Von Helga Rougui

ach ja der komet –

– was wäre denn nun

wenn er berlin träfe

dann gäbe es berlin nicht mehr

und vermutlich wären große teile von europa geschmolzen

in weniger als drei sekunden

 

europa läge in schutt und asche

und wäre das

was es sonst nur in fernen kontinenten gäbe

– ein krisengebiet

 

diesmal läge das krisengebiet nicht am arsch der welt

in thailand oder in louisiana oder so

tsunami hin hurrikan her

wir befänden uns im auge des sturms

sehr unangenehm

 

***

 

Carla hastete einigermaßen kopflos hin und her. Das war ansich schon eine Leistung, ging sie doch seit Jahren ihrer Arthrose und ihres beachtlichen Übergewichts wegen an zwei Gehstöcken. Krücken wollte sie sie noch nicht nennen – das klang einfach zu krank.

Aber seit der Kometenwarnung konnte sie auf ihren prekären Gesundheitszustand keine Rücksicht mehr nehmen.

Es hieß, einen Koffer mit dem Notwendigen zu packen, und das so schnell, daß der Bus, der den Stadtteil evakuierte, in dem sie lebte, nicht ohne sie davonfuhr.

 

Was eigentlich sinnlos war, denn in so kurzer Zeit konnte kein Bus oder irgendein anderes Gefährt zu Lande so weit fahren, daß es nicht mindestens vom Schweif des Kometen erfaßt würde.

Daher die durchaus begründete Kopflosigkeit.

 

Carla hatte Schweife und überhaupt Schwänze im allgemeinen immer abgelehnt.

Inwieweit das mit der Tatsache korrelierte, daß sie seit ihren frühen Mädchentagen lesbisch war, sei dahingestellt. Das erste Anzeichen war wohl gewesen, daß Barbie nicht mit Ken, sondern mit Midge die Ehe einging und mit ihr zusammen in einem rosa Puppenheim wohnte.

So machte es auch ihre Besitzerin, die, als sie volljährig wurde, mit der wunderschönen Giulia zusammenzog, die ihr von nun an Gattin, Geliebte und Gefährtin war – und sie lebten glücklich vereint bis ans Ende ihrer Tage …

Mitnichten.

Giulia hatte sich neu verliebt, ausgerechnet in einen Mann, und war ausgezogen – insoweit hatte Carla ihr ganz persönlicher Komet bereits reichlich heimgesucht.

 

Von nun an verabscheute sie Männer noch mehr – sowie Ponies und Pferde und Politiker und Hunde und alles, was Schweif trug, ausschweifend lebte und weitschweifig daherredete – und natürlich mißbilligte sie, weil er denn ebenfalls männlich war, den Tod.

 

Dem sie nun zu entgehen versuchte, indem sie alles, was ihr in die Finger fiel, in einen Koffer warf. Sie humpelte, ihr Gepäckstück mühselig hinter sich herziehend, hinunter zur Hauptstraße, wo der Bus vorbeikommen würde.

 

So hatte zumindest der Facebook-Post gelautet, der sich auf ihren Stadtteil bezog.

 

An der Bushaltestelle war kein Mensch. Wo waren die alle? Die Nachbarn? Die Ladeninhaber? Die Touristen? Die Hunde? Die Ponies?

Und kein Bus weit und breit. Überhaupt schien der Verkehr völlig zum Erliegen gekommen zu sein. Kein Auto fuhr vorbei.

 

Der Himmel verdunkelte sich. Ein Wind kam auf, der zum Orkan wurde. Es begann zu regnen, und die Erde bebte.

 

Carlas letzter Gedanke, bevor der Komet einschlug – „Mist, Schirm vergessen …“ – rettete sie nicht vor dem

 

ENDE

 

ihrer Welt.

 

Und wieder 100 Millionen Jahre Ruhe.