Marianne Apfelstedt

Die Nacht weckt die Frühlingsgefühle der Besucher, die auf leisen Tatzen durch den dunklen Garten huschen. Ein alter Haudegen, grau getigert, das rechte Ohr nur halb, setzt sich im Mondlicht in Pose, putzt sich den Pelz und maunzt seinen durchdringenden Liebesgesang hinaus in die mondhelle Nacht. Eine weitere Kehle stimmt ein in die Liebesarie der Frühlingsnacht.

 

„Miez, Miez!“, schmeichelt eine leise Stimme hinter dem Fliederbusch. Sie flüstert, sie lockt. Auf samtigen Pfoten, den buschigen Schwanz anmutig in die Höhe gereckt stolziert eine schwarze Perserkatze durch die Einfahrt in den Garten. Vorsichtig erkundet sie die Düfte der Dunkelheit und erkennt den verlockenden Geruch von Thunfisch. Jetzt kennt sie kein Halten mehr, mit blitzenden gelben Augen springt sie über den Rasen, folgt der Duftspur und umkreist den Fliederbusch. Magnetisch angezogen vom unwiderstehlichen Leckerbissen.

 

***

 

Die Sonne lockt mich mit ihren Strahlen nach draußen. Perfektes Wetter für eine Runde mit meinem Hund Filou. Erst geht es hinaus auf die Felder, beim Rückweg führt uns der Weg durch bewohnte Straßen, bis zum Häuschen der Witwe Mehner. „Grüß Gott Frau Mehner bei ihnen blüht es herrlich, es duftet bis an den Gartenzaun!“ Tief versunken in ihr Tun scheint sie mich nicht zu hören. Mit scharfer Schere knipst sie die Rosen von den Stielen. Blüte um Blüte. Alt wird sie jetzt, denke ich. Aus der Kittelschürze ragen sehnige Arme, ledrig braun von der Gartenarbeit in der Sonne. Sie richtet sich auf und schaut aus blicklosen Augen in die Ferne: „Schon so weit. Alles ist verblüht. Der Winter kommt.“

 

„Sie haben recht! Jetzt im Oktober ist der Winter nicht mehr weit“, doch sie hat mir den Rücken zugedreht und ist wieder in ihre eigene Welt abgetaucht. „Ich wünsche ihnen noch einen schönen Tag“, verabschiede ich mich von ihr. Am anderen Ende des Gartenzauns bewundere ich den strahlend blauen Eisenhut, der mit unzähligen Blütendolden jede Menge Insekten anlockt. Plötzlich bleibt Filou stehen, zieht den Schwanz ein und winselt qualvoll. Auch nach genauer Inspektion seiner Pfoten und der Umgebung finde ich keinen Grund für sein Winseln und wir setzen unseren Spaziergang fort. Einige Häuser weiter schlendern wir am Gartenzaun samt Thuja Hecke entlang. „Hallo Kathrin“, ein schwarzer Lockenkopf schaut neben dem Grün hervor.

 

„Hi Franziska, eure Hecke ist dieses Jahr ja ordentlich gewachsen.“

 

„Ja sie wird immer höher,“ grinst sie mich an. „Hast du zufällig unseren Johnny gesehen? Er ist zwar ein ziemlicher Rumtreiber, aber jetzt ist er schon über eine Woche nicht nach Hause gekommen und ich mach mir langsam Sorgen.“

 

„Du meinst den Tigerkater, der nur ein halbes Ohr hat?“

 

„Ja, genau. Damit ist er unverwechselbar“, schmunzelt sie. „Nächsten Sommer wird er schon dreizehn.“

 

„Leider nein. Ich werde auf unseren Spaziergängen die Augen aufhalten. Wenn ich ihn sehe, melde ich mich. Bis dann“, zügig laufen wir weiter nach Hause.

Einige Tage später lese ich entsetzt in der Tageszeitung.

 

Makabrer Kellerfund in Neustadt

Letzten Montag wurde eine 85-jährige Frau nach einem Oberschenkelhalsbruch von Feuerwehr und Rettungsdienst aus ihrer Wohnung gerettet. Die Helfer bemerkten einen penetranten Geruch im Haus. Im Keller kamen leere Dosen mit Katzenfutter der Sorte Thunfisch zum Vorschein. Daneben lagen halbverweste Katzenkadaver mit abgezogenem Fell. Die Tatwaffe, zwei Metzgermesser aus dem Nachlass des verstorbenen Ehemannes, wurden ebenfalls sichergestellt. Bei der Befragung kam ans Licht, dass die Haustiere aus der Nachbarschaft, durch Eisenhut versetztes Futter starben. Aus den vorgefundenen Katzenfellen wollte die Täterin eine Decke nähen. Als Grund gab die verwirrte Frau an, die Katzen hätten ihr mit ihrem Gekreische die Nachtruhe geraubt.

 

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