Von Clara Sinn

Sie gönnte sich

Ruhe. Die ersehnte Ruhe einfach.

Löste nacheinander die Blockaden, Verhärtungen und Abschnürungen im Körper so, dass sie völlig frei atmete. Hielt nichts mehr fest: Ließ den Bauch zerfließen, die Schultern herabfließen, den ganzen Körper hinfließen, wo er hinwollte. Ließ als Nächstes die Gedanken los. Als ob man, unerwünschtem Trubel entkommend, die Tür hinter Kindern, die nicht anders können, als sich einer übel lärmenden Horde gleich zu gebärden, endlich schließen konnte, um sich dem einsetzenden Heilschock plötzlich gewaltiger Stille ganz zu ergeben. Und die Gefühle gleich mit. Einzig, weil es so wohl tat.

Alles durfte sein, alles durch bloßes Sosein richtig.

Zuverlässig setzte dieses Schweben ein, dies levitationsähnliche Emporgehoben- und -gehaltenwerden, Gewichts-, Masse- und Körperlosigkeit … Leichtigkeit … derart, dass es sie zerstören würde, wollte man sie näher beschreiben, aber es hatte eine Spur von hell-heiter mit einer minimalen Unternote auch von leicht süß irgendwie. So, wie sich eine Blume vom Verknospungszustand zur weiten Blüte auffalten ließ und, der Sonne zugewandt, geöffnet verbleibend

hielt …

Der Wecker warf sie ab in die Schmerzen des Lauten, auf den Boden der Härte anstehenden Pflichtdräuens …

Sie sprang sogleich zurück

nochmal in dies schiere Lebentanken …

Das Schlummerintervall ließ ihr zehn Minuten, ihre Rückkehr als hindernisbefreit glattes Weiterfließen nachzuformen

in dies nährend wohltuende Einmünden

in einen selbstgestalteten Morgen lichterfüllt freudiger, verheißungsvoll positiver Gundgestimmtheit.

Der treue Wecker meldete sich erneut. Und jetzt passte es genau.

Mit ihrer ausgeruhten, frischeprallen, abenteuerstrotzenden Neugierde auf den neuen Tag.

Als sie die Füße aus dem Bett setzte, merkte sie, dass ihre alte Hündin es sich ja bequem gemacht hatte auf dem Vorleger. In der letzten Zeit stahl sich dieses Tier, wenn sie sich ihre kontemplativen Auszeiten nahm, schon mal ins Meditationszimmer, was es sonst auch nie gemacht hatte. Unmerklich platzierte es sich geräuschlos irgendwo in respektvolle Nähe ihrer Intimität mit diesem sublimen Subtilen. Eines Höheren.

Sie schaute auf diese in aller Ruhe der Welt daliegende Kreatur.

Die Pfoten entspannt nach vorn, den müden Kopf vollendet abgelegt auf die Beine.

Und ihre Seele war nicht mehr

da.

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