Von Klaus Frank

Gesa Fuhrmann-Schaub saß ihrem Ehemann Guido am Küchentisch gegenüber und wurde sich bewusst, wie sehr sie ihn hasste. Der Hass rumorte in ihrem Leib, unverfälscht und sauer, und gedieh wie ein Krebsgeschwür.

Unbewusst spielte sie mit den Strähnen ihrer brünetten Haare, die ihr bis auf die Schultern fielen. Durch das geöffnete Fenster drang die Brise des sonnigen Apriltages in den Raum. Es beschämte Gesa ein wenig, solch einen wunderbaren Morgen mit dermaßen trübsinnigen Gedanken zu beschmutzen. Sie schaute ihren Mann an, ein mildes Lächeln auf den Lippen. Gesa konnte ihrer Fassade trauen, sie ließ keinen Blick auf ihre wahren Empfindungen zu. Es war, als ob ihre Gedanken – und manchmal glaubte sie gar, ihr ganzes Bewusstsein – am Grund eines sonnenlosen Brunnens dümpelten, wo Liebe und Lachen verschreckte kleine Geister waren.

Guido bemerkte ihren Blick nicht, denn er pflegte morgens seine Zeitung zu lesen. Hin und wieder biss er in die Brötchenhälfte, er stieß dabei seinen Kopf vor wie eine Schildkröte, die nach einem Salatblatt schnappte. Es war ihm völlig gleichgültig, dass Tisch und Fußboden mit Krümeln übersät waren.

Jeden Tag putzte und wischte Gesa hinter ihm her wie ein dienstbarer Geist. Niemals würdigte Guido ihre Anstrengungen, das große Haus von Krümeln, Bartstoppeln und herumliegender Unterwäsche zu befreien. Guido war, so dachte sie eines Nachts, ein Synonym für Dreck.

Sie sah seine Hand, mit der er die Zeitung hielt: zartgliedrig und perfekt manikürt, wie ein teures Werkzeug, das man sich kaufte und dann achtlos in den Keller stellte.

Guido schnappte nach dem letzten Brötchenrest und spülte ihn mit einem Schluck Kaffee hinunter. Dabei verschluckte er sich. Er räusperte sich mit verzerrtem Gesicht, dann hustete er mehrmals, das Geräusch erinnerte Gesa an das Kläffen eines erschöpften Köters. Er spuckte Kaffee und die Reste des zerkauten Brötchens aus.

Gesa stand auf, ihr nachsichtiges Lächeln war erloschen. Vorsichtig lavierte sie um ihren Ehemann und seinen Hinterlassenschaften auf dem Boden herum. Vor der Arbeitsfläche blieb sie stehen und ergriff den Toaster. Das Gerät war viele Jahre alt und wog einige Kilo, funktionierte jedoch tadellos.

Sie packte das Kabel und legte es ihrem Mann mit dem Selbstverständnis einer geübten Henkerin um den Hals und zog in der nächsten Sekunde zu, während der Toaster hinter der Rückenlehne des Stuhls baumelte. Guido zuckte zusammen und stieß einen Ruf aus, der an einen Rülpser erinnerte. Er reagierte so schwerfällig, wie Gesa es erwartet hatte. Tatsächlich stellte er erst die Kaffeetasse auf den Tisch, bevor er nach dem Kabel griff, das straff um seinen Hals lag.

»Gesa, was …«, hechelte Guido. Er zappelte auf seinem Stuhl wie ein an Land gezogener Fisch.

Er packte ihre Handgelenke, doch sie gab nicht nach und holte alles aus ihrem zwar dürren, aber dennoch von der Hausarbeit gestählten Körper heraus, und sie wusste, dass sie Siegerin bleiben würde. Seine schlaffen Buchhaltermuskeln waren geborene Verlierer.

Etwas knackte in Guidos Hals, Gesa vermutete, dass es sein Kehlkopf war, den sie zu einem Knorpelbrei zerquetscht hatte. Guido röchelte, japste und krächzte. Er war bereits blau im Gesicht angelaufen; mit Blut durchsetzter Rotz liefen aus Nase und Mund, der zu einem O geformt war.

