Von Silke Kemnitz-Brenjo

„Wow! Das ist ja der Hammer! Dieses türkisgrüne Meer.“Lisa schießen die Tränen in die Augen. Sie ist begeistert und jetzt im Nachhinein echt froh, dass Mia sie zu diesem Mädels-Urlaub überredet hat. Vor zwei Monaten, bei einer gemütlichen Flasche Wein, redeten die beiden Freundinnen sich richtig in Rage, was sie machen würden, wenn sie noch einmal 25 und Singles wären. „Ich würde sofort meine Sachen packen und einfach drauf los fahren, immer der Sonne entgegen“, träumte Mia. Lisa stimmte sofort mit ein, „einfach mit geschlossenen Augen den Finger auf die Landkarte legen oder heutzutage den Finger auf Google Maps legen und ab ins Abenteuer.“ „Warum machen wir es nicht einfach jetzt? Okay, wir sind keine Singles aber ich finde mit 47 und 49 genau im richtigen Alter für ein Abenteuer“, lachte Mia. „Die Männer können hier die Stellung halten und sich um die Kids kümmern. Ich finde wir haben uns eine Auszeit verdient, einen coolen Mädels-Urlaub!“

 

Mia hat mit ihren 49 immer noch Hummeln in der Furt, ist sehr spontan und unternehmungslustig. Sie  ist seit 20 Jahren mit Nick verheiratet, hat  standesgemäß zwei Kinder, einen Kater und wohnt in einer Doppelhaushälfte. Mia arbeitet freiberuflich als Immobilienfotografin  und geht zwei Mal in der Woche ins Fitnessstudio, okay manchmal auch nur, um sich in die Sauna zu legen, aber egal.

 

Lisa ist ihre beste Freundin, immer auf Zack, weiß alles, was in der Nachbarschaft los ist und kennt gefühlt Jeden. Sie hat ein Kind, behauptet aber immer, dass Max, ihr Mann, eigentlich ihr zweites Kind ist und echt anstrengender als ein Sack Flöhe. Lisa wohnt praktischerweise in derselben Straße wie Mia in einer gemütlichen Eigentumswohnung.

Sie ist 47, eine richtig coole Socke und hatte bis vor kurzem noch einen kleinen Blumenladen. Leider musste sie diesen schließen. Seitdem fährt sie mit einem pinken VW Bulli, ihrem mobilen Blumenladen, durch die Gegend.

 

Genau in diesem Bulli sitzen die beiden Freundinnen jetzt, natürlich ohne Blumen aber dafür mit zwei Klappmatratzen, ein paar Klamotten, Bikinis, Sonnenbrillen und ein paar Fläschchen Wein.

Der Finger auf Google Maps hat sie nach Kroatien geführt. „Lass uns ein Boot mieten und in irgendeine einsame Bucht zum Baden fahren“ schlägt Lisa vor. Zwei Stunden und 3 „rent a boat“ Typen später, ankern die beiden in einer verlassenen Bucht und chillen in der Sonne. Lisa  will gerade ins Wasser springen, „hey Mia, guck mal da hinten. Ich sage nur, braun gebrannter durchtrainierter Körper in gelben Badeshorts mit rosa Flamingos auf dem SUP.“ Mia dreht sich sofort neugierig um. „Der ist aber ganz schön weit draußen mit seinem SUP. Er liegt da so still, meinst du der ist in der Sonne eingepennt?“  Der Typ treibt immer weiter auf das offene Meer raus, also holt Lisa kurzerhand den Anker rein. „Lass uns lieber mal hin fahren und gucken, ob alles okay ist.“ Die Mädels fahren vorsichtig mit dem Boot Richtung SUP. „Hey, bist du eingepennt? Hallo! Wach auf, du hast schon einen mega Sonnenbrand.“ Ruft Lisa dem Typen zu. Plötzlich kippelt das SUP von den Wellen ihres Bootes und der Typ klatscht, wie ein nasser Sack, ins Wasser. „Scheiße, der geht unter!“ Mia springt ins Wasser und versucht ihn irgendwiewieder auf das SUP zu ziehen. „Hey, aufwachen! Hilf mir schnell Lisa! Schnell! Der säuft echt ab.“ Die Freundinnen versuchen zusammen, mit aller Kraft den Typen wieder auf das SUP zu ziehen aber er ist einfach zu schwer und bewusstlos dazu. Panik bricht aus, vielleicht hat er einen Sonnenstich oder einen Herzinfarkt?“ schreit Mia. „Wir müssen die Ruhe bewahren, schnell gib mir die Poolnudeln aus dem Boot und das Seil“ übernimmt Lisa das Kommando. Mit vereinter Kraft schaffen die Freundinnen es, dem Typ die Poolnudeln mit dem Seil so umzubinden, dass er oben schwimmt und so ziehen sie ihn dann vorsichtig auf das SUP zurück. Erschöpft überprüft Mia den Puls des Typen, wird kreidebleich und schreit panisch: „Scheiße! Der Typ ist Tod! Tod! Verstehst Du? Mausetod!

