Von Anne Moog 

Kommissar Nils Löwenstein eröffnete die Dienstbesprechung ohne Begrüßungsfloskeln. „Am Samstag um 9.40 Uhr ging ein Anruf bei der Polizei ein. Eine Sarah Wagner meldete den Fund ihrer toten Freundin. Frau Wagner hat einen Schlüssel vom Haus. Nachdem diese weder auf ihre Anrufe noch auf das Klingeln reagierte, betrat sie das Haus und entdeckte die Leiche. Bei der Toten handelt es sich um die 52 jährige Maren von der Heydt.“ Er projizierte eine Aufnahme der Leiche an die Wand. „Eine millionenschwere Großunternehmerin, verheiratet, keine Kinder.“ Ein weiteres Foto zeigte das Ehepaar bei einer Wohltätigkeitsveranstaltung. 

„Ein optisch sehr ungleiches Paar“, entfuhr es Antje. „Er fast wie George Clooney und sie so was von unscheinbar. Krass.“ „Aber sie hat Geld, viel Geld. Das macht attraktiv“, kommentierte der Kommissar mit einem breiten Grinsen. 

„Jedenfalls war der Ehemann zum Zeitpunkt des Todes zu einem Golfturnier, das von Freitag bis Sonntag gehen sollte. Alibi ist geprüft“, warf Antje ein.  

„Zurück zu der Toten. Sie lag auf dem Sofa, der tote Hund vor ihr auf dem Boden. Auf dem Couchtisch fanden wir einen mit PC geschriebenen Abschiedsbrief ohne Unterschrift und ein leeres Fläschchen, vermutlich Gift. Die KTU ist dran. 

Mit dem Ehemann haben wir nach seiner Rückkehr gesprochen. Bei ihm bin ich mir nicht sicher, welche Nachricht ihn mehr getroffen hat. Als wir ihm sagten, dass seine Frau tot ist, schien er entsetzt zu sein. Als er erfuhr, dass sein Hund tot ist, war er zutiefst erschüttert und völlig verstört.“ Nils zog vielsagend die Augenbrauen hoch. „Was hat die Befragung des Umfeldes ergeben?“

Jens meldete sich zu Wort. „Es deutet nichts darauf hin, dass Frau von der Heydt sich das Leben nehmen wollte. Insbesondere die direkte Nachbarin, eine ältere Dame, die sie schon seit ihrer Kindheit kannte, schloss dies kategorisch aus. Ich zitiere: Auf gar keinen Fall. Nehmen Sie lieber mal den Ehemann unter die Lupe. Der hat sie nur wegen des Geldes geheiratet, hatte ständig Affären … Und Maren hat ihm immer wieder verziehen. Zuletzt hat sie mir von seinem Geschenk, einem selbstgemachen Adventskalender mit 24 Schokoladenmuffins, erzählt. Für sie war es ein Liebesbeweis, ich fand das mehr als suspekt.

„Na, das nenne ich mal eine Anschuldigung“, sagte Nils. „Wir wissen übrigens auch, dass es einen Ehevertrag gibt. Danach würde er bei Scheidung leer ausgehen und bei Tod millionenschwer erben. Damit hätten wir ein mögliches Motiv. Gibt es sonst noch was?“ 

„Ja, bei mir hat sich ein Privatdetektiv gemeldet“, sagte Antje. „Er wollte uns darüber informieren, dass die Tote seine Auftraggeberin war. Er sollte vor ca. 8 Wochen für sie herausfinden, mit wem ihr Mann eine Affäre hat. Und jetzt kommt es. Ratet mal mit wem?“ Antje schaute in die die Runde. „Mit Sarah Wagner, der vermeintlich besten Freundin. Ein Klassiker. Damit haben wir in ihr auch eine Tatverdächtige“, schloss Antje ihre Ausführungen. 