Mit einem Schrei zog sie noch heftiger zu, ihre Arme zitterten vor Anstrengung. Noch etwas brach, riss oder platzte in Guidos Hals. An ihren Füßen wurde es warm, und sie begriff, dass seine Blase sich entleerte.

Na warte, du Hund, dachte sie und knirschte vor Ärger mit den Zähnen.

Guido ergab sich mit einem letzten Zucken dem unausweichlichen Ende und sackte nach vorn. Sie zog das Kabel noch weitere zwei Minuten zu, dann endlich war sie sich seines Todes sicher.

Der Schweiß lief in Sturzbächen an ihrem Körper runter, stellte Gesa fest, als sie den Toaster wieder ans Stromnetz anschloss und sanft über seine Plastikoberfläche strich.

Guidos Zunge hing weit aus seinem offenen Mund, ein obszöner Anblick. Seine Augen waren geöffnet und blickten zur Wand. Ihr lief ein Schauer über den Rücken, als sie sah, dass sie blutrot waren, sie wirkten wie die Augen des Teufels persönlich.

Das Telefon schrillte, und sie zuckte zusammen. Schleppenden Schrittes ging sie ins Wohnzimmer und meldete sich. Es war Steffi, ihre beste Freundin. Sie sahen sich nicht oft, doch Gesa hörte ihre Stimme immer gerne. Es dauerte nur wenige Sekunden, bis Gesa die Neuigkeiten nicht länger verschweigen konnte.

»Guido hat mich verlassen.«

Ein sekundenlanges Schweigen folgte, bis es aus Steffi, die mit Gesas Mann nie etwas hatte anfangen können, herausbrach. »Dieser verdammte Schuft. Wie konnte er nur so etwas Scheußliches tun?«

»Weißt du, es kriselte schon länger.«

»Genau wie bei deinen ersten beiden Ehemännern. Die haben dich auch verlassen, nicht wahr?«

»Ja, ich muss offenbar etwas Unausstehliches an mir haben, dass sie es nicht lange mit mir aushalten.«

»Bitte, Gesa, red dir das nicht ein. Du bist eine zauberhafte Partnerin. Jeder Mann sollte sich glücklich schätzen, an deiner Seite zu sein.«

»Lieb von dir.« Gesa gluckste vor Freude und Dankbarkeit.

»Weißt du was? Ich komm vorbei, dann reden wir in aller Ruhe darüber.«

»Wenn du meinst.«

»In einer Stunde bin ich da. Ich bring Rotwein mit. Mit Alkohol lässt es sich leichter über Arschlöcher reden.«

»Und ich mach Schnittchen.«

Sie legten auf.

Eine Stunde – wenig Zeit für die Aufgaben, die nun vor ihr lagen. Gesa blickte zweifelnd auf die Leiche und ihre Ausscheidungen, dann klatschte sie zur Aufmunterung in ihre Hände.

Es war eine elende Schufterei, den Toten durch den langgezogenen Flur zu zerren. Es schien, als habe Guido die Absicht, ihr das Leben weiterhin schwer zu machen. Sie erwartete fast, dass sie ein Grinsen auf seinen Lippen sehen würde, doch als sie sich vorbeugte, bemerkte sie nur den Todesschmerz.

Endlich stand sie vor der geöffneten Kellertür. Gesa wuchtete den Leichnam prustend vor Anstrengung hoch und stieß ihn die steinerne Treppe hinunter. Die Geräusche, die seinen knochenbrechenden Sturz begleiteten, waren grässlich und würden ihr gewiss Alpträume bescheren. Langsam folgte sie ihm in die Tiefe. Sie spürte, dass ihre Knie vor Erschöpfung zitterten. Es roch muffig und feucht im Keller, nach alten Kartoffeln und fauligem Wasser. Erneut zerrte Gesa ihren Mann einen düsteren Gang entlang, bis sie schließlich vor einer massiven Eisentür haltmachte, die sie aufschloss. Den Schlüssel, den sie stets bei sich trug, hütete sie wie einen Schatz.

Gesa schaltete das Licht ein, und der trübe Schein einer nackten Glühbirne, die von der Decke baumelte, erhellte den Raum. Der Geruch von Staub, alter Kleidung und Trockenfleisch stieg ihr in die Nase.