Was machen wir jetzt mit ihm? Sollen wir ihn einfach treiben lassen?“ „Spinnst Du?“ kreischt Lisa. „Was ist wenn uns einer beobachtet hat, die denken doch, wir haben ihn umgebracht! Scheiße, so eine Scheiße! Mia, wo ist dein Handy, wir rufen die Polizei.“ Lisa tippt die Nummer ein, nichts passiert, sie versucht es erneut. „Es kann nicht wahr sein, ich habe kein Netz, der Anruf geht einfach nicht raus. Was jetzt, Mia? Mir ist echt kotzschlecht!“ Mia überlegt fieberhaft, was sie tun sollen? „Wir nehmen ihn mit, binden das SUP am Boot fest und ziehen ihn hinter uns her, bis wir wieder Netz haben und die Polizei erreichen. Dann erzählen wir denen, was passiert ist und die sollen sich um ihn kümmern.“ So tuckern die Mädels mit dem Boot Richtung Hafen und ziehen den Typen mit Poolnudeln und Seilen am SUP festgezurrt hinter sich her und versuchen immer wieder erfolglos die Polizei telefonisch zu erreichen.  Sie nähern sich der  Hafeneinfahrt und erregen  mächtig Aufsehen mit ihrem braungebrannten, an  Poolnudeln gebundenen Typen auf dem SUP. „Ich komme mir wie eine Verbrecherin vor, dabei haben wir nichts  getan, außer dass wir dem Typen helfen wollten“ jammert Mia. Plötzlich ertönt eine Sirene, ein Polizeiboot kommt mit hoher Geschwindigkeit von hinten auf sie zu und fordert die Beiden auf sofort zu stoppen. Ihnen ist klar, dass sie ein skurriles Bild abgeben und die Panik steigt in ihnen wieder auf, gemischt mit Erleichterung endlich den Typen los zu werden.

Ihnen wird erst das SUP mit dem Poolnudel-Typen abgenommen, dann übernimmt ein Polizist das Boot und ein anderer geleitet Mia und Lisa unsanft auf das Polizeiboot. Die Freundinnen reden aufgeregt durcheinander, versuchen zu erklären, was passiert ist, wie sie den Typen entdeckt haben und dass er schon tot war. Die Polizisten gucken sie mit finsterer Mine an, entweder verstehen  sie sie nicht, da Mia und Lisa kein kroatisch können, oder sie wollen sie nicht verstehen? Das Polizeiboot legt an, zwei weitere Polizisten kommen an Bord und nehmen Mia und Lisa mit zur Wache. Nach gefühlten 8 Stunden Verhör in einem Mischmasch aus gebrochenem Deutsch, Kroatisch und Englisch sitzen die Freundinnen zusammengekauert und apathisch tatsächlich in einer Zelle in einem kroatischen Polizeirevier. Unfassbar! Es wird später und später, irgendwann werden die beiden von der Müdigkeit und Erschöpfung übermannt. Am nächsten Morgen werden Mia und Lisa unsanft aus ihrem Schlaf gerissen und wieder in einen  Verhörraum geführt. Zum Glück ist jetzt auch eine Dolmetscherin dabei, die fließend Deutsch spricht.  Die Freundinnen erzählen aufgeregt noch mal die ganzen Ereignisse, die Dolmetscherin übersetzt alles und teilt es den Polizisten mit. Diese  verlassen kurz darauf den Raum mit einem Kollegen der an die  Tür geklopft hat.

Dann wird auch die Dolmetscherin aus dem Verhörraum raus geleitet. „Scheiße Mia, die glauben uns kein Wort! Das ist ein Alptraum!“ Lisa bricht in Tränen aus und zittert am ganzen Körper. Nach gefühlten 4 Stunden wird plötzlich die Tür aufgerissen und die Polizisten kommen mit der Dolmetscherin zurück. Der eine Polizist guckt die Freundinnen mies gelaunt an, sagt etwas auf kroatisch und die Dolmetscherin übersetzt: „Sie können die Wache verlassen.“ Mia und Lisa brechen fast zusammen vor Erleichterung.

Die Dolmetscherin erzählt den beiden, dass es sich bei dem Toten um den 38 jährigen Charly Zicz handelt. Er wurde vor 2 Tagen nach einer Party auf einer großen Super-Yacht, mitten auf dem Meer, als vermisst gemeldet. Seine Freunde sagten aus, dass er im betrunken und zu gekifften Zustand  unbedingt noch SUP fahren wollte. Sie haben sich keine weiteren Gedanken darüber gemacht, da alle sehr betrunken und in Partystimmung waren. Der Obduktionsbericht ist gerade rein gekommen und hat ergeben, dass Charly wohl auf dem SUP eingeschlafen sein muss und sich irgendwann, durch den Mix aus zu viel Alkohol und Cannabis, übergeben hat und an seinem Erbrochenem erstickt ist.

„Das heißt für Sie beide, dass Sie noch auf den Bericht warten müssen und dann gehen könne,“ klärt die Dolmetscherin die Freundinnen auf. Erleichtert fallen sich Mia und Lisa schluchzender weise in die Arme. 

Zwei Stunden später sind sie auf freiem Fuß und  versuchen dem „rent a boat“ Typen zu erklären, warum sie sein Boot nicht zurück gebracht haben und dass es noch bei der Polizei steht und er es da abholen kann. Oh man ist der sauer, zum Glück verstehen Mia und Lisa nicht, was er ihnen alles auf kroatisch an den Kopf wirft. Aber ganz ehrlich, die beiden Freundinnen kann das nicht mehr schocken, da haben sie in den letzten 48 Stunden viel Schlimmeres durch gemacht. Okay, ihre Kaution für das Boot ist jetzt futsch aber  das ist egal. Sie wollen jetzt nur noch unter die Dusche, in den pinken Blumen Bulli steigen und zurück nach Hause. „Das war echt genug Abenteuer für die nächsten 10 Jahre.“ stöhnt Mia.

 

Lisa blickt vom Bulli aus noch einmal zurück auf das Meer.

„Dieses türkisgrüne Meer.“Lisa schießen die Tränen in die Augen. Sie bekommt das Bild vom toten Charly auf dem SUP nicht aus dem Kopf.

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