Es klopfte. Der Kommissar erhielt den Obduktionsbericht. „Sie starb an einer Vergiftung. Keine Überraschung. Nach dem Mageninhalt zu urteilen wurde das Gift allerdings nicht isoliert, sondern in Verbindung mit Schokoladenkuchen aufgenommen. So auch bei dem Hund.“ Nils runzelte nachdenklich die Stirn. „Jetzt bekommt der besagte Adventskalender eine ganz neue Bedeutung. Der Muffin war vergiftet. Frau und Hund haben sich entweder den Muffin geteilt oder der Hund hat die heruntergefallen Krümel gefressen. Ich denke, der Tod der Frau war geplant, der des Hundes ein Unfall. Hhm…, alle Indizien sprechen für eine gemeinsame Tat von Ehemann und Geliebter. Was uns fehlt ist ein Geständnis.“ Nils atmete tief durch. „Und das kriegen wir nur über den Hund. An ihm hängt sein Herz wirklich. Ich werde bei der Vernehmung den Tod des Hundes etwas `verändert` darstellen.“ 

 

„Herr von der Heydt. Ihre Frau starb an einer Vergiftung, aber nicht aus dem Fläschchen, was auf dem Couchtisch stand. Der Muffin aus dem Adventskalender, den Sie gebacken haben, war vergiftet. Das hat die Obduktion klar belegen können. Sie haben Ihre Frau getötet.“ 

Er schaute den Ermittler entrüstet an. „Warum sollte ich das tun?“

„Ganz einfach. Damit Sie als millionenschwerer Alleinerbe das Leben mit ihrer Geliebten Sarah Wagner genießen können.“ 

„Meine Affäre mit Sarah ist schon lange vorbei.“ 

„Da haben wir andere Informationen. Scheinbar haben Sie sich seit Oktober nicht mehr mit ihr getroffen. Aber das war Teil des Plans. Es sollte alles nach der großen Versöhnung mit ihrer Frau aussehen. Daher auch das Geschenk, der selbst gemachte Adventskalender. Mit viel Liebe gebacken … Was ich nicht verstehe, warum hat Ihre Geliebte den Hund umgebracht?“ 

Von der Heydt riss die Augen auf. „Was? Wie kommen Sie denn darauf? Das würde Sarah nie tun.“ Er schluchzte. „Benny war mein ein und alles.“ 

„Vielleicht genau deshalb. Eifersucht?“ 

„Quatsch. Wer ist denn auf einen Hund eifersüchtig?“ 

„Tja, die Frage können wohl nur Sie beantworten.“ 

Er schien verwirrt. „Ich verstehe gar nichts mehr. Ich dachte, Sarah hätte meine Frau und Benny tot aufgefunden.“ 

„So sollte es aussehen.“ 

„Aber?“ 

„Als ihre Geliebte die Tür öffnete, kam ihr der Hund bellend entgegen. Dafür gibt es Zeugen. Ihre Geliebte hat, wie geplant, den gefälschten Abschiedsbrief und das Giftfläschchen auf den Tisch gelegt, damit alles nach Selbstmord aussah und dann Ihren Hund vergiftet. Sie hat gewartet, bis er tot war und erst dann die Polizei gerufen.“ 

Das blanke Entsetzen und die Sprachlosigkeit waren von der Heydt anzusehen. Er sank in sich auf dem Stuhl zusammen. „Wie kann man nur so niederträchtig sein? Sie weiß doch, wie sehr ich Benny liebe.“ Er schüttelte den Kopf.

Es entstand eine längere Pause. Der Kommissar spürte, dass von der Heydt kurz vor dem Geständnis stand. 

„Sie konnte ihn nie leiden“, sprach er zögerlich. „Die Idee mit dem Adventskalender kam von ihr. Sie hat das Gift besorgt, ich habe die Muffins gebacken. Wir wollten meine Frau loswerden, Deutschland verlassen und irgendwo ganz neu anfangen, mit viel Geld und natürlich mit Benny.“ Von der Heydt weinte jetzt bitterlich. „Wissen Sie, mit meiner Frau war es nie die große Liebe gewesen, aber wir haben uns akzeptiert und respektiert. Und wir haben beide Benny über alles geliebt.“ Er schlug sich die Hände vor das Gesicht. „Wie konnte ich Maren nur durch eine Frau ersetzen wollen, die meinen Hund tötet? Ich bin wirklich ein Idiot.“