Ein runder Tisch füllte die Kammer, um ihn herum standen gepolsterte Stühle. Mit erheblicher Mühe gelang es Gesa, den Leichnam auf einen Stuhl zu hieven. Dann blickte sie sich um und bedachte die stummen Bewohner des Raums mit einem vagen Nicken.

»Darf ich vorstellen?«, keuchte sie. »Guido.« Vor ihm stand ein leeres Weinglas, das sie füllte, nachdem sie eine staubige Flasche Rotwein entkorkt hatte. Dunkel wie Blut funkelte der Wein in dem Kristallglas. »Weißt du noch, Schatz, du hast oft gefragt, was hinter dieser Tür zu finden sei. Du hattest nie den Ehrgeiz, das Schloss zu knacken, nicht wahr? Nun, jetzt weißt du es endlich.«

Sie ging zum nächsten Stuhl und legte der aufrecht sitzenden Leiche eine Hand auf die Schulter, während Gesa auch ihr Wein in das Glas füllte, das vor ihr stand. »Dies ist Detlev, mein erster Ehemann. Er war leider auch nicht besser als du, Guido.« Vorwurfsvoll schaute sie dem Mann ins mumifizierte Gesicht. Eine dicke Staubschicht lag auf seinen Haaren. Die Lippen waren bis auf fransige Hautfetzen verschwunden, sodass er ein Grinsen zeigte, das wirkte, als stamme es von einem Idioten. Mit verdorrten Rosinenaugen schaute er auf das Weinglas. »Er hat mir das Leben zur Hölle gemacht. Immerzu musste er Schlechtes über mich erzählen. Schreckschraube nannte er mich bei jeder sich bietenden Gelegenheit. Irgendwann hielt ich es nicht mehr aus. Schon damals leistete mir der Toaster gute Dienste.«

Sie stieß ein glucksendes Kichern aus. »Sein rätselhaftes Verschwinden sorgte für Unruhe im Dorf, schließlich war er im Schützenverein, aber niemand verdächtigte mich. Niemand hielt es für möglich, dass ich etwas damit zu tun haben könnte. So ist das eben, wenn Dorftrampel die Ermittlungen übernehmen. Ich könnte sie alle auslöschen, und sie würden es mir noch danken.«

Ein Brummen und Rasseln wurde laut. Gesa wusste, dass es der mit einer Zeitschaltuhr verbundene Luftentfeuchter war, der dafür sorgte, dass die Luft in diesem Raum stets trocken war, wodurch die Gesellschaft einigermaßen in Form blieb.

»Hier haben wir Karl. Karl Filzschuh.« Statt einer Nase klaffte ein Loch in seinem mumienhaft eingesunkenen Gesicht, aus dem sich das Fleisch samt Haut vom Knochen zu lösen drohte, wodurch es etwas gedrungen Affenartiges bekam. Die Kleidung des Toten war porös und löchrig; an der Schulter zeigte sich fahlschimmerndes Fleisch, und ein wenig tiefer lugte grau und staubig eine Brust hervor, die von gekräuselten Haaren gesäumt wurde, die aussahen wie die Beine einer toten Spinne.

»Es dürfte dir klar sein, Guido, warum ich hier Hand anlegen musste. Wer heißt schon gerne Filzschuh.« Erbost schaute Gesa zu Guido hinüber, der im Vergleich zu seinen Vorgängern wie ein Jüngling wirkte, der vor Leben und Tatkraft zu strotzen schien. »Ich hieß zwei Jahre lang Filzschuh-Schaub. Zwei Jahre lang schämte ich mich wegen meines Namens.« Auch ihrem zweiten Ehemann schüttete sie Wein in das staubige Glas. Sie verkorkte die Flasche und stellte sie auf den Tisch. »Nun, meine geliebten Männer, ich muss nun leider wieder nach oben. Steffi kommt gleich zu Besuch, und ich muss Guidos kleines Malheur aufwischen. Ich glaube, ihr kennt sie alle. Meine beste Freundin, ein wahres Goldstück. Sie wird mich nie verlassen.«

Sie löschte das Licht. »Bis bald, ihr Lieben.«

 

V1