Ende der Aktion marschierten fast alle 5000 Besucher in einem Umzug durchs kleine Provinzstädtchen vor den Toren von Zürich. Fan-Lieder singend zogen sie bis zum Stadion hoch, wo jeder Teilnehmer eine Gratis-Bratwurst bekam.

Nach jedem Montagmorgen-Meeting kontrollierten Lisa, Fix und seine Sekretärin die Zahlen des Deutschen Lottos, jedes Mal mit dem gleichen Resultat; Nichts, Rien, Nada! Mit einem Frust-Kaffee zogen sie sich anschliessend in ihre Büros zurück. Viel Zeit blieb nicht mehr um das Unheil abzuwenden. Es gab eine hektische Generalversammlung an welcher alle fünf Vorstandsmitglieder abgewählt wurden. Da Felix sich stark ins Zeug legte und Versprechungen abgab, wurde er als neues Mitglied in die Clubleitung gewählt. Ebenso seine Kollegen aus dem Rettungsverein, die nun alle in der Pflicht standen für die offenen 6 Millionen Franken gerade zu stehen. Lotto, ja Lotto war die Hoffnung von Fix, aber die Glücksfee ging mit einem leeren Füllhorn an ihm vorbei.

Es gab nur noch eines, sein Privatvermögen musste herhalten. Zum Glück hatte er vor einigen Jahren das Bauernhaus seines Grossvaters geerbt und konnte es zu einem guten Preis an einen bekannten Architekten verkaufen, denn das Haus stand mitten in der Kernzone des Dorfes in dem er aufgewachsen war. Seit dem Verkauf verfügte er über eine ansehnliche Summe, welche er nun in seinen Herzens-Club investierte. Die drei andern Club-Retter waren ja schon Sponsoren des EHC Kloten Flyers und erhöhten ihre Aktienanteile am Club. Ohne Lotto-Millionen ist der Club heute schuldenfrei und kein Sanierungsfall mehr.

Die neue Clubführung verordnete den Kloten Flyers eine Vorwärtsstrategie, alle teuren Stars wurden teilweise mit Gewinn an andere Clubs verkauft. Die Mannschaft erhielt einen neuen Trainer, welcher voll auf die Jugend setzt und viele Junioren ins Team einbaute. Der Spielstil der Mannschaft wurde schnell, unbeschwert und laufstark. Oftmals überrennen die jungen Wilden der Kloten Flyers ihre Gegner, was dann im Stadionrestaurant „Zum Puck“ heftig gefeiert wird. Die EHC-Rettung färbte sich auch auf die Stadt ab, welche nach dem Swissair-Grounding und dem Konkurs der Fluggesellschaft darnieder lag und viele Arbeitslose zu beklagen hatte. Heute spürt man Optimismus in der Bevölkerung, man hat was gemeinsam geschaffen und Neues auf die Beine gestellt. Die Leute strömen wieder ins Stadion und fast jedes Heimspiel ist ausverkauft. Felix ist deshalb nicht nur das vergilbte Leibchen unter dem Hallendach, sondern einer der Retter der Stunde.

Gestern kam Lisa ins Büro von Fix gestürmt: „Du wir haben gewonnen!“ „Was gewonnen?“ war Fix erstaunt. „Im Lotto, und nicht wenig, über 2500 Euro!“ strahlte sie übers ganze Gesicht. „OK, nicht schlecht“ meinte Felix erfreut und gab dann Lisa den Auftrag: „Bitte organisiere mit dem Betrag im „Restaurant Fujiya“ ein feines Dinner für unsere ganze Belegschaft. Wir haben es uns nach diesen Turbulenzen verdient und du im Besonderen